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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 11.1919

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Heft 11
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Hoeber, Fritz: Architekturaufgaben der Gegenwart
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https://doi.org/10.11588/diglit.21394#0344

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Arcßitekturauf gaben der Gegenwart

auch nocß der Stockwerkbau vorßerrfcßt, fo [ollen docß diefe Mietßäufer — irrLGegen-
faß zur City — eine nur befd)ränkte Fjöße aufweifen und fo zu dem durchgängigen
Flachbau der weit ins Land [ich erftreckenden Äußenftadt körperlicß-plaftifcß überleiten.
Das Grundübel der Großftadt unferer jüngften Vergangenheit war: die praktifcß-
künftlerifche Vermengung der Arbeits- und der CHoßnftätten. Solange man
noch inmitten der Gefcßäftsßäufer feine ÜJoßnung hatte und folange noch andererfeits,
zwifchen den ausgefprocßenen Stätten des üUoßnens und des Erßolens von moderner
aufreibender Vielgefchäftigkeit, die Fabrik- und die bandelsßäufer emporwuchfen, war
jede Löfung des großftädtifchen Ärchitekturproblems ausgefchloffen: das anglo-ameri-
kanifche Vorbild Londons und Newyorks mit ihrem erften Fjerausbilden des weltwirt-
fchaftlichen Organismus hat auch uns die Notwendigkeit ftrengfter, grundfäßlicßer Tren-
nung der Ärbeitsftätten der zentralen „City“ von den öüoßnftätten der peripherifchen
Vororte, den „cottages“ bewiefen.
Nach und nach beginnt auch in Deutfcßland die Erkenntnis durchzudringen, daß die
ÜJoßnung der Familie das Einzelhaus fein muß, nicht aber die Mietskaferne —
foweit diefes Ideal [ich ökonomifch verwirklichen läßt1: es handelt [ich da natürlich
nicht um mannigfach gefchmückte und individualifierte Sondervillen, vielmehr find hier
als klare Bautypen Reißenßäufer herauszubilden, ftets mit dem dazugehörigen Garten-
grundftück. Das praktifcß und äfthetifd) gut durchgeformte Einzelhaus mit dem vom
Eigentümer felbft zu beftellenden Ackerland wird unferem Gefcßlecßt jene Boden-
ftändigkeit und Liebe zur Heimat wiedergeben, die die vorige, erft vor kurzem
induftrialifierte Generation allgemein verloren hat.
Die in gartenmäßig offener Bauweife errichteten Einzelhäufer (als deren vorbildliche
deutfcße Architekten befonders Fjeinrich Ceffenow in Fjamburg, Georg Metzendorf
in Effen, Paul Schmitthenner in Stuttgart, Fjermann Mutßefius in Berlin und
Richard Riemerfd)mied in München zu nennen wären) können fiel) als ein gleich-
mäßiger zweiter Ring um die innere Gefcßäftsftadt ßerumlegen, oder fie können auch
wie kleine, losgelöfte ftädtifeße Vorwerke fieß um alte oder neue Mittelpunkte grup-
pieren: f)ier wird ein von alters ßer befteßendes Dorf Ausgangspunkt einer neuen
Gartenftadt fein. Dort wird fieß an eine ülniverfität, eine wiffenfcßaftlicße oder künft-
lerifcße ßocßfcßule, die fieß aus dem Stadtinnern ins dleicßbild geflüchtet ßat, eine
1 Von der Überzeugung ausgebend, daß nur der vermietbare b och bau aus wirtfcbaftlicßen und
bodenpolitifeben Gründen nacb wie vor die Gloßnung der großftädtifeßen Bevölkerungsmaffe bleiben
kann, bat ein ideenreicher junger Architekt, beinricb de Fries, den man aus manchem nachdenk-
lichen Auffaße in den „Rheinlanden“ und als Mitarbeiter der Bebrens’fcben Schrift „Vom fpar-
famen Bauen“ in befter Erinnerung hat, eine feßr originelle Verfcbmelzung der Kleinwohnung
mit dem dreiftöckigen Miethaus vorgefchjlagen (Globnftädte der 3ukunft. Neugeftaltung der
Kleinwohnungen im bochbau der Großftadt. 1919. Verlag der „Bauwelt“. Berlin): b- de Fries
will „Doppelftockhäufer“ errichten, d. h- drei in ficb gefcßloffene Kleinwohnungen übereinander
mit einer 4,50 m hohen „Güobnkticbe“ als Gagesraum der Familie und dahinter liegenden 2,20m hohen,
einzelnen Schlafräumen, die übereinander angeordnet find und fo Raum im Grundriß erfparen füllen.
Freilich erheben ficb fofort die ftärkften Einwände gegen De Fries’Ausführungen und Vorfcßläge:
Grundfäßlicb erfebeint der ftatiftifebe Vergleich zwifchen den Mietswohnungen nach dem üblichen
und nach dem neu vorgefcblagenen Syftem in b•nPcbt auf die ausgenußte Raummeterzahl ftark zu-
gunften diefes neuen Syftems übertrieben. Solch ein Vergleich darf eben nicht die veraltete
Mietskaferne vom rohen Spekulantentypus heranziehen, fondern neue, praktifcl) und äfthetifch
einwandfreie Gefcboßwobnungen, wie fie z. B. Friß Schumacher für bamburg gefebaffen
hat. — Weiterhin werden die vielen äußeren und inneren Creppenanlagen unnüß die Bewegungs-
kraft der Bewohner diefer Doppelgefcboffe vergeuden. Endlich bedeutet die große bßbe von
4,50 m des bauptaufentbaltsraums eine erfcbwerteföüärmebaltung im Günter, da die ganze
biße in den oberen, unbenußten Luftraum fteigt, indeffen die dahinterliegenden Scßlafkajüten über-
einander während der bauptiabreszeit dumpfig wirken.
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