Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Heidelberger neueste Nachrichten: Heidelberger Anzeiger — 1936 (Juli bis Dezember)

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.9513#1955

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Fernsprecher-S.-A. 7351—53.

„Heidelberger Neueste Nachrichten" — „Heidelberger Anzeiger"

Donnerstag, 17. Dezember 1936

Seite 3

Mus öem alten Neuenheim unö Hanöschuhsheim

Ermnerungen an üas oorige ^ahrhunüert von Ennl Reimolü.


Siidseite dcr alten Ncucnlicimer Kirche.

(Gemälde von Adolf Hacker.)

Dieser Tage erschien in Heidelberg em von
Emil Reimold verfaktes Buch: ,.D o r f -
leben :n Hanoschuhsheim und Neu-
enhei m", das in seiner Art eine Dorf-, Häuser-
und f?amilienchronik Liefer beiden Heidelberger
Vororte aus den letzten drei Jahrzehnten des
vergangenen Jahrhunderts ist. Der Versasser,
der sein Buch selbst in Verlag nahm les ist aber
in den Buchhandlungen zu haben, Preis
3.80 Mark), legt hier sein persönlichen Erin-
nerungen niedcr und gibt doch damit einen
Blick auf die seinerzeit noch stark ländlichen und
im übrigen ja noch selbständigen Orte und ihre
Bewohner, der mit sebr viel liebevoll zusam-
mengetragenem ffamilienbeiwerk vsrsehen ist
und sicherlich gerade deshalb bei den Hand-
schuhsheimer und Neuenheimer Familien stärk-
stens interessieren wird Viele mehr oder weni-
ger bekannten Versönlichkeiten aus beiden Orten
stehen hier auf. und tausendfach werden Erin-
nerungen ln den Lesern wach. So kann der
Verfaster sicherlich aus rege Anteilnahme an sei-
nem Buch rechnen, das auch eine Anzahl seiner
Gedichte und viele alte Bilder enthält.

Gerade der besonderen Eigenart wegen drucken
wir hier mit Erlaubnis des Verfassers einige
gröstere Abschnitte und Bilder aus dem Buch
ab. wobej wir allerdings mehr allgemein
gehaltene Themen auswählen mustten.

Neuenheim in -en siebziger Jakren.

Wer bis in dio siebziger Iahre von Heidelberg nach
Neuenheim oder Handschuhsheim wanderte, kannte noch
nicht dcn Wcg über die Fricdrichsbrücke durch dis Briik-
^ kenstraße. Wcnn cr nicht von dcr Altstadt hcr übcr dic
altc Brücke kam, so hatte er den Ncckar an der
Fahrtgasse mit der Fähre oder im Nachcn zu über-

Handschuhsheimcr Dorfstraßc mit altem Rathaus.

Das ötathaus steht abgesondert von den andern Häusern.

(Aquarell: Waldraff.)
Links der offene Dorsbach.

Az." "ud kam am Neusnhcimer Neckarufer auf einer
Echsks zwischen den Wirtschasten Zum Schwarzen
""d Zur Krone aus die alte Dergstratze. Bei den
«sfxi vor der alten Brücke erhoben damals zwei
Mts» Männer, die sich in den Tag. und Nachtdienst
keim^ don jedem Fuhrwerk und Futzgänger das Brük-
^rtin ' vls im Oktober 1877 die Fricdrichsbrücke
ärg<>^A,EE war, kam dieses mittelalterliche Verkehrs-
Zlk 7 Wcgfall.

^Nqen »I ^ nen, schlichten Häuser, die im
^elten^^^^ des ehemaligen Dörfchens Neuenheim sich
^Ne-i ^ ? in dentlicher Sprache von harten Zeiten

äUNebE^"^^" Volks. Aber eigcntümlich ist es, wahr-
d>ohn^"' zufrieden die Leute in den alten Häuschen
^rerbsn Cinfachheit und Vescheidenheit sich zu

den Sie sagen: Klein, aber mcin; wenn wir

daheiin diwliifsel herumdrehen, so sind wir schön sür uns
Ayg, niemand trampelt uns auf dem Kopf herum.

^ens. die Leute die hohcn Ausgaben, die alles

^chai.s ^ irch bringt und gönncn neidlos die kostspieligen
^ausungen den Äegüterten.

üud b!>i. Cntfernung von dem Haus Schlcreth

drunl ^one stand der alte Pumpbrunnen, Kreuz-
^ar Oben am ausgehöhlten Vaumstamm

das «o^^^'erne Schwengel befestigt, dessen Bcwegungen
senen ^den Trog warfen zwischen zwei cingclas-

b'udurch, worauf die Leute ihre Kübel setzten.
^Äirti-^ -A^uuerei zur Krone hatte ursprünglich den
wie heute wieder, auf dcr Ostseite.
deit i,-- am abschüsiigen Weg Sihgclegen-

^rn^ dse Caste. ^lor dem Brückenbäu bestand die
ausn^^Evpfstrahe ^och nicht. Von der Vergstrahe
^usnbrt^'in"'^^ uuf der Nordseite dcr Krone eine breite
fiib?„ ü.n/-^^-.^^kichen Cingang und zum Brauhaus
"nd nüä^E'ch,"der auch den Zugang zu dem rückseitig
bild-?, ouch ^legenen Vauernhaus des Nikolaus Voth
°i«em i^ ^ Cmsahrt sowie der Vothsche Vesitz nebst
Hauschen des Georg Heitz ergab durch
Dies<>n M den östlichen Teil der Brücksnkopfstraße.
Üge ün^rrätzendurchbruch war Fahre hindurch der ein-
^erbindungsweg von der Vergstraße nach der
Brtz^' .denn nach Cröffnung der lehteren wurde die
up^^ustraße zunächst nur bis zur Ladenburger Straße

d>el^s^ ^ute mit Uferstratze bezeichnete Gäßchen,
^hrt n Schlereth hinter der Krone gegcn den Neckar
tzqte'- dor der Cingemeindung keinen Namcn. Man
§ähl» ^unne ans Cders, ans Heißc, ans Ueberlcs,
^eckor E>e'lers, Hornungs, oder ans Adelhelms am

ein zm5-.-i?2irtschast zum Schwarzen Schiff war ehemals
?sden >stdckiger, langgestreckter Vau an der Landstraße
mhrt» Sckhäuschen Kips. Mitten durch das Haus
e>Nen> I>dsprunglich der Gang nach dem Garten. Nach
Dinzu„ UNstuhlbrand wurden die Wirtschaftsräume durch
^uße ^che deg Gangcs vergrötzert, so datz man von der

Filiale von Handschuhsheim war. Die Crrichtung der
selbständigen Psarrei wurde erst 1867 von Groß-
herzog Friedrich genehmigt. Vikar Schneider wurde zu-
nächst zum Pfarrverwalter und im Iuni 1869 zum Psar-
rer von Neuenheim ernannt.

Im Iahr 1870 war das neue Schulhaus
Lutherstratze Nr. 18 sertiggestellt und wurde von
dem evangelischen Hauptlehrer Friedrich Schneider be-
zogen. Haüptlehrer Fricdrich Schneider starb 1895 im
Alter von siebzig Iahren. Hier wohnte auch der katho-
lische Ankerlehrer Peorg Harbarth, der später Haupt-
lehrer in Dossenheim wurde. Die nachfolgenden Ünter-

schuhsheim mutzte ihre Abwäsier auf eigenem Voden fort-
schaffen. Iener Wasiergraben, welcher an Stelle des rech-
ten Trottoirs der heutigen Rottmannstraße lies, war
eins Brutstätte für Schnäken und Frösche. Das Quaken
der lehteren hörte man an den Sommerabcnden schon
von weitem. Die Frösche lebten von den Schnaken und
sonstigem Sumpfgeticr und von den Fröschen wiederum
die Störche, dis zur Freude von Iung und Alt ihr be-
hagliches und friedliches Dasein im Dorf fristeten. Doch
zurück zum Dorfeingang!

Ge'genübcr dem Kreuz zog ein Pfad aufwärts in
die Weinberge, das „L o o n e nw e g ch e n", zwischen der

die be-

H . rn die Wirtschast gelangte.

i ätenEü Echwarze Schiff und die Krone waren di
r " Wrrtschaften in Neuenheim. Darin verkehr-

> Ee unb ^ Cinhcimischen auch viele Studentcn, Stadt-
c^Aägen die auf der alten Heerstraße ab- und

^chosigD ^Ver den Neuenheimern hietz sie nur die
b^eq i^.Vor beiden Wirtschaftcn, welchs Tanzsäle
bei den Kirchwcihen Reitschule, Schicß-
»l a „ s. Verkaufstünde aufgestellt, denn das Neckar-
-ü- Vor damals noch keine sichere kkntcrkunft hier-
cO-Dork 7^^ Cingemeindung im Iahr 189l sprach man
^ch'sfsreir„ "om großen und kleinen Neckar. Die
benuhten den unteren Leinpfad. Bei jeder
s>^^chivs„, ^ wurde das öd liegende Neckarvorland
Höhe/ - worauf die Neckarrcitcr die Schiffe von
schmalen Wcg hinaufzogen, der vor
ber heutigcn Uferstratze entlangführte.
n„^de ..„^^orland war ehemals staatlich Als Ge-
i-jchni, kam bie Höherlegung des Geländes über-

^ Spiei , 'w in den Besitz des neugeschaffenen Landes
Di- ""o Spazierwege.

stt? I8tz-i^^"üelischc Kirchcnbehörde beauftraqte im Au-
^üüg hOen Vikar Robert Schneider mit dcr Aus-
Kirchcndicnstcs, währcnd Neuenheim noch

Ehemaligcs Lutlicrhans in Ncueiihcim.

Aquarell von Jules Häberl.-

Tanne..b..ra

u»d Kirchc ,n Handschiihslieim.
(Bild: Waldraff.)

lehrer Adolf Curtaz und Iulius Vollhekbst sind Rektoren
qeworden. Im Iahr 1888 wurde eine zweite Hauptlehrer-
stelle errichtet, die mit Philipp Wagner beseht wurde.
Cr starb 1922.

Am 10. Dezember 1902 konnte zum erstenmal ka-
tholischer Gottesdienst in Ncucnhcim abgehalten
wcrden Nach Crbauung dcr ncuen Iohanniskirche (1902)
wukde das alte Kirchlein von der Stadt Heidelberg an-
gekauft und der katholischen Gemeinde als Notkirche
überlaffen. Am 21. Februar 1903 wurde der erste Spaten-
stich zur Rafaelskirchs getan. An jenem 10. Dezember
1902 wurde Ioses Ludwig Saur zum Kuraten in Neuen-
heim ernannt. Später würde er Pfarrer.

Das Neuenheimer „Lutherhaus" mit seinem
hohen, zuletzt ruinenhaft freistehenden Giebel und einem
etwas weniger hohen Wohnhaus war ehemals der Gast-
hof zum „Großen Faß" und gehörte dem Kloster Schönau
als abgetrennter Besih, der mit dem Mönchhof in keiner-
ler Veziehung stand. Das Gebäude diente vorübergehend
als Armenhaus, hieß dann Gutleuthaus und wurde spä-
ter zu einem Vauernhaus. Als die Lutherstraße im Iahr
1883/84 bis zur Landstraße durchgcsührt wurde, hat man
den Bau niedergelegt.

/ln -er Grenze.

Von dem Lutherhaus und Feldweg nach dem
Neuenheimsr alten Friedhof sah man rechts urid links
der Landstratze gegen Handschuhsheim nur
Kartoffel- und Getreidsäcker. Auf der linken Stratzen-
seite warfcn mächtige alte Nuhbäume brcite Schatten,
wührend Apfelbäume rcchts dem Weg entlang standcn.
Aus der Westseite lief ein Graben, dcr aber für die Ab-
wäffer des Hainsbachs nichtgebraucht werden durfte. Die
Handschuhsheimer Gemarkungsgrenze war zur
rechten Seite der Landstraße wsiter nach Neuenheim vor-
geschoben als links und wurde von einem Feldweg ge-
bildet, der heute zur Gabelsbergerstratze ausgebaiit ist.
Auf dcr linken Seite war die Gemarkungsgrenze, der so-
genannte Kohlenwcg, Den Namen hatte er deshalb,
rveil der Schmied Kling, der hier begütert war, seine
Kohlenlchlacken abzulagern gewohnt war. Iener Feldweg
bildet heute den westlichen Teil der Vlumenthalstratze.
Außer diesen beiden Feldwegen gab es an der Landstratze
bis zum Hainsbachweg keinen Seitcnweg.

An der Stcllc, wo die Mittelstratze, jeht Stenben-
stratze. von der Landstratze abzweigt, nahm die Landstratze
damals eine namhaftc Steigung an, die erst in spä-
teren Iahren durch Abheben der Straße oben beim
Hainsbachweg und durch Auffüllen unterhalb ausgeglichen
wurde.

Der eiqentliche Ortseingang nach Handschuhs-
heim wor heim Kapellenweg. Äuf der Mitte des hcu-
tigen Kapellenwegs etwa staiid damals das mit Cisen-
gitter eingefriedigte Christuskreuz, genau so, wie es heute
än vcr Frredhofecke bei der katholischen Kirche steht. Vier
mächtige Pappelbäume strebten zu dsn Seiten des Kreu-
zes in die Höhe. Rechts am Krcuz, nicht brciter als der
jetzige Gehweg des Kapcllcnweges, führte ein Pfad mit
Gräbcn an der Apfelschen Wiese hinunter zum hinteren
Cingang des Ahelhofs und wciter dem Atzelhos ent-
lang zü der „Alten Wehd", einem breiten Wasicr-
graben. Cr hatte die Abwäsier der Stratzen und des
Hainsbaches aufzunehmen, denn die Gemeinde Hand->

Villa Loonen und Sonnborn. Durch Hinzunahme von
Sonnbornschem Gartengelände wurde der obere Teil des
Kapellenwegs gewonnen. Das Haus Sonnenborn
ist heute das Haus Heckmann.

Um /rtzelhof un- alte klrche.

Drübcn liegt das alte evangelische Pfarr-
haus, jeht Haus Wartburg mit dem ausgedehnten
Garten. Der lange Laubengang und die mächtigcn Pap-
peln zur Seite des Cingangs stnd leider verschwundcn.
Autzen links vom eisernen Tor sanq der laufende
„P s a r r b r u n n e n" scin eintöniges Lied in den ge-
räumigen Vrunnentrog, desien Plätten mit dem einge-
hauenen Handschuh spätcr bei der Renovierung dcr
Tiefburg als Balkone Verwendung fanden. Die eine
Platte mit eingehauenem Handschuh ist links bcim Cin-
gang zur Tiefbürg ersichtlich. Der zrveite etwas schmälere
Trog des Pfarrbrunnens kam später in den Ahclhof, und
der dritte kleine Trog steht in dem Hof der Margarets
Genthner Witwe in der Oberen Kirchgaffe. Das Wasier
flotz von einem Trog in den andern. Die kleirieren dien-
ten als Vichtränken. Der Ueberlauf lief in offener Rinne
die Pfarrgaffe hinnnter in dcn Llhelhof und von dort in
die „Älte Wehd", den bereits erwähnten Wasiergrabcn
auf der Westseite des Dorfes.

Wir gehen bei der Wirtschaft Zum Lamm die
Pfarrgaffe hinunter und sehen am katholischen
Pfarrhaus in Crwartung auf- und abgehend eine
Hünengestalt im schwarzen Gehrock und Zylinder. Die
scharfen Augen nötigen jedem den Grutz ab. Cs ist der
gestrenge und doch so leutselige Kirchenrat Äugust
Cberlin, der aus vielen Spaziergängen mit dem ihm
geistesverwandten katholischen Kollsgen Dekan Vopp
theologisch-wiffenschaftliche Gespräche führte.

Das Beispiel dieser beiden Seelsorger übertrug sich
auf die ganze Gemeinde, in der die ungetrübteste Har-
monie in religiöser Beziehung herrschte, führte doch schon
die Simultankirche die beiden Konfessionen im glei-
chen Gotteshaus zusammen. Wenn die Glocke zum
Vaterunser ausgeläutet hatte und der Schliißgcsang vcr-
klungen war. schlichen die rücksichtsvollen Burschen die
Holztreppe herauf, um für den katholischen Gottesdienst
zu läutcn.

Von der Pfarrgaffe gerade aus gesehen war der
Cingang zu den Nonnengärten, links warcn Vor-
bauten zum Atzelhof, verbunderi durch dcn stcinernen
Torbogen mit dem grotzen und kleinen Holztor. Oben in
den Stein gehauen stand der große Buchstabe 6, dar-
unter Anno 1685.

Der Atzelhof, das einstmalige kurpfälzische Wai-
senhaus, war in den 70er Iahren iin Vesih der Familie
Lehrsch, später des Bürgermeisters Schröder. Als für die
Kleinbahn am Kapellenweg im Oktober 1890 ein Halte-
punkt errichtet wurde, erlaubte er einen Durchgang durch
das Gartengelände bis zur Kirche. An dem Durchgangs-
weg stand die mächtige Akazie, die heute noch in der
Steubenstraße Vewunderung erregt. In nur etwa sechs
Meter Cntfernung von diesem Baumriesen war der höl-
zerne Treppenaufgang auf der Rückseite des Ahel-
hofs, wo vorübergehend auch die Schule war.

Iahrhunderte alte Gätzchen mit Häusern, deren
traute Cinfachheit dem Auge wohltut, ziehen bei dem
Kirchlein dahin: die untere Kirchgaffe, dis obere Kirch-

gafle mit dem alten lutherischen Kirchlein, die Lindsn-
gasie mit der alten Linde, in deren Schatten ein alter
Pumpbrunnen stand. Hier atmet manches Idyll noch
den Zauber der alten Zeit.

Die beiden früheren Schulhäuser sind an
den alten Kirchhof angelehnt und waren bis in die 80er
Iahre die alleinigen Schulen des Ortcs. hübcn hielten
Hauptlehrer Herbig und Reimold und ein Unterlehrer,
drüben im älteren Schulhaus Hauptlehrer Stockert mit
mehr oder weniger Strenge Anterricht. Der Stock wurde
damals fleißig gefchwung'en. Cs waren aber meist er-
bauliche Stunden in den Schulräumen. Als der Lehrer
einmal eine Schülerin srug, wieviel Veine eine Gans
habe und darauf keine Antwort bekam, sagte er dem
Müdchen: „Schau mal zum Fcnster hinaus, drauß hat's
Gäns am Pumpbrunnen," erhielt er sosort die Antwort:
„Ha ons, Herr Lehrer," denn tatsächlich stand draußen
eine Gans auf nur einem Vein.

In den 90er Iahrcn wurdcn zwei Schulräume im
Ahelhof dazugcwonnen, bis auch diese wicdcr eingingen
nach dem Baü des Schulhauses in der Kriegsstraße.

flm alten Rathaus.

Am Cnde der jehigen Steubenstraße, Cndstation
der elektrischen Bahn, sah man vor sich, hinter einer
hohen Mauer, die Waschküche des Helmstätti-
schen Guts, davor an dcr Landstraße zwei riesige
Pappelbäume. Von dieser Waschküche ab, die also dem
Graham-Schlößchen gegenüber stand, slotz der offene
Bach auf der andern Seite der Straße, entlang der
Mauer des Helmstättischen Guts. Hüben rechts vor dem
Zigarrcnladen Schumacher des Pollich'schcn Hauses stand
der Schlotzbrunnen. Auf dcm Steinsockel, der eine
Kugel oben trug, war ein Handschuh eingehauen. Manch-
mal, in hcitzcr Iahreszeit, flotz der Ärunncn schwach,
und die Frauen mußten lange mit ihren Kübeln warten.
Selten wurde jemand ungedüldig, denn es gab da Dorf-
neuigkeiten aller Art. Ieder kannte den andern und nahm
Anteil an allen Geschehnisien im Ort.

An der Zementdecke ist der damals osfene Bach dorf-
aufwärts gut ersichtlich. An den Hauseingängcn und am
ftebergang zur mittleren Kirchgasie lagcn roh zugehaucne
Steinplatten. Auf dem hohen Schornstcin des Hauses
Grün, jeht Väckcrei Heinrich Schmitt, war das <-tor-
chennest. Wcit vernehmbar war das Klappcrn der
Störche, besonders wenn die Imigen gefüttert wurden.

An der Stclle des jehigen Rathauses, also zwischsn
der mittleren und obcren Kirchgaffe, lag damals ein
schöncr Vlumengarten, der Genicinde gehörig,
neben dem des Gemeinderats „Rentmeister" Schmitt.
Vis zur oberen Kirchgasie lag der Bach ofsen. Von da
lief er in einem untcrirdischen Schacht hinübcr vor das
Haus des Spenglers Peter Kling, jetzt Griesers Kauf-
laden, wo eine Schleuse das Waffer staute, das für land-
wirtschaftliche Zwecke gelegentlich in Fäsier gepumpt
wurde.

Der „Klinge Peter", ein wackerer Klempner-
meister, war eine dorfbekannte Persönlichkcit, dcrb, hand-
fest imd unüberwindlich, wenn er gereizt wurde, dabei
gerecht und gutmütig. Cr hiclt viele Taubcn, die vor
dem gegenübcrliegciiden frllhcren Rathaus herumspazicr-
ten oder aus dein Rathausdach ihr besonderes Wcsen
trieben. Das im Iahre 1878 wegen Väufälligkeit abge-
tragens alte Rathaus stand da, wo heute die
Vrückenwaage an der Landstratze bei dem Karl Herdel-
schen Cckhause sich befindet. Unweit des Herdel'schen
Scheunentors führte im schmalen Rathausgätzchen eine
mit Ziegcln überdachte Freitreppe nach den obcrcn Räu-
men, wo das Wachtlokal, der Vürgersaal und das Zim-
mer für den Vürgermeister und Ratfchreiber waren.
Hinter der Freitreppe war unten im Rathausgätzchen
der Zugang zum Ortsarrest, dem sogenannten „Behe-
k 2 mmerle", desien vergittertes hochgelegenes Fenster-
chen auf den klcinen Platz ging, auf dem der hohe rot-
blühende Roßkastanienbaum ständ, der sogenannte „Fle-
xierkcschtebaam".

Wenn auf der Ostscite das Rathaustor unten offen
stand, konnte man im Hintergrund die Handfeuer-
fprihe sehen. Oben an den' Valken der Decke hingen
in langen Reihen die Feuereimer aus Leder mit breiten
Lederhenkeln, die bei einem Vrand von Hand zu Hand
gingen, um dis Sprihe zu füllen. Wafferbehälter waren
der Dach oder die im Dorf verteilten lausenden Brunnen.

Autzer dem bereits erwähnten flietzenden Psarr- und
Schlotzbrunnen gab es noch den Bäumcnbrunnen,
rechts in der Mühltalstratze gegenüber der Bäumengafle,
ferner den Iakobsbrunneü an der Schrödersmühle
oberhalb Vachlenz, weiter obcn, schräg gegenüber der
Vechtel'schen Mühle den Apfelsbrunnen, weiter
oben den Schnappbrunnen, der aber nur floß,
wenn man das Abslußrohr herunterbog. Ferner stand,
angelehnt an die Wirtschaft zur Traübe, der flictzende
Traubenbrunnen. Ctwas später, als der soge-
nannte Dorfgraben zur Friedensstratze ausgebaut
wurde, cntständ dort vor dem jehigen Haus dcs Land-
wirts Ludwig Lenz ein weiterer fließender Vrunnen.

All diese Zeugen trauter Ländlichkeit gchören der
Geschichte an. Cs wäre zu wünschcn, daß ' die Stadt-
gemeinde, die in der Altstadt ihre laufenden Vrunnen
beibehielt, an geeigneten Stellen, vor allem an der Tief-
burg, wo der uralte Schloßbrunnen stand, dcm Stadtteil
Handschuhsheim ftießende Brunnen zurückgebcn wollte.
zumal es an dcm nötigen Wasier nicht zu fchlcn scheint.
Die Leitung vom Mühltal her speiste außcr dem Schlotz-
brunnen nöch den flietzcnden Brunnen innen an der
Mauer des Graham'schen Schlößchens, den
man bei dem Haupteingang zur jehigen Iugendherberge
qeheimnisvoll in seirieri gcräumigen Trog lausen hörte.
Äls man den Ahelhofbrirnncn cntfcrnte, hat man kurzer
Hand deflen Znleitung in den städtischen Kanal fließen
lasien.

Zwei Deamte, von denen der eine Ratsdiener,
der andere Polizeidiener hieß, waren die Träger
des ortspolizeilichen Dienstes. Der erstere besorgte auch
das Ausschellen. Zu den Nachtwachen wurden Bür-
ger herangezogen. Die Sicherheit war wenig gefährdet,
darum blisbe» viete HLuser i« der Söacht «nverschloKe«,
 
Annotationen