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Großherzoglich Badische privilegirte Heidelberger Tageblätter für Verkündigung, Politik und Unterhaltung (36) — 1842

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No. 1 - No. 10 (1. Januar - 11. Januar)
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Umſchau.
(Auszug aus der Khein- und Moſelzeitung.)

Man geſtatte es uns, beim Beginne des neuen Jahres ein
wenig umherzuſchauen in der Welt und unſere Anſichten, wie
ſie entſtehen, ſchlicht und gerade kund zu thun; denn die Tages—
ereigniſſe ſind wie Himmelserſcheinungen anzuſehen, jeder ſieht
ſie anders, jenachdem er hoch 'oder tief ſteht, von Nebel und
Dunſt, oder von Sonnen- und Sternenſchein umgeben iſt,
und gute oder ſchlechte Augen hat.

Mit dem Beſten fängt man an. Hannover iſt ein glück—
liches Land, denn es haͤt in der Zeitung geſtanden; Gott ſegne
dieſes glückliche Land! Da der wahre Segen von oben kommt,
ſo wünſchen wir dieſen Segen Hannovers allen Landern der
Welt, und ſie werden ſich dann gerne desjenigen begeben, den
die Menſchen ihm etwa gebracht.

Hannover gränzt an Hamburg, das ſich in letzter Zeit
entſetzlich patzig gegen England und ſeine Dampfſchiffahrt be—
zeigt hat. Dieſe ungewöhnliche und außerordentliche Erſchei—
nung in einer Stadt, die wir gar nicht mehr für deutſch hiel—
ten und lange Zeit als eine engl. Komptoirkolonie betrachte—
ten, flößte uns einen patriotiſchen Schrecken ein; denn wir ge—
dachten des Sprichwortes: wenn Geizhälſe Geld ausgeben, ſo
ſterben ſie. Wie ſchade waͤre es, wenn die Freiheit dieſer
Städte unterginge! Wir hätten dann nicht mehr die Art da—
von. Tief metaͤphyſiſch haben wir mehrere Jahre lang wie
ein Bramine darüber nachgedacht, warum wohl die freien
Städte in Deutſchland neu gegründet wurden, dieſe Patriar—
cheninſeln des alten ſelig verſtorbenen deutſchen Reichs; res—
quiescat! Wir fanden den zureichenden Grund in dem An—
dersſeyn und im Gegenſatz. In ihnen ſollte das hegeliſch Be—
ſtehende philoſophiſch negirt werden. Einem Deutſchen, der
ohnehin als ſolcher geborner Philoſoph iſt, genügt dieſer Grund
vollkommen; wenn er dem Zollverein auch genügt, ſo iſt an
jenen Städten nichts mehr auszuſetzen.

Holſtein gränzt an Hamburg und iſt däniſch, will aber,
was ganz abſonderlich erſcheint, deutſch ſeyn. Das iſt, ſo
kange die Welt ſteht, nicht paſſirt, daß ein Land deutſch ſeyn
wollte, und weil kein Land es ſeyn wollte, haben die Deutſchen
ſich auf die Philoſophie geworfen und den Franzoſen, Hollän—
dern, Schweizern und Dänen, dieſen irdiſchen Naturen, von
ihrem Land abgegeben, was ihnen zu viel war. Vielleicht
geben jene es wieder zurück, wenn wir ihnen das Abſolute im
Buch, und das Nichtich von Nichteuropa überlaſſen. Wir wol—
len ſehen!

Meklenburg iſt ein Land, in dem Chineſen wohnen
mit tibetaniſcher Religion, ſoviel haben wir gehört; faſt in
keiner Zeitung finden wir Nachricht darüber, Und es ſteht in
keinem Journale etwas Vernünftiges davon. Hätte es keine
ſchoͤnen Prinzeſſinnen gehabt, man glaubte wirkiich, die Men—
ſchen wüchſen dort auf Bäumen. Aber der Franzoſe Marmier

-

iſt deßhalb dorthin gereist und hat von da in meklenburgi—
ſcher Sprache einem Dialekt der abſoluten Identitätstermi—
nologie — Deutſchland beſchrieben, wofür er zum Akademiker
in Paris ernannt worden iſt.

Wenn mehr ſolche franzöſiſchen Philoſophen Deutfchland .
beſchreiben, ſo wird Deutſchland durch ſie bekannter, als in
100 Jahren durch alle ſeine Wiſſenſchaft. Das iſt der Be—
weis dex Nothwendigkeit und des Uebels und der Narrheit in
der Welt.

Von Meklenburg fahren wir nach Rußland. Dieſes iſt
beſchäftigt, die Memel oder den Niemen von Deutſchland ab—
zugraben, damit die Oſtpreußen Meerwaſſer trinken oder Ruß—
land das Niemenwaſſer abkaufen muſſen Jeder ſorgt für ſich,
und aus Deutſchland iſt ven jeher das nach Rußland gekem—
men, was dort nicht gedeihen konnte. Rußland will blos Ruß—
land ſeyn. Wegen dieſes Orginaltopus iſt nichts vernünftiger,
als daß ſich andere Völker wie Planeten nach ihm ridten.
Deßhalb rufen wir gelehrige Deutſche jetzt Hurrah ſtatt hech?
und die Engländer Hurrah ſtatt Huſſah, wie ſie ſenſt riefen;
wir uniformiren uns tuſſifch, und bald werden wir heffentlich
auch ruſſiſche Tänze tanzen, welche nach der Mazurka zu ſchlie—
ßen, recht angenehm ſeyn werden. So ruhig Rußlend im
Innern iſt, ſo lebhaft erhätt es die angränzenden Länder Per—
ſien, die Türkei, Kaukaſien und Preußen, und die Ungarn
regen ſich lebhaft, indem ſie ſich gegen die Staven ereifern.
Deſto beſſer gedeiht Rußland. ortſ. folgt.)

Heidelberg, 7. Jan. Heute fand die Wehl eines Ab-
geordneten der Stadt Heidelderg ſtatt. Sie fiel mit eminenter
tajorität auf Herrn Kaufmann Ph. J. Landfrtied, einen
der geachteſten hieſigen Bürger. — Das Reſultat der Abſtim—
mung war folgendes: Von 42 anweſenden Wahlmännern er—
hielt Hr. Landfried 38, GHOr. Dr. ZUWig. 3 und Hr—
Speherer 1 Stimme. — Auch diesmal waren zwei Prote⸗
ſtationen gegen die Wahl eingelaufen und zwar aus dem be—
kannten Grunde wegen Nichterwählung von Erſatzmännern für
die Herrn Engelhorn und Herrn Maher-Nicotai; die
eine von Hrn Winter sen. als Wahlmann, die andere ven.
zwei Urwählern des 5 Wahldiſtrikts. Der großh. Hr. Wahl—
kommiſſär gab, wie früher, den Proteſtatienen keine Folge.
In Betreff des Hrn. Engelhorn geſchah es darum nicht, weil
er weder ſein Recht als Vahlmann durch eine Erklärung bei
dem hieſigen Gemeinderath, daß er von hier weggezogen ſeß,
aufgegeben habe, noch ihm, wenn er dies Necht in Anfpruch
nehme, ſein Wegzug auf andere Weiſe in geſetzlicher Form
bewieſen werden koͤnne. Daß er dagegen in Betkeff des Hrn—
Nager-Nicolai, der auf ſein Necht als Wahlinann rẽſig
nirt hade, nicht geſchehen ſeg, dafür gab der Hr Wahlkom—
wmiſſär folgende Gründe an: Die Ausubung der Funklion eines
Wahlmannes ſey nicht blos ein Recht! ſondern auch eine


 
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