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Großherzoglich Badische privilegirte Heidelberger Tageblätter für Verkündigung, Politik und Unterhaltung (36) — 1842

DOI Kapitel:
No. 151 - No. 160 (4. Juni - 13. Juni)
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https://doi.org/10.11588/diglit.42549#0631

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No. 154.


1842.





Kammerverhandlungen.

Karlsruhe, 3. Juni. 6. oͤffentl. Sitzung der 2. Kammer.
Die Sitzung eroͤffner eine Erneuerung des Streits über die
Frage: Ob die nachträglich einkommenden Wahlprotokolle den
Abtheilungen oder einer zu wählenden Kommiſſion zugetheilt
werden fouen? Man entſchied ſich für die Abtheilungen. Nach—
dem die Berichterſtattung über die Wahlen von Freiburg und
Hornberg ausgeſetzt worden, weil die Berichte noch nicht fertig
feien, befchäftigte man ſich mit jener über die Wahl von Schwetzin—
gen-Philippsburg (Geh. Rth. Rettig). Abg. Sander, als
Berichterſtatter, fucht darzuthun, daß dieſe Wahl (durch welche
der Abg. v. Itzſtein aus ſeinem vieljährigen Wahlbezirk war
verdrängt worden) ungültig ſey. Er konzentrirte ſeinen Angriff
auf zwe Punkte: 1) der Wahlkommiſſär habe dadurch, daß er
in ſeiner Eröffnungsrede das Großh. Manifeſt gegen die vorige
Kammer in dem Urlaubsſtreit und den von Itzſtein beanttagten
Kammerbeſchluß, in deſſen Folge die Kammer aufgeloͤst worden,
verleſen, den Wahlmännern des Bezirks zu erkennen gegeben,
daß Itzſteins Wiedererwählung dem Regenten unangenehm ſeyn
muſſe, wodurch er die geſetzliche Vorſchrift übertreten habe, daß
der Wahltommiſſaͤr auf keine Weiſe fich eine Einwirkung auf
die Wahl erlauben dürfe, und 2) daß derſelbe die Vergelüb—
dung der Wahlmänner ohne Handſchlag bewirkt habe, was ſich
weder mit der Bezeichnung „Handgelübde“, noch mit den Vor⸗
ſchriften der Eidesordnung vereinigen laſſe. Seinen Gründen
wurde entgegengehalten, daß eine geſchichtliche Darſtellung des
Anlaſſes der neuen Wahlen noch keine Einwirkung auf dieſelben
ſey, daß im Gegentheil, wenn die Wahlmänner des Bezirks
den Itzſteinſchen Antrag, welcher die Auflöſung der vorigen
Kamimer herbeigeführt habe, gebilligt hätten, in ſeiner Erwäh—
nung eine Auffoͤrderung gelegen wäre, ihn wieder zu erwählen;
dann, daß ein Geluͤbde immerhin ein bindendes Verſprechen
ſey, wenn es mit Kenntniß des Gegenſtandes feierlich abgelegt
worden, wenn es gleich nicht im buchſtäblichen Sinne ein
Handgelüdde ſey. Allein die Kammer erklärte die Wahl wegen
Formifehler für ungültig. Hierauf wurde die Wahl von Sins—
heim beſprochen, bei welcher derſelbe Wahlkommiſſär den Hand—
ſchlag nicht abgenommen hatte, ohne daß ein Beſchluß darüber
gefaßt worden wäre.

Karlsruhe, 7. Juni 7. oͤffentl. Sitzung der 2. Kammer.


Volker von Lahr auf unbeſtimmte Zeit um Urlaub gebeten
habe, worüber ohne Abſtimmung zur Tagesordnung uͤberge—
gangen wird.

Sodann erſtattet der Abg. Rindeſchwender Bericht über
die Wahl von Hornberg und Tryberg, welche auf Oberamt—
mann Böhme von Lörrach gefallen war. Die Moejorität der
erſten Abtheilung hatte, 7 gegen 3, auf Beanſtandung ange—
tragen, weil zwei Wahlbezirke, Kniebis und Konigsfeld, keine
eigentliche Gemeinden, ſondern Kolonien ſeyen und ein Wahl—

mann, Oberamtmann Bauſch, am Wahltage bereits durch ſeine
Ernennung zum Beamten in Müllheim einen andern Wohnſitz
erlangt habe. Frhr. v. Küdt miderlegte dieſe Ausſtellung
durch die Nachweiſung, daß beide Orte in dem Beſitz des Ge—
meinderechtes und der Theilnahme an den Landtagswahlen
ſeyen, und durch die Ausführung, daß Bauſch erſt ſeine neue
Beamtung nach dem Wahltage angetreten habe und angewie—
ſen geweſen ſey, einſtweilen das Amt Hornderg zu verwalten,
alſo fam Wahltage in Hornberg ein offentliches Amt verwaltet
habe. Die Wahl wurde ſofort mit alien gegen 2 Stimmen
fuͤr unbeanſtandet erklaͤrt. In Betrefſ der Sinsheimer Wahl
Kaufmann Gaſtroph) bei welcher ebenfalls kein Haͤndſchlag
abgenommen ward, wurde der Beſchluß dahin gefaßt, daß
diefelbe zu beanſtanden — noch zur Zeit nicht für ungültig
zu erklären — ſey, und daß die Regierung erſucht werden ſolle,
die Erklärung des Wahlkommiſſärs über den Hergang der
Verlübdung zu erheben.

Heidelberg. In der Beilage zur Augsb. Allg. Zeitung
vom 3. d. W. werden von einem Berliner Correſpondenten
folgende Flugſchriften beſprochen:

1) Vier Variationen über ein Zeitthema von Criminaldi⸗

rektor Hitzig;

2) Der Beruf der preußiſchen Preſſe von L. Buhl.

3) Theologiſches Votum über die Anſtellung der Theologen

an den deutſchen Univerſitäten;

4) Marheineke's Separatvotum über B. Bauer's Kri—

tik der evangeliſchen Geſchichte;

5) Die Sitte iſt beſſer als das Geſetz. Eine Verwahrung

gegen ein neues Eheſcheidungsgeſetz;

6) Die juriſtiſche Facultät der Univerſität zu Berlin;

Sodann iſt folgende Schlußbemerkung angereiht: Auf ſol—
chem Standpunkt der Oeffentlichkeit ſtehen wir alſo jetzt in
Preußen, daß ſolche Reformenverlangen und in ſo freier
Sprache laut werden. Süddeutſchland wird dieſe Bewegung
hoffentlich geſpannten Auges verfolgen, denn unſere iſt auch
ſeine und ſeine unſere Sache. Bei uns aber waltet der Unter—
ſchied vor, daß die Bewegung des Liberalismus auf das engſte
mit der Wiſſenſchaft zuſammenhängt, und daß ſie dann erſt
ins Volk übergeht, wenn ſie theoretiſch vollendet iſt. Dieß
gibt eine ungleich feſtere Baſis als die, welche der nur auf
dem Volkswillen fußende abſtracte Liberalismus aufweiſen konnte.
Das Volk muß den Inhalt, welchen es in ſeiner Geſchichte
ausprägen will, erſt erringen und ihn eben ſo gut in ſich auf—
nehmen wie die Wiſſenden. Dann erſt iſt ein ſicherer Fort—
ſchritt möglich.

„Heidelberg, 5. Juni. Kaum, daß man ſich ſo recht
über die rege Theilnahme an dem Hamburger Unglücke freuen
konnte, ſo hört man auch ſchen hie und da die faſt lächerkichen
Beſorgniſſe äußern, es möchten die Hamburger mehr erhalten,
als ſie verloren haben. Wie kann man bei einigem Nachden—
 
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