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Großherzoglich Badische privilegirte Heidelberger Tageblätter für Verkündigung, Politik und Unterhaltung (36) — 1842

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No. 81 - No. 90 (23. März - 3. April)
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Lo. 87.
* *
8 dem 1. April beginnt ein neues Vierteljahr—

2


1842.


Der Preis des vierieljährigen Abonnements


Heidelberg, im März 1842.

— —

— —

WMannheim, 29. März. Bei der heute ſtattgehabten
Wahl der Wahlmänner im vierten Diſtriet hieſiger Stadt
Furden erwählt: Giulini, Paul, Handelsmann; L Itzſtein,
Adam, Hofgerichtsrath; Bodani, Wilhelm, Handelsmann;
Haas, Konrad, Handelsmann; Mördes, Ober-Ger.-Advocat;
Keiffet, Philipp, Gaſtwirth; Biſchoff, Peter, Handelsmann;
Güppuer, Georg, Schuhmachermeiſter. (D —
— — Marz. Lebhafte Theilnahme baben hier
in dieſen Tagen Verhandlungen unſerex Kammer aufgeregt, in
Beziehung auf Debatten über eine Motion des Biſchofs von
Rottenburg, welcher zufolge die Regierung, der Eingriffe in
die Rechte der katholiſchen Kirche deſchuldigt wurde. Dieſe
Beſchuldigungen waren gerichtet theils auf angebliche Verletzun—
gen der diſchoͤflichen Rechte, welche ſich der kaͤtholiſche Kicchen—
rath erlaubt haben ſoll; theils auf partheiiſche Ausübung der
Zenſur zum Nachtheile katholiſcher Schriftſteller; theils endlich
Iuf angebliche Gewaltmaßregeln, durch, welche die Regierung
katholiſche Geiſtliche geſtraft habe, weil ſie aus Gewiſſenhaf—
iigkeit die Einſegnung gemiſchter Ehen verweigert hatten.
Wir koͤnnen hier nur fummariſch den Inhalt der Motion an—
deuten und wuͤſſen uns auf allgemeine Bemerkungen beſchrän—
ten. Was die Klage gegen den hieſigen katholiſchen Kirchen—
rath betrifft, fo wird Der. unparthelifche Lefer, in Crwägung,
daß Diefer Kirchenrath nur aus katholiſchen Mitgliedern beſteht,
ſogleich einſehen, wie hier nur Widerſpruch zwiſchen katholiſch⸗
biichoͤfticher und katholiſcher Staotsgewalt aufgeregt worden,
daß alfo dabei nicht von einer die katholiſche Neligion bedro—
henden Gefahr, ſondern nur von den Anſprüchen der Hierarchie
die Rede fehn könne. Nun ſind zwar die Anhänger der letz—
tern von jeher gewohnt geweſen, ihre Forderungen für Ge—
bote Gottes zu elklären; in unſerm Zeitalter aber kann es nur
bei Unwiſſenden und Einfältigen gelingen, zwei ſo weſentlich
verfchiedene Dinge, wie Religion und Prieſterherrſchaft, u
verwechſeln und das Gelüſten dieſer als einen heiligen Beſtand—
theil jener in Anſehen zu bringen. Da bei dieſem Streit alle
katholiſche Mitglieder der Kammer, mit Ausnahme einer kleinen
Minorität von ſechs Stimmen, ſich gegen die Motion des Bi—
fchofs erklaͤrten, und jenen Miigliedern nicht ſchuld gegeben
werden kann, daß ſie von der Heiligkeit der Religion keinen
Begriff hätten, ſo wird um fo weniger zu bezweifeln ſeyn, wie
bei'dieſer Angelegenheit nur Anſprüche der Hierarchie in Frage
ſtanden. Indem wir dieſe unſere, auf gewiſſenhafte Erwägung
der Akten gegründete Ueberzeugung ausſprechen, ſind wir weit
entfernt, den Biſchof von Rottenburg für einen herrſchſüchtigen

G. Reichard.

Prieſter zu halten; wir verehren aufrichtig ſeinen menſchen—
freundlichen, friedliebenden, durch edle Gutmüthigkeit ausge⸗
zeichneten Charakter; wir verchren nicht weniger ſeine fromme
Geſinnung, welche in dieſem Falle den Kampf mit der Staats—
gewalt ihn als eine Gewiſſensfache anfehen ließ. Allein gerade
deßhalb können wir uns ſein Verfahren nicht aus ſeiner ehr—
würdigen Perſoͤnlichkeit erklären, ſondern müſſen einen fremden
Einflüuß vorausſetzen, dem es gelang, ſeine Gutmüthigkeit
irre zu leiten. Es gibt in einem Theile von Deutſchland eine
Propagonda oder Congregation, welche, der Erleuchtung der
Kegierung und der Völker zum Trotz, die gute alte Zeit des finſtern
Nittelalters wieder zurückführen und die Fürſten ſowohl wie
ihre Unterthanen als geiſtige Sklaven der Prieſter behandeln
moöchte! Moöglicherweiſe Loͤnnte dieſer Parthei gelungen ſeyn,
das zarte Gewiſſen unſers Biſchofs durch Vorſpiegelungen zu
beängſtigen, damit er die Theilnahme an ihren Beſtrebungen
für eine Sache Gottes halten moͤchte. Ohne Mühe ließen ſich,
angeblich dem Heile der Kirche gewethte, öffentliche Blätter
anführen, welche ſchon früher dis würtembergiſche Regierung
in den Ruf der Ungerechtigkeit gegen die katholiſche Kirche zu
bringen verſuchten. Was die Propaganda öffentlich zu thun
ſich nicht geſcheut, darf in höherm Grade von geheimer Auf⸗
reizung velmuthet werden. Unſer Biſchof denkt zu edel, um
bei Denen, die im Namen Gottes zu ſprechen vorgeben, ge—
meine, eigennützige Motide zu ahnen; aber eben dieſer Edel—
muth kann gemißbraucht worden ſeyn, ihn über den Charakter
der Zeit im Allgemeinen und über den Geiſt unſerer Regie—
rung insbeſondere zu täuſchen. Auch darum wind der fremde
Einfluß glaublich, daß, wie der Bericht der Kommiſſion in
der Kammer ausweist, die Motion nicht durch Thatſachen be—
gründet worden, ſondern ſich auf gewiſſe allgemeine, ſchwan—
fende Klagen befehränkt habe: was aus eigner Seele und Er—
fahrung hervorgeht, findet unſchwer den Grund, der einer
Klage Halt geben kann. Die Beſchwerde uͤber partheiiſche
Ausübung der Zenſur zum Nachtheile katholiſcher Schriftſteller
betreffend, ſo iſ ſie ebenfalls durch Thatſachen nicht unterſtützt.
Man wird wohl nicht irren, wenn man annimmt, daß auch
bet uns einigé ſchreibſüchtige Fanatiker ſich das Privilegium
erſchleichen oder ertrotzen möchten, im Namen der Kirche die
achtbarften Autoritäten zu beſchimpfen, während für andere ı
Anſichten die Zenſur aufgeſpart werden ſoll. Unſere Regierang
bat nie und mwird nie ihre Würde ſo ſehr vergeſſen, doppeltes
Maß in Anwendung zu bringen. Die Anfprüche der Hier rchie
endlich, in Abſicht auf gemiſchte Chen, ſind ſo vielfaltig ſchen
 
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