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Großherzoglich Badische privilegirte Heidelberger Tageblätter für Verkündigung, Politik und Unterhaltung (36) — 1842

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Landwirthschaftliche Berichte
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No. 1 - No. 10 (15. Januar - 31. Mai)
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https://doi.org/10.11588/diglit.42549#0759

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X0. 9.


1842.







Ueber das Einkürzen der grünen Triebe vor und
während der Blüthezeit der Reben.

Wir haben dieſe Arbeit ſchon mehreremale auf das drin—
gendſte empfohlen, aber meiſtens tauben Ohren gepredigt,
wie wir uns dies bei unſeren Bauern gar oft muͤfſen gefallen
laſſen. Doch duͤrfen wir, durchdrungen von dem Bewußt—
ſein, etwas Zweckmaͤßiges anzurathen, uns von dieſem Nicht—
hoͤren nicht aoſchrecken laſſen, mit der Sache ſo lange immer
wieder zu kommen, bis es endlich Einigen gefaͤllt, ſie ein we—
nig naͤher zu betrachten, und vielleicht aͤuch zu probiren.
Wir muͤſſen uns dabei leider die Schmusjuden zum Vorbilde
nehmen, die ſo lange plaudern, bis ſie endlich aus Ueber—
druß angehoͤrt werden. Unſere Rebleute ſollten uns aber in
unſerer gulen Abſicht mit mehr Vertrauen entgegen kommen
und bedenken, daß wir uns wegen uns ſelbſt keine Muͤhe zu
machen brauchen, ſondern daß Wwir uns 'einzig und allein In
der Abſicht an ſie wenden, um fie auf jene Vortheile im
Weinbau, aufmextſam zu machen, welche diefes mißliche Ge—
ſchaͤft doch vielleicht zu einem etwas hoͤheren Ertrage bringen
werden, als es ſeither der Fall war. Die Lehre von dem
Einkuͤrzen der Triebe in der Bluͤthezeit iſt uͤbrigens keines—
wegs aus der Luft, gegriffen, ſondern ward ſeit mehreren
Jahren von uns mit dem beſten Erfoͤlge angewaͤndt. Der
vernuͤnftige Rebmann, welcher nicht ſtoͤrrig auf dem Alten

beharten will kann die ſo behandelten Rebftoͤcke euͤtieder in

dem Landw. Berſuchsgarten in Heidelberg oder hier in Wein—
heim in, mehreren Weinbergen einſehen, und ſich von der
Zweckmaͤßigkeit der Behandluͤng ſelbſt uͤberzeugen. Wenn er
ſich an uns wendet, werden wir ihm einen erfahrenen Reb—
mann mitgeben, der ihm an Ort und Stelle alles genau er—
klaͤren ſoll.

Bei der Einkuͤrzungsmethode iſt als Hauptſache anzu—
nehmen, daß zur Zeith der Bluͤthe, fowie 14 Tage vor uͤnd
nach derſelben alle gruͤnen Triebe, welche ſtehen oͤleiben und
nicht aus anderen Gruͤnden entfernt werden muͤſſen, an dem
dritten oder vierten Gliede ober' dem hoͤchſten Geſcheine weg—
gebrochen werden muͤſſen, daß aber alsdaͤnn die Aberzaͤhne,
welche aus den oberen Augen austreiben, durchaus nicht
ausgebrochen, ſondern ſpaͤterhin ebenfalls ein—
gekürzt werden muͤſſen.

Wir haben bei der Laͤnge der gruͤnen Triebe die Regel
aufgeftellt daß ſie am dritten oder dierten Gliede ober dem
hoͤchſten Geſcheine wegzubrechen ſind. Dies gilt bei dem Za—
pfen= und dem Rahnienſchnitt mit halben Schneidreben ohne
Auznahine; bei langen Bogenreben werden aber nur alle
vorderen Triebe ebenſo behaͤndelt, weil man hierbei jedoch
Fnige laͤngere Ruthen zur kuͤnftigen Schneidrebe noͤthig hat,
19 muß man jene zu diefem Schneidhokze beftimmte Triebe in
der dazu nothigen Laͤnge laſſen. Dies iſt aber auch das ein-
ä186, WA8 bei dem Einküurzen in Nückficht auf den Schnitt
ſelbſt zu beobachten iſt, und man kann die Einkuͤrzmethode
bei jedem Schnitt und Erziehungsart anmvenden, was vielleicht

Manchem unwahrſcheinlich vorkommen mag, aber dennoch
ſeine volle Richtigkeit hat.

Der Nutzen der Einkuͤrzungsmethode hat ſich uͤbrigens
im heurigen Jahre recht auffallend in ſolchen Gehenden ge—
zeigt, wo im vorigen Jahre der Brand arg gehaust hat.
Denn die eingekuͤrzten Reben behielten mehr Vegetation als
die anderen, trieben auch einige Aberzaͤhne aus, und dies
ſcheint auf die diesjaͤhrige Fruchtbarkeit in der Art gewirkt
zu haben, daß, wo in den Nachbarweinbergen nur wenig
Geſcheine ſind, man an den eingekuͤrzten Reben keinen Unker?
ſchied gegen den früheren Jahren bemerkt.

Ein weiterer ſehr großer Bortheil bei der Einkuͤrzungs—
methode iſt der, daß man Lagen und Booenarten, in wel—
chen die Reben keinen zu ſtarken Trieb haben, und die maͤn
daher auf Zapfen ſchneiden kann, das Wingertsholz faſt
ganz erſpart, indem nur noch ſolche Stoͤcke, weiche man des
Berlegens wegen nicht einkuͤrzen darf, Pfaͤhle zu geben no—
thig hat, waͤhrend die anderen ſich ganz von ſelbſt tragen.
Denn indem man durch das Einkuͤrzen das Gewicht der lan—
gen Triebe entfernt, ſo faͤllt ſchon vieles von &er Nothwen—
digkeit der Stuͤtze von ſelbſt weg, dabei werden aber auch
noch die eingekuͤrzten Reben viel dicker und ſtaͤrker als die
andern, und tragen ihre Trauben, ohne daß ſie deren Ge⸗
wicht an den Boden zieht. Hoͤchſtens wird es nothwendig,
gegen den Herbſt hin das, was von den Aberzaͤhnen ſtehen
bleibt, oben zuſammenzubinden, wodurch alle Gefahr des
Sinkens der Trauben gegen den Boden hin beſeiliget wird.

Es verſteht ſich, daß da, wo man einen langen Schnitt
anwendet, das Holz zur Stuͤtze nicht entbehrt werden kaͤnn,
es iſt aber ſehr oft dieſe lange Schnittmethode ſelbſt ganz
unnoͤthig, ja ſelbſt nachtheilig, und koͤnnte ſchon deshaͤlbmit
dem groͤßten Vortheile in einen angemeſſenen Zapfenſchnitt
umgewandelt werden, weil man alsdann keine Stuͤtze anzu—
wenden braucht, welche ſo oft noch den geringen Gewinn
aufzehrt, den man aus ſolchen Weinbergen zieht. Der Reh-
mann ſollte nur einmal rechnen, um zu ſehen, wie theuer
er oft die wenigen Trauben, die er dei langem Schnitt viel⸗
leicht mehr erhaͤlt, zu bezahlen hat.

Ein weiterex Vortheil der Einkuͤrzmethode beſteht ferner
darin, daß die Trauben in der Bluͤthe nicht ſo leicht abroͤh⸗
ven, wie fonft, und daß fie felbft zarter und faftiger werden
als die anderen. Im Anfange fuͤrchteten wir, ſie moͤchten
wegen dieſes Umſtandes vielleicht' einen geringeren Wein ge—
ben. Wir fanden hiervon aber gerade daͤs Gegentheil, was
aber auch ganz natuͤrlich iſt, weil ſie viel leichker zur rechten
Zeit der Sonne, ausgeſetzt werden koͤnnen als die andeten.
Beſonders auffallend findet man das Borruͤcken dar Reife in
Weinbergen ohne Holzftüße, weil die Pfähle immer einen
Schatten geben, der, wenn er auch im Einzelnen gering iſt,
doch im Laufe des Sommers zufammengenommen ſtark ge—
nug iſt, um die Ervärmung des Bodens in einem gewifjen
Grade zu verhindern, die, wie wir durch Verſuche ſehr auf⸗
fallend erſahen, auf die Zeitigung der Trauben einen vorzuͤg⸗
 
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