No. 151.
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Kammerverhandlungen.
Karlsruhe, 1. Juni. 5. offentl. Sitzung der 2. Kammer.
Fortſetzung der Wahlpruͤfungen. Von der geſtrigen 4. Sitzung
iſt Folgendes nachzutragen: Abg. Welcker fragt, warum das
Wahlptotokoll des Abg. Matthy noch nicht vorgelegt ſey.
Staatsr. v. Rüdt erwiedert, es ſeg noch nicht eingekommen;
er werde, da der Hr. Abg ſo großes Verlangen zeige, Matthy
in die Kammer treten zu ſehen, nicht zoͤgern, es vorzulegen,
ſobald es eintreffe. Welcker's weiterer Antrag, den Abg.
eingetroffen und ſeine Einberufung durch den Chef des Mini—
ſteiiums des Innern erfolgt ſey, findet keine Unterſtützung
und wird auf Sander's Rath von dem Antragſteller ſebſt
vertagt, nachdem der Regierungskommiſſär dargethan hatte,
daß kin ſolcher Antrag gänzlich gegen die Wahlordnung anſtoße.
Heute wurde die Janze, durch fünf Stunden ſich hinziehende
Sitzuͤng der Berathung über die Frage gewidmet, ob die Wahl
des Landamtsbezirkes Lahr (für den daſigen Fabrikanten Da—
niel Volker) für beanſtandet zu erklären ſey. Die große
Wehrheit der erſten Abtheilung, ihren Berichterſtotter Welcker
an der Spitze, hatte darauf angetragen. Die Hauptgründe für
ihre Anſicht waren: eine nachtraͤglich eingekemmene Proteſtation
von fünfzehn Urwählern zu Seelbach und deren Anzeige, daß
Voͤlker ſich habe Beſtechung mehrerer Urwähler zu Schul—
den kommen laſſen, um Wahlmänner ſeiner Farbe zu gewin—
nen, und die Vorlage eines Advokaten Baum von Lahr in
ähniichem Sinne, dann eine Interpellation von Völkers Schwa—
ger, Kaufmann Dürr zu Lahr, durch welche deſſen morali—
ſcher Befähigung zum Eintritt in die Kammer widerſprochen
worden. Man ſtritt ſich mit Umſtaͤndlichkeit über die Fragen:
1) Ob eine Beanſtandung der Wahl der Wahlmaͤnner, deren
Entſcheidung zunaͤchſt der Wahlkommiſſion zugewieſen iſt, vor
die Kammer gehoͤre, was von Abg. Welcker behauptet, von
dem Regierungskommiſſär Staatsrath v. Rüdt widerſprochen
worden; 2 od der Interpellation gegen eine Wahl eine ſus—
penſive Wirkung beigelegt werden ſolle; über welche ein fehler—
ſreies Protokoll, alfo eine öffentliche Urtunde, vorliegt, und
welche auch ſonſt kein außerliches Gebrechen hat.
Abg. Trefurt und noch vollſtändiger Abg. Bekk führten
aus, daß in Folge einer ſolchen Urkunde vorerſt die Wahl
als nicht beanſtandet zu erachten und dem Gewählten der Ein—
tritt in die Kammer nicht zu verſagen ſey, daß übrigens damit
Thatſachen, wenn ſich ſolche bei einer anzuſtellenden Unter—
ſuchung als der Wahrheit gemäß herausſtellten wieder umge—
ſtoßen werde, wie dies bei jeder vorkommenden ſpätern Nach—
weiſung einer Unwürdigkeit der Fall ſey, doß aber einer un—
beſcheinigten Angabe, zumal von Männern, die ſelbſt das Be—
kenniniß ablegen, daß ſie ſich haben beſtechen laſſen, keine
ſolche Wirkung beigelegt werden dürfe.
1842.
Die Vertheidiger der gegentheiligen Meinung bezogen ſich
theils darauf, daß es offenkundig ſey, daß in dem Laͤhrer
Wahlbezirk Beſtechungen ſtattgefunden hätten, theils darauf,
daß wohl Niemand wagen werde, eine ſolche Beſchuldigung ohne
hinlänglichen Grund vorzubringen, und vindizirten der Kammer
das Recht, in jedem einzelnen Falle zu erkennen, ob eine ſolche
Beſchuldigung unter Umſtaͤnden ſtattfinde, welche eine Berückſich—
tigung verdienen. Sie führten aus, daß, wenn manden Eingaben
ſo weit Berückſichtigung ſchenke, daß man eine Unterſuchung
der darin angeführten Thatſachen verlange, eben dadurch die
Wahl eine beanſtandete ſey, mithin der Beanſtandete bis zum
Austrag der Sache nicht mehr in der Kammer erſcheinen könne,
daß es auch der Würde der Kammer nicht entſpreche und das
offentliche Vertrauen zu ihr ſchwäche, wenn das Verhalten von
Dtitgliedern in ihrer Mitte der Gegenſtand einer eingeleiteten
Unterſuchung ſey. Es wurde mit 31 Stimmen gegen 26 ent—
ſchieden, daß die Wahl nicht als eine beanſtandete zu be—
trachten ſeh.
Die dritte Frage: ob die Eingaben gegen Völker an das
Staatsminiſierium zu geben ſeyen, mit dem Erſuchen, die
darin enthaltenen Thatſachen unterſuchen zu laſſen, wurde
mit großer Meyrheit bejaht. Man ging dabei von der Anſicht
aus, doß jedenfalls in dem Intereſſe der Kammer liege, daß
die Verdächtigung einer Wahl vollſtändig aufgeklärt werde, und
welche ſich ſelbſt der Beſtechlichkeit angeklagt haben, mwobei c&
ſich von ſelbſt ergeben werde, ob und was hiebei dem Abg.
Voͤlker zur Laſt falle. In Bezichung auf Dürr's Eingabe
ſprach man ſich dahin aus, daß zwar das öffentliche Leben der
Abgeordneten, nicht aber deren Privatleben vor die Kammer
gehore und jedenfalls ſich nicht zur Verhandlung in öffentlicher
Sitzung eigne.
Baden, 30. Mai. — Unſer Kurplatz belebt ſich bereits;
doch fehlt es noch an vielen der ſenſt um dieſe Jahreszeit ſchen
eingetroffenen Gäſte. An Verſchönerungen blieb Baden auch
dieſes Jahr nicht zurück. Ob der Bau der Eiſenbahn von dem
nahen Oos hierher geleitet wird, darüber verlautet noch nichts
Beſtimmtes; jedoch iſt dies jedenfalls zu erwarten.
München, 30. WMai. In demſelben Augenblick, da Se.
M. unſer geliebter König von dem unermeßlichen über die—
deutſche Schweſterſtadt Hamburg gekemmenen Brandunglücke
während Ihres Aufenthalts zu Rem durch die Zeitung volle
Nachricht erhielten, haben Allerhöc ſtdieſelben an Ihren Mini—
ſter des Innern v. Abel das nachſtehende ſo eben hier einge—
getreffene Handſchreiben zu erloſſen geruht: „Rem, 22. Mai
1842. Mein wertheſter Miniſter, durch die Zeitung das un—
geheure, Hamburg betreffene Unglück vernemmen haͤbend, er—
theile Ich hiemit die Weiſung, daß in meinem gaͤnzen Koͤnig—
reiche geſammelt werde zur Unterſtützung der durch dieſen
Brand um ihr Vermoͤgen gekommenen eder bredlos gewordenen