Heid
No. 76.
1842.
Karlsruhe, 14. März Heute haben die Wahlen der
Wahlmänner hier begonnen, für den erſten Diſtrikt wurden
gewäͤhlt; 1) Oberbürgermeiſter Füeßlin: 2) Geheimerrath und
Stadtdirektor Stoͤßer; 3) Miniſterialrath Vogelmann; 49) Zim⸗
merineiſter Hellner; 5) Partikulier Philipp Schmidt: ö) Münz—
rath Kachel; 7) Maler Fritz; 8) Bierbrauer Ehpper.
Karlsruhe, 16. März. Dem Vernehmen nach hat nun⸗
mehr Oberamtmann Sander ſeine Entlaſſung aus dem Staats⸗
dienſte eingereicht (K. 3.)
Freiburg, 14. März. Die heutige „Freiburger Zeitung“
Mufeumsgeſellſchaft (nicht ſowohl in dieſer Eigenſchaft, ſondern
vorergt als eines bereits beſtehenden Vereins) eine Aufforderung
zur Bildung eines Breisgau-Seeländiſchen Dombau—
Vereins. Unterzeichnet ſind: Frhr. v. Andlaw, Frhr. v.
Rinck, Rettig, v. Boemble, L. Oettinger, C. D, Kapferer,
Lehherr, A. Herzog, Woerl, Dr. v. Hennenhofer, Stephani,
Fromherz, Zentner.
Stuttgart, 13. März. In der heutigen Sitzung der
Kammer der Abgeordneten kam bei überfüllten Hallerien —
ſelbſt die zu denſelben führende Treppe war theilweiſe beſetzt
— die Motion des Biſchofs von Rotenburg zur Berathung,
und zwar wurden heute die zwei erſten im Kommiſſionsberichte
zur nachträglichen Motion ausgehobenen Punkte, „die nachträg—
liche Motion und die Petitionen“, erledigt. Dieſer Theil der
Motion hat die Autonomie (Selbſtgeſetzgebung) der Kirche zum
Gegenſtande. Der Ausgang war, daß auf den Antrag des
Domdekans v. Jaumann mit 80 gegen 6 Stimmen beſchloſſen
wurde: „Die Kammer möge zu Protokoll erklären, daß ſie zu
der Regierung das Zutrauen hege, dieſelbe werde den Beſchwer—
den der Katholiken, wenn gegründete vorlägen, abhelfen.“
(Obd. Ztg.)
Zweibrücken. Verhandlungen vor dem Affiſen—
gerichte der Pfalz. Sitzung vom S. März. Maria Treſſo,
Jahre alt, Ehefrau des Maurers Karl Schmidt, von
Zpeyer, der Unterdrückung des Zivilſtandes eines Kindes (Art.
345 des Strafgeſetzbuchs) angeklagt. Es lag hier ein 'ſehr
eigenthümlicher Fall vor: Entwenduͤng eines uͤnehelichen Kin—
des durch eine verheirathete Frau, un es als ihr eignes Kind,
Loſt beſihrem Ehemanne, auszugeben. Die Angekiagte hatte
ſich am 3. Dez. 1840 mit dein Maurer Karl Schmidt von Speyer
verheirathet. Bald nach Eingehung der Ehe äußerte Schmidt
wiederholt den Vunſch, einen Leibeserben zu erhalten und ſchien
befümmert zu fegn, alg Ddiefer Wunfch nicht in Erfüllung ging.
Endlich im verfloſſenen Monat Juli erfteuete ihn die Ange—
Lagte mit der Nachricht, daß er bald Vaterfreuden genie—
ßen werde, und gab als Epoche ihrer Enebindung den Ronat
Januar 1842 an, eine Zeit, in weicher der Verdienſt des Som—
mers der Regel nach bei dieſen Leuten verzehrt iſt, was auch
dei Schmidt der Fall war. Er vollte indeſſen die Ankunft
ſeines erſtgebornen Kindes mit einem Taufſchmaus feiern, und
veranlaßte deßhalb ſeine Ehefrau den 28. Dez. nach Mann—
heim zu gehen, um in dem dortigen Pfandhaus Kleidungs—
ſtücke zu verſetzen. Dieſelbe kehrte aber erſt den 31. Dez. Ju⸗
rück und brachte zu ſeinem Erſtaunen ein neugebornes Knaͤb—
chen mit. Der glückliche Ehemann befrogte ſich über die naͤhe—
ren Umſtände des Ereigniffes, worauf fie ihin erzählte, daß
ſie zu Mannheim in der Wohnung eines dortigen Beamten
niedergekommen ſey. Am folgenden Morgen wurde die Wöch—
nerin von Bekannten und ſämmtlichen Baſen beſucht, welch
Letzteren die größte Aehnlichkeit des Neugebornen mit der'Schwe—
ſter des Vaters bewunderten, ſo daß' dieſem natürlich jeder
Zweifel über ſeine wirkliche Vaterſchaft ſchwinden mußte. Ver⸗
tieft in ſein großes Glück, vergaß Schmidt die Geburtsanzeige
bei dem Zivilſtandsbeamten zu machen, ſo daß ihn ſeine Fraͤu
am dritten Tage daran erinnerte, mit dem Bemerken, er ſſolle
angeben das Kind ſey erſt am vothergehenden Abende geko—
ren worden, was Schmidt auch befolgie und demgemäß den
Geburtsakt aufnehmen ließ, in welchem daſſelbe den Vorna—
wen Kart erhielt. Nun ſollte aber auch die Kindtaufe gefeiert
er
die Polizei dazwiſchen trat und Schmidt belehrte, daß er von
ſeiner Frau, welche nicht niedergekommen, ſondern ihm ein
geraubtes Kind untergeſchoben habe, getäuſcht worden ſeh.
Die Angeklagte war naͤmlich, nachdem fie die mitgenommenen
Kleidungsſtäcke in Mannhelm verfetzt hatte, naͤch Heidelberg
in die Gebähranſtalt gegangen. Hier gab' ſie fich für eine
Hebamme aus Germersheim aus und ſagte, ſie habe Auftrag
für eine Herrſchaft von da eine Schenkammie zu ſuchen. Durch
jene Vorſpiegelung ließ ſich denn auch ein Mädchen, Namens
Eliſabetha Finger, welches in jener Anſtalt niedergekommen
war, beſtimmen, mit der Angeklagten nach Speyer ju gehen,
mw ſie am 31. Dez. um 8 Uhr Abends eintrafen. Die
Finger wax ganz fremd, weßhalb die Angeklagte ſich erbot, ihr
ein Wirthshaus auszumitteln, wo ſie über Nacht bleiben könnte.
— Sie betrat auch verſchiedene Wirthshäuſer kam aber ſtets
mit der Antwort zurück, daß man eine Perſon mit einem klei—
nen Kinde nicht aufnehmen wolle, waͤhrend ſchon die erſten
Birthsleute ſich zur Aufnahme bereit erklärt hatten. Endlich
führte die Angeklaͤgte das Waͤdchen an das Wirthshaus eines
gewiſſen Schuſter. Hier ließ ſie daſſelbe ſelbſt anfragen, und
erklärte, mit deren Kinde vor der Thüre warten, im Falle
einer Weigerung aber daſſelbe zu einer Baſe don ihr tragen zu
wollen. Kaum war der Fingek von den Wirthsleuten die Auf—
nahme bewilligt, als ſie auf die Straße zurückeilte, um die
Angeklagte hievon zu denachrichiigen. Sie ſah jedoͤch weder
dieſe noch ihr Kind. Als ſie den Eheleuten Schuͤſter weinend
ihren Verluſt klagte, vertroͤſteten ſie dieſe auf den andern Mor—
gen, wo man ihr ſicher das Kind zurückbringen werde. Dies
geſchah ab r nicht, e$ blieb fr Daher nichts übrig, als nach
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No. 76.
1842.
Karlsruhe, 14. März Heute haben die Wahlen der
Wahlmänner hier begonnen, für den erſten Diſtrikt wurden
gewäͤhlt; 1) Oberbürgermeiſter Füeßlin: 2) Geheimerrath und
Stadtdirektor Stoͤßer; 3) Miniſterialrath Vogelmann; 49) Zim⸗
merineiſter Hellner; 5) Partikulier Philipp Schmidt: ö) Münz—
rath Kachel; 7) Maler Fritz; 8) Bierbrauer Ehpper.
Karlsruhe, 16. März. Dem Vernehmen nach hat nun⸗
mehr Oberamtmann Sander ſeine Entlaſſung aus dem Staats⸗
dienſte eingereicht (K. 3.)
Freiburg, 14. März. Die heutige „Freiburger Zeitung“
Mufeumsgeſellſchaft (nicht ſowohl in dieſer Eigenſchaft, ſondern
vorergt als eines bereits beſtehenden Vereins) eine Aufforderung
zur Bildung eines Breisgau-Seeländiſchen Dombau—
Vereins. Unterzeichnet ſind: Frhr. v. Andlaw, Frhr. v.
Rinck, Rettig, v. Boemble, L. Oettinger, C. D, Kapferer,
Lehherr, A. Herzog, Woerl, Dr. v. Hennenhofer, Stephani,
Fromherz, Zentner.
Stuttgart, 13. März. In der heutigen Sitzung der
Kammer der Abgeordneten kam bei überfüllten Hallerien —
ſelbſt die zu denſelben führende Treppe war theilweiſe beſetzt
— die Motion des Biſchofs von Rotenburg zur Berathung,
und zwar wurden heute die zwei erſten im Kommiſſionsberichte
zur nachträglichen Motion ausgehobenen Punkte, „die nachträg—
liche Motion und die Petitionen“, erledigt. Dieſer Theil der
Motion hat die Autonomie (Selbſtgeſetzgebung) der Kirche zum
Gegenſtande. Der Ausgang war, daß auf den Antrag des
Domdekans v. Jaumann mit 80 gegen 6 Stimmen beſchloſſen
wurde: „Die Kammer möge zu Protokoll erklären, daß ſie zu
der Regierung das Zutrauen hege, dieſelbe werde den Beſchwer—
den der Katholiken, wenn gegründete vorlägen, abhelfen.“
(Obd. Ztg.)
Zweibrücken. Verhandlungen vor dem Affiſen—
gerichte der Pfalz. Sitzung vom S. März. Maria Treſſo,
Jahre alt, Ehefrau des Maurers Karl Schmidt, von
Zpeyer, der Unterdrückung des Zivilſtandes eines Kindes (Art.
345 des Strafgeſetzbuchs) angeklagt. Es lag hier ein 'ſehr
eigenthümlicher Fall vor: Entwenduͤng eines uͤnehelichen Kin—
des durch eine verheirathete Frau, un es als ihr eignes Kind,
Loſt beſihrem Ehemanne, auszugeben. Die Angekiagte hatte
ſich am 3. Dez. 1840 mit dein Maurer Karl Schmidt von Speyer
verheirathet. Bald nach Eingehung der Ehe äußerte Schmidt
wiederholt den Vunſch, einen Leibeserben zu erhalten und ſchien
befümmert zu fegn, alg Ddiefer Wunfch nicht in Erfüllung ging.
Endlich im verfloſſenen Monat Juli erfteuete ihn die Ange—
Lagte mit der Nachricht, daß er bald Vaterfreuden genie—
ßen werde, und gab als Epoche ihrer Enebindung den Ronat
Januar 1842 an, eine Zeit, in weicher der Verdienſt des Som—
mers der Regel nach bei dieſen Leuten verzehrt iſt, was auch
dei Schmidt der Fall war. Er vollte indeſſen die Ankunft
ſeines erſtgebornen Kindes mit einem Taufſchmaus feiern, und
veranlaßte deßhalb ſeine Ehefrau den 28. Dez. nach Mann—
heim zu gehen, um in dem dortigen Pfandhaus Kleidungs—
ſtücke zu verſetzen. Dieſelbe kehrte aber erſt den 31. Dez. Ju⸗
rück und brachte zu ſeinem Erſtaunen ein neugebornes Knaͤb—
chen mit. Der glückliche Ehemann befrogte ſich über die naͤhe—
ren Umſtände des Ereigniffes, worauf fie ihin erzählte, daß
ſie zu Mannheim in der Wohnung eines dortigen Beamten
niedergekommen ſey. Am folgenden Morgen wurde die Wöch—
nerin von Bekannten und ſämmtlichen Baſen beſucht, welch
Letzteren die größte Aehnlichkeit des Neugebornen mit der'Schwe—
ſter des Vaters bewunderten, ſo daß' dieſem natürlich jeder
Zweifel über ſeine wirkliche Vaterſchaft ſchwinden mußte. Ver⸗
tieft in ſein großes Glück, vergaß Schmidt die Geburtsanzeige
bei dem Zivilſtandsbeamten zu machen, ſo daß ihn ſeine Fraͤu
am dritten Tage daran erinnerte, mit dem Bemerken, er ſſolle
angeben das Kind ſey erſt am vothergehenden Abende geko—
ren worden, was Schmidt auch befolgie und demgemäß den
Geburtsakt aufnehmen ließ, in welchem daſſelbe den Vorna—
wen Kart erhielt. Nun ſollte aber auch die Kindtaufe gefeiert
er
die Polizei dazwiſchen trat und Schmidt belehrte, daß er von
ſeiner Frau, welche nicht niedergekommen, ſondern ihm ein
geraubtes Kind untergeſchoben habe, getäuſcht worden ſeh.
Die Angeklagte war naͤmlich, nachdem fie die mitgenommenen
Kleidungsſtäcke in Mannhelm verfetzt hatte, naͤch Heidelberg
in die Gebähranſtalt gegangen. Hier gab' ſie fich für eine
Hebamme aus Germersheim aus und ſagte, ſie habe Auftrag
für eine Herrſchaft von da eine Schenkammie zu ſuchen. Durch
jene Vorſpiegelung ließ ſich denn auch ein Mädchen, Namens
Eliſabetha Finger, welches in jener Anſtalt niedergekommen
war, beſtimmen, mit der Angeklagten nach Speyer ju gehen,
mw ſie am 31. Dez. um 8 Uhr Abends eintrafen. Die
Finger wax ganz fremd, weßhalb die Angeklagte ſich erbot, ihr
ein Wirthshaus auszumitteln, wo ſie über Nacht bleiben könnte.
— Sie betrat auch verſchiedene Wirthshäuſer kam aber ſtets
mit der Antwort zurück, daß man eine Perſon mit einem klei—
nen Kinde nicht aufnehmen wolle, waͤhrend ſchon die erſten
Birthsleute ſich zur Aufnahme bereit erklärt hatten. Endlich
führte die Angeklaͤgte das Waͤdchen an das Wirthshaus eines
gewiſſen Schuſter. Hier ließ ſie daſſelbe ſelbſt anfragen, und
erklärte, mit deren Kinde vor der Thüre warten, im Falle
einer Weigerung aber daſſelbe zu einer Baſe don ihr tragen zu
wollen. Kaum war der Fingek von den Wirthsleuten die Auf—
nahme bewilligt, als ſie auf die Straße zurückeilte, um die
Angeklagte hievon zu denachrichiigen. Sie ſah jedoͤch weder
dieſe noch ihr Kind. Als ſie den Eheleuten Schuͤſter weinend
ihren Verluſt klagte, vertroͤſteten ſie dieſe auf den andern Mor—
gen, wo man ihr ſicher das Kind zurückbringen werde. Dies
geſchah ab r nicht, e$ blieb fr Daher nichts übrig, als nach
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