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Großherzoglich Badische privilegirte Heidelberger Tageblätter für Verkündigung, Politik und Unterhaltung (36) — 1842

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Landwirthschaftliche Berichte
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No. 1 - No. 10 (15. Januar - 31. Mai)
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https://doi.org/10.11588/diglit.42549#0747

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No. 6.






1842.
Practiſche Notizen über die Anwendung des in dem Amte Kupferzell im Fuͤrſtenthum Hohenlohe, welche

Gypſes, nebſt Erklärung einiger cheinbaren Wider—
ſpruͤche hinſichtlich deſſen Nichtwirkung.

(Aus der Landw. Zeitung für die Herzogthuͤmer Schleswig, Holſtein und
Lauenburg.)

Als der verewigte Freiherr v. Voght zu Klein-Flottbeck
vor 25 Jahren ſeinẽ erſten Verſuche mit rohem gemahlenem
Gyps anſtellte, mußte er denſelben von Magdeburg kommen
iaffen, weil man ihn weder in Hamburg noch in Altona be—
Fommen koͤnute. Durch einige Aufſaͤtze des Unterzeichneten,
waͤlche derſelbe als Vorſteher des Land⸗ und?Gartenbaues bei
der Hamburgiſchen Fatriotiſchen Geſellſchaft vor einigen Jahren
fowohl in den Woͤchentl. Hanh. gemeinnuͤtzigen Nachrichten,
als auch in dem Haͤmb. Bolkskalender uͤber die Nutzbarkeit
des Gybfes fuͤr den Land- und Gartenbau lieferte, wurde be—
wirkt, daͤß man jetzt ſowohl in Hamburg als auch in Altona
bei dem Maurerieiſter Hrn. Homann in der Koͤnigſtraße
rboͤhen fein pulveriſirten Gyps, den Centner à 112 Pfd. zu
2u ßl. erhalten kann.

Mit großem Bergnuͤgen hat er dahex in dem Itzehoer
Wochenblaͤtt eine Anzeige von der Koͤnigl. Bergverwaltung in
Segeberg gelefen, daß man, dafelbft an Ort und Stelle die
Touͤne dulberiſirten Gyps fuͤr 3 Mk. ohne Fouſtage bekommen
Fann, ein Preis, der fuͤr die Umgegend bis auf zwei oder
ſelbſt drei Meilen fuͤr die doxtigen Landwirthe im Verhaͤltniß
ſeiner Wirkſamkeit ſehr maͤßig genannt werden kann, da eine
Tonne Gybs (24 auf 1 Hamb. Laft gerechnet) 3 Centner
ausmacht. Woͤbei noch der Umſtand große Beruͤckſichtigung
verdient, daß der Segebergex Gyps ſehr rein und nicht mit
koͤhlenfaurem Kalke, wie der Leptiner, derſetzt iſt. Da indeſſen
maͤnche Leſer dieſes Blattes keine klare Vorſtellung von dem
Unterſchied beſitzen moͤchten, dex zwiſchen Gyps und unge—
branntem Fohlenfaurem Kalke frattfindet, fo diene ihnen zu
wiſſen, daß der reine Gyps, auoͤ Kaͤlkerde und Schwefelſaͤure
(im gewoͤhnlichen Leben auch Vitrlolol benannt) beſteht; Kalk
aber in ſeinem rohen Zuſtande aus Kalkerde und Kohlenſaͤure
zuſammengeſetzt iſt. Gießt man auf den Letztern Schwefel—
faͤure oder auch Salveterſaͤure (Scheidewaſſerj, ſo entſteht wie
beim Mergel, ein Aufbrauſen, indem die Saͤure ſich mit der
Kaͤlkerdé verbindet, und die Kohlenſaͤure fahren laͤßt, welche
bei ihrer Entweichuͤng das Aufbrauſen verurſacht. Gießt oder
traͤufelt man aber eine der genannten Saͤure auf reinen Gyps;
ſo entſteht kein Aufbrauſen, weil hier die Schwefelſaͤure mit
der Kaͤlkerde eine innige Berbindung eingegangen. Da aber
die Wirkſamkeit des Gypſes hauptſaͤchlich auf der Schwefel⸗
faͤurẽ beruht: ſo ſieht inan auch, daß je weniger der Gyps
mit kohlenfaurem Kalke verſetzt iſt, deſto wixkſamer iſt er.

€& wird vielieicht manchem Leſer dieſes Blattes nicht
unangenehm ſeyn zu erfahren, daß wir urſpruͤnglich Schwaͤ⸗
biſchen Bauern die Kennthiß von den großen Vortheilen des
Gypſes fuͤr den Ackerbau zu verdanken haben. Die Bauern

fruͤher den Abfall aus den Salinen, den ſie Halſetzig nannten,
zum Ueberſtreuen auf ihre Klecfelder, Weiden und hoͤchliegende
ſchlechte Wieſen benutzten, denſelben theuer bezahlen und
mehrere Meilen weit hoͤlen mußten, hatten zufaͤlligerweiſe be—
merki/ daß wenn ſie den Abgang bei ihren Kalkbrennereien
aufs Feld ſtreuten, das Wachsthum ihrer Fruͤchte viel freudiger
al8 früher vor fich ging. Da fie nun uͤberhaupt in ihrer
Wirthſchaft auf alles ſehr aufmerkſam waxen, Jo fingen ſie
an dieſen Gypoabfall mehr zu benuͤtzen, und fanden nun, daß
er auch ungebrannt ſeine Wirkung (befonders auf den Klee)
zußerte. — Der dortige Pfarrer (Prediger), Namens Mayer,
welcher felbſt Feldwirthſchaft trieb, wurde darauf aufmerkſam,
ſtellte mit diefem Gypoͤftaub oder Hypsmehl ebenfalls Berſuche
an, und wurde von dem großen Nutzen des Gypſes uͤberzeugt.
Diefer ließ nun einige kleine Schriften im Jahre 1768 drucken,
in welchen er zeigte, welche Bortheile die Bauern in Kupfer—
zell von der Amwendung des Gypſes zoͤgen — und ſo ver—
breitete ſich allmaͤhlig die Anwendung deß Gypſes immex mehr
im fuͤdlichen Deutſchland. Allein es ging mit dem Gypſen
äberall, wo es zuerft eingefuͤhrt wurde, ebenſo wie mit dem
Mergeln in Holſtein. Es traten Gegner auf, die ſtatt Ber—
ſuche damit anzuſtellen, blos dagegen ſchrieen und die Sache
al8 etmasg Neucs lächerlich zu maͤchen ſuchten, — bis ſie end—
lich, als ſie den Nutzen den Andere dayon zogen dor Augen
faͤhen, un Stille ſelbſt Verſuche damit anſtellten, und ſpaͤterhin
Diejenigen auslachten, welche wie ſie es nannten, ſo dumm
waren und nicht gypfeten. Dieſelben Auftritte wiederholten
ſich auch in Mecklenburg, und jetzt werden, jaͤhrlich Hundert'
taufende von Eentnern Gyps aus Roſtock mehrere Meilen
weit geholt und verwendet. Ein einziger Gutsbeſitzer, Dr.
Pogge auf Ziersderf und Warnkenhagen, braucht jaͤhrlich
duf ſenen beiden Guͤtern, tauſend Centner, — und ſo wird
es auch zuletzt in Holſtein und uͤberall kommen, wo man Gyps
fuͤr einen buͤligen Preis bekommen kann, und die Transport—
koſten nicht zu hoch zu ſtehen kommen.

Allein es haͤt mit der Wirkung des Gypſes noch manche
beſondere Bewaͤndniſſe. Der Gyps wirkt naͤmlich nicht uͤber⸗
all und unter allen Umſtaͤnden. Es wird bei ſeiner Anwen—
dung eine gewiſſe Umſicht und Aufmerkſamkeit, eben ſo wie
bein Mergei erfordert, eine Sache, die ja bei allen landwirth—
ſchaftlichen Operationen erforderlich iſt. Daß bis jetzt bei der
Anwendung des Gypſes ſo piele Widerſpruͤche in ſolchen Gegen—
den, wo die Anwendung deſſelben erſt eingefuͤhrt wird, zum
Vorſchein kommen, ruͤhrt hauptſaͤchlich davon her, daß man
bisher mit der Natur des Gypfes und mit der Art und Weiſe,
wie er wirkt, 3zu wenig bekannt war; ſo wie man es theil—
weiſe mit der Natux der verſchiedenen Mergelarten noch iſt.

Der — wirkt nur dann erſt, wenn er vom Waſſer
aufgelsſt wird — und es ſind zu deſſen Aufloſung 400 bis
500 Theile Waffer erforderlih. Streut man ihn alſo im
Fruͤhjahre oder wohl gar im Somwer aus, und faͤllt in einer



 
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