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Großherzoglich Badische privilegirte Heidelberger Tageblätter für Verkündigung, Politik und Unterhaltung (36) — 1842

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No. 1 - No. 10 (1. Januar - 11. Januar)
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No. 8. Sonntag den 9 Jannar 1842.
Umſchau. zu bewahren, denn Frieden und Chriſtenthum ſind eins. Kaum
(Schluß.) hat man der Türkei Syrien abgenommen, ſo gab man 66 {hr
Zu ſeiner Geliebten hat. Rußland die Türkei erwählt, wieder, und kaum hat man den Griechen wegen Kandien auf

und man muß ſeinem Geſchmacke Beifall ſchenken. Dieſe
Türkei iſt das fonderbarſte Land auf Gottes Erdboden, denn
2& il die wahrhaftige Auflage einer Theokrgtie und eines geiſt—
lichen Vaſallenſtaats Der Sultan gilt als der Stellvertreter


faſſung, und uns wunderts ungemein, daß man das Rezept
xicht in den Weſten verſchreibt, wo gerade das Vertrauen fehlt,
vas man jenſeit des Balkans in Ueberfluß hat., Nach Ruß»
land ſcheint es verſchriebenzu ſeyn, im übrigen Europa iſt es
ſchon ſeit den Kreuzzügen ausgegangen.

Sn Syrien find die Maroniten mit den Druſen in Streit
gerathen Die Drufen ſind näͤmlich Chriſten bei dex Chriſten
Ind Muhamedaner bei den Muhamedanern. Sie ſind daher
die Diplomaten der Religion, und kein Menſch kann von ihnen
wiſſen, was ſie denken. Aus demſelben Grunde unterſtützen
die Engländer ſie, von welchen man auch nicht weiß, wie ſie
denken, weil ſie immer das Entgegengeſetzteſte meinen, z B.
vom freien Handel, und alſo die Diplomaten unter den Han—
delsleuten ſind. Die Franzoſen aber, welche eine aufrichtige
Politik lieben, wie wir Deutſche ſeit ihren Ludwigen wiſſen,
und niemals Silberklang hören laſſen, wenn ſie mit Kangnen⸗
metall klimpern können, unterſtützen die guten braven Maro⸗
niten. Dieſe ſind aber ſo einig, wie ehemal die Deutſchen,
und ſo werden die Maroniten hingemordet. Das geſchieht aus
diplomatiſchem Ehriſtenthum, daß die Franzoſen und Englän—
der ſie wechſelſeitig aufreiben laſſen, was freilich nicht in der
Bibel ſteht, aber wodurch die wahre Lehre ans Licht kommt.
Das diplomatiſche Ehriſtenthum iſt zwar noch apogrhph, d.h.,
es kann blos begriffen werden von denen, die das andere nicht
haben, es gilt aber von jeher in der Welt, daher ungläubige
es den Antichriſt nennen. Aus dieſer Urſache wollten die Eng—
tänder den neuen Biſchof von Paläſtina nicht. Ein ſolcher
Plan koͤnnte der muhamedaniſch chriſtlichen Druſendiplomatie
nur ſchaden

Griechenhand ſchweigt ganz ſtille. Schweigen iſt Gold,
denkt es mit Sirach und arbeitet an ſeinen Aeckern und Schif⸗
fen, aber trotz dem oder vielleicht weil es keine Anſprüche
macht, machen die andern deſto meyr an Griechenland. Es
geht ihm gerade wie der Türkei. Dieſe iſt einer ſteinalten


chen. Beide ſind umſchwärmt von Vettern und Baſen, welche
allerlei Dinge den beiden in den Kopf ſetzen; der erſten, wie
und für wen ſie ihr Teſtament machen, der zweiten, wen ſie
und wen ſie nichi heirathen ſoll. So ſtirbt die Alte ab in-
testato, d. h., alle beerben ſie, und die zweite bekommt kei—
nen Mann. Alles das geſchieht, um der Welt den Frieden

die Finger geklopft, ſo will man ihnen Theſſalien geben. Das
geſchieht, um die überflüſſige Bevölkerung zu beſchäftigen und
zu lichten aus purem diplomatiſchem Chriſtenthum.

Aegypten iſt mit am beſten regiert in der ganzen Welt,
denn der Paͤſcha oder Vizekönig, wie er betitelt wird, hat dort
die Vermögensverwaltung aller ſeiner Unterthanen allergnädigſt
und unentgeldlich zu beſorgen übernommen.

Er zahlt jedem das, was er ins Haus für Bohnen und
Waſſer und Lumpen braucht, — denn bei dem warmen Klima
muß man ſpaniſch durchbrochene Kleider tragen — vor, und
mit dem übrigen verwaltet er den Staat und die nothwendig
koͤnigliche Prachthaus haltung. Wie einfach und ſchön! Wahr—
haft paͤtriarchaliſch und nachahmungswerth. Er iſt Beſitzer oller
Domanen des Staats und der Privaten, welches afrikaniſche
Verbeſſerung der Anſtalten von Europa iſt.

Er hatkes den ſchottiſchen Lords abgelernt, deren Unter—
thaͤlen auch kein Haferkand mehr haben, und daher Schäfer
werden oder Kanada bevölkern mü

( 1 „oder den irländiſchen
Lords, welche doſſelbe Soſie Zahrhunderte lang aus—
üben, oder den engliſchen Te

welche auch die beſchwerliche
Landwirthſchaft ſelbſt übernehmen, und dadurch das engliſche
Volk zum a! gemacht haben. Es herrſcht
alſo in Großbritannien und Irland ſowie in Aeghpten der wahre
Simonismus und die chriſtliche Armuth, gleichſam als ob
die ehemaligen Einſiedler in den Höhlen Aeghptens dieſe Län—
der unterrichtet hätten. Was das für Foͤlgen für die Welt
hat, kann man daraus ermeſſen, daß Ehing jetzt, weil es die—
ſen vortrefflichen Feudalismus nicht annehmen will, dem Fa—
talismus der Kanonen anheimfaͤllt; dieſe ſtraffhaarigen Barba—
ren ſind das einzige Volk, welches keinen Feudalismus dieſer—
Art und keine Simoniſtik jemals getrieben haben, die Englän—
der unterrichten ſie jetzt darin. *
Tunis, Tripolis und Marokko werdenallmählig zivi—
liſirt. Hier iſt die wahre Freiheit des in Europa geſchuͤlmei—
ſterten Muhamedanismus noch zu finden, noch einen Schritt,
und ſie werden den ägyptiſchen Simonismus auch erhalten

Daß die vielen europäiſchen Staaten, vorzüglich die
nahen, von ihnen gelernt haben, kann nur der läugnen, wel—
cher in den Fallſtricken franzoͤſiſcher und engliſcher Geſetzge—
bung und Staatswiſſenſchaft gefangen liegt. Algier tſt tine
franzoͤſiſche Kolonie, oder vielmehr ein Mond vom Planeten
Frankreichs. Menſchlichkeiten hat man auf beiden Geſtirnen
in jüngſter Zeit nicht viele entdeckt, aber wie der Pſeudoher—
ſchel auf dem Monde geflügelte Weſen erſchaute aben nachı
11 Jabren auch die Franzoſen in Algier entde
ſie kommen, die Eingebornen wie geflügelte M

* davon flie—
gen. Waͤre Hr. Thiers mit den Bugeauds nach Deuiſchland
















 
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