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Großherzoglich Badische privilegirte Heidelberger Tageblätter für Verkündigung, Politik und Unterhaltung (36) — 1842

DOI Kapitel:
No. 31 - No. 40 (1. Februar - 10. Februar)
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Heidelber









Ro. 35.

Kammerverhandlungen.

Karlsruhe, 1. Febr. Den Gegeiiſtaͤnd der heutigen
Sitzung der zweiten Kammer bildete das Budget des Juftiiz—
Miniſteriums. Welcker fragt den Staatsrath Jolly, ol wirk—
lich der deutſche Bund den Beſchluß ſchon vor läugerer Zeit


ſattfinden dürfe. St. R. Jolly: Es ſey ihm ein ſolcher
Peſchluß nicht bekannt. Sander ſpricht hierauf aus führlich
über Einfährung der Oeffentlichkeit, welche bei dem jetzigen
Bildungsſtande in Deutſchland eine Nothwendigkeit, und bei
dem, Wiedererwachen der Nationalgeſinnung zum all gemeinen
Bedürfniß geworden ſey.
die Einführung von Staatsanwaltſchaften, genügten nicht und
hätten im Gegentheil den Beweis geliefert, daß dieſes Inſtitut
neben dem geheimen Verfahren gar nicht beſtehen könne; und
er erkläre jetzt ſchen, daß er dem Entwurf unferes Strafge⸗
ſetzes ſeine Einwilligung nimmermehr ertheilen werde, wenn
nicht zugleich ein auf Oeffentlichkeit und Mündlichkeit gebautes
Strafverfahren eingeführt werde. St. Rath Jollo: Es ſeh
jetzt nicht der Orr, uͤber dieſen Gegenſtand zu verhandeln,
porüber die Anſichten keineswegs ſo allgemein gleichlautend
ſeien, wie der Abg. Sander anzunehmen ſcheine. Der Rede
des Abg. Sander ſchließen ſich Zentner, Moͤrdes, d.
Zsſtein und Weizekan. Letzteret ruft bel der Schilderung


finde,. der Neg. - Bank zu: videant. consules. ne respublica
detrimenti quid capiat. Wenn nämlich zur Ueberweiſung des
Verbrechers zwei Zeugen oder Geſtändniß nothwendig feien,
ud kein Indizien-Beweis zuläßig fey, ſo'werde diẽ öffentliche
Noralität gänzlich untergraben , indem man dann nur zu läug—
nen brauche, um freigeſprochen zu werden. So komme es,
daß in derſelben Unterſuchung der eine, und zwar der ehrlichere,
Verbrecher verurtheilt, der andere aber, der gefährlichere, frei—
geſprochen werde. Der Eindruͤck auf das Volk ſei bei einem
ſolchen Verfahren klar: Die Lüge ſey patentiſirt. Daher bitte
er um ein Geſetz über die Einführung des Indizien-Beweiſes.
Ste R. Jolly: Die Klagen des Abg. Weizel ſeien begründet,
allein ſchwierig ſey die Abhülfe, und ſo einfach die Sache er—
ſcheine, ſo verwickelt ſey ein Geſetzesentwurf über Indizien-Be—
weis. Sander glaubt, mit der Einführung des Indizienbe—


werf Der Freiheit zufammen. Vor einem Indizienbeweiſe mit
ſchriftlichem Verfahren ſchaudere er. Yın Schluſſe der Ver—
handlung wird der Antrag von Sander, die Regierung möge
bald einen auf Oeffentlichkeit, Mündlichkeit .und vas Anklage—
Vexrfahren gegruͤndeten Geſetzesentwurf vorlegen, mit allen
Ctimmen gegen eine, und der Antrag von Welcker auf Ein—
führung voͤn Schiedsgerichten mit groher Stimmenmehrheit an—
Lhommen. — Bei der Poſition




— —⏑

1842.

mache, da eine anſehnliche Summe fuͤr die Stellung und die
Unabhängigkeit dieſes oberſten Gerichtshofs nothwendig ſeh.
Deßhalb habe auch die jüngſte Maßregel der Verſetzung des
Oberhefgerichtsraths Peter einen ſo ticfen Eindruck ün Volke
hervorgebracht. Durch dieſe Maßregel ſeg die Unabhaͤngigkeit
des höchſten Gerichtshofs gefährdet, und das Geſetz verletzt.
Indem nämlich das Dienekredikt ausſpreche, daß der Diener
nicht in ſeinem Range zurückgeſetzt werden könne, habe es un—
möoͤglich die Abſicht haben können, daß man ein Mitglied des
höchſten Gerichtshoſs zum Amtmann mit einem lecken Zitel
machen könne. Baſſermann ſieht in der Unabhängigkeit der
Gerichtshöfe und der Richter das wahre Kleinod der Freiheit,
das heilige Feuer der Veſta, zu deſſen Bewahrung das Juſtiz—
miniſterium berufen ſey. Habe der Juſtizwiniſter die Unab—
hängigkeit des Gerichtshofs nicht handhaben können, ſo haͤtte
er keinen Zag mehr auf ſeiner Stelle bleiben follen. Präfi⸗
dent: Dieß iſt beleidigend. Vielfacher DUn S a
Staatsreth Jolly; Ich bin berubhigt, Da der Hr. Präſident
gegen die Ausdruckeweiſe des Abg Baͤſſermann eingefchtisten
if, Uebrigens hat die Regieruns das NMecht der Verſetzung,
und darnach konnte ſie mit voller Befugniß den Oberhofgerichto⸗
Rath Peter verſetzen. Die Regierung hat dazu gute Gründe
gehabt, und es iſt ihr ſelbſt nicht angenehm, wenn ſie in dien
Lage verſetzt wird, ſolche Maßtegeln vornehmen zu müſſen!
Trefurt widerſpricht, daß das ganze Land die Maßregel
gegen Peter mißbilligt habe. E& fey ein Ausnahmefall, den
man näher prüfen könne, wenn Tie Erſatzwahl an Peters
Stelle zur Sprache kommen werde, Scha af glaubt, daß die
Regierung in vollen Rechte und daher die Kede des Abg.
Vaſſermann ſehr ungeeignet geweſen ſch. Nachdem noch viele
Redner gegen und für die Maßregel geſprochen hatten, wird
dieſer Punkt wieder verlaſſen und ſofort das ganze Bud—
get des Juſtizminiſteriums angenommen, ohne daß ein Poſten
gegen den Willen der Regierungskommiſſäre geſtrichen worden
wäre.

Heidelberg, s. Febr. Es dürfte unſern Leſern von
Intereſſe ſeyn, aus der Begründung der Sander'ſchen Metten
die Gründe näher kennen zu lernen, welche ihn bewogen, die
Aufhebung von Heidelberg ols gelehrter Uuniverfttät u—
Leantragen. Von der Verlegung der gelehrten Univerſität nach
Freirurg hofft er in Beziehuͤng auf die Schweiz und auf das
Elſoß Vortheile. — Dann fährt er alfo fort: „In dieſen Be—
trachtungen mir gefallend, eroͤchte ich die Vereinigung Heidel—
bergs mit Freiburg und damil die Erhebung Freiburgs auf
einen hehen wiſſenſchaftlichen Standpunkt nicht mır für einen
großen Vertheil für uns, ſondern für eine Anforderung von—
ganz Deutſchland. Ueberdies bietet Heidelkerg bei weitem mehr⸗
Platz und Gelegenheit zu einer großartigen und unousbleibli:-
chen Entwicklung der alsdann dorthin zu verlegenden velke—
 
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