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Großherzoglich Badische privilegirte Heidelberger Tageblätter für Verkündigung, Politik und Unterhaltung (36) — 1842

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Landwirthschaftliche Berichte
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No. 1 - No. 10 (15. Januar - 31. Mai)
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https://doi.org/10.11588/diglit.42549#0755

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No. S.


1842.





Ueber die Frühlingsfröſte.

Wir haben einen immer fortwaͤhrenden kalten Nordoſt⸗
wind. Sehr moͤglich iſt es daher, daß wie im May, wenn
die Reben ausgetrieben haben, Nachtfroͤſte bekommen, welche


zu erſticken in Stande ſind. Daher ſcheint es uns nicht un—
paſſend, uͤber dieſen Gegenſtand einiges zu ſagen.

Sie Nachtftoͤſte ſchaden am erſten in den tiefliegenden
von Wieſen oder Niederwald umgebenen Plätzen. Dieſe ſind
gewoͤhnlich vor dem Winde geſchuͤtzt, aber den erſten Strahlen
der Morgenſonne ausgeſetzt. An Jolchen Plaͤtzen ſammelt ſich
des Nachts viel Thaus der gegen Morgen hin zu Reif gefriext
und ſeine Kaͤlte allen jungen und zarten. Trieben mütheilt.
Wuͤrde dabei das Aufthaͤuen ganz allmaͤhlig und langſam
geſchehen koͤnnen, ſo waͤre es waͤhrſcheinlich, daß manche dieſer
Triebe gar nicht leiden moͤchten. Wenn aber gleich des Morgens
die Sonne mit ihren erwaͤrmenden Strahlen darauf faͤllt, ſo
zerſprengt das ploͤtzliche Aufthauen und die dabei unvermeid—
liche Luftentwickeluͤng die zarten Gefaͤße und das Leben in
der Pflanze hoͤrt auf.

Weniger leiden die hoͤher liegenden Plaͤtze und nur wenn
8* fehr bedeutend wird, zieht er ſich an den Bergen
hinauf.

Dem Erfrieren ſind aber auch ſolche Lagen beſonders
ausgeſetzt, die von dem aus den Thaͤlexn kommenden Nebel
beſtrichen werden. Weinberge welche ſtark unkrautig ſind,
leiden ebenfals mehr als andere vom Froſte, beſonders aber
noch jene Weinſtoͤcke, die an Graspfaͤden ſtehen Friſch ge—
hackte Weinberge ſind dem Froſtſchaden gleichfalls mehr als
andere ausgeſetzt, fobald dieſe nicht zu unkrautig ſind.

Die Urſache iſt bei ailen dieſen Erſcheinungen immer
die nemliche. In kalten, windſtillen Nächten wird nemlich
die obere Luftſchichte mehr als die untere erkaͤltet. Dieſe muß
ſich aber wieder mit der andern ins Gleichgewicht ſetzen, und
gibt ihre Waͤrme an die obere ab. Da aber hierdurch wie—
der zwiſchen der Luft und dem Erdboden eine Ungleichheit
entſteht, ſo muß dieſer letzte ebenfalls ſeinen Waͤrmeſtoff ab—
geben, und ſeine Temperatur faͤllt unter den Gefrierpunkt.
Da die Pflanzen auch noch eine verhaͤltnißmaͤßig ſehr bedeu—
tende Oberflaͤche haben, aus welcher ihre Waͤrme leicht ent—
weichen kann, ſo iſt es ganz natuͤrlich, daß ſich ſolche noch
viel ſchneller, als der Boden ſelbſt erkaͤlten, und mehr Waͤrme
ausſtrahlen, als ſie aus der Erde nachziehen koͤnen. Daher
koͤnnen ſolche erfrieren, wenn auch der Boden ſelbſt noch gar
keine Spur von Froſt zeigt. Es ſcheint uͤbrigens, daß wenn
eine ſolche Waͤrmeausſtrahlung einmal angefangen hat; ſie
noch weiter fortſchreitet, als es zur Gleichſtellung der Tem—
peratur eigentlich nothwendig geweſen waͤre, was die Ent—
ſtehung von Reif und Froſtſchaden ſehr befoͤrdern kann.
Jedermann weiß, daß wo in der Luft ſchwebende Feuchtigkeit


geht, als bei trockener Luft, die bekanntlich ein ſchlechter
Waͤrmeleiter iſt. Iſt ja doch auch im Winter die Kaͤlte nie
ſo empfindlich, als wwenn Nebel oder feuchte Luft eintritt. Auch
iſt es natuͤrlich, daß wo viele kleine Oeffnungen aus der Erde
kommen die Erde felbſt mehr Feuchtigkeit abgibt, als wo ſie
feſt und geſchloſſen iſt. . Eben ſo duͤnſten die Pflanzen ſchon
an und fuͤr ſich ſehr viel Waſſer aus, wie man dies alle
Morgen an den Thautropfen ſehen kann, die auf den Blaͤttern
ftehen. Aus allem dieſem foigt aber, daß, wo die Rebe in
einer ſolchen ſich leicht erkaͤltenden Umgebung ſteht, ſie auch
eher, als ſonſt, erfrieren muß.

All dieſes geſchieht jedoch in der Regel nur bei ganz
ſtiller und heiterer Luſt, weil der Wind, wenn er nicht ſelbſt
unter dem Eispunkte ſteht, die gegenſeitige Ausſtrahlung hin—
dert, auch oft wieder waͤrmere Luftzüge herbeifuͤhrt und dax—
aus erklaͤrt ſich, warum bei wehender Luft hoͤchſtſelten ein
wirklicher Froſtſchaden eintritt, und die dem Wind ausgeſetzten
Lagen wenlger erfrieren, als die vor ihm geſchuͤtzten, wo man
ſonſt doch eher das Gegentheil vermuthen ſollte. Eine Wolken⸗
decke hindert aber die Ausſtrahlung der Waͤrme, daher bei
truͤbem Wetter ſolche Nachtfroͤſte nie ſtatt finden. Auch er—
frieren die Reben ꝛe. ſobald eine Decke, wie von einem Baumere.


Kennen wir die Urſache dieſes Erfrierens, ſo muͤſſen die
Gegenmittel dahin zielen, entweder dieſe Urſache aufzuheben
odet wenigſtens ihrer nachtheiligen Wirkung vorzubeugen.
Man kennt zwar mehrere Mittel, aber alle reichen nur ſo
weit aus, als die Kaͤlte nicht in einem zu hohen Grade ſteigt,
und ſie dann von derſelben uͤberwaͤltigt werden. Daher kann
man von keinem behaͤupten, daß ſeine Wirkung ganz untruͤg—
lich waͤre.

Wir wollen ſie hier aufzaͤhlen.

1) Man pflanze in den den Sommerfroͤſten ausgeſetzten
Lagen nur Traͤubenſorten, welche ſpaͤt austreihen. Wenn dieſe
nicht gut reifen, laſſe man, beſonders auf ebenen Lagen, die
Reben ganz weg.

D Man ſchneide ſolcke Stellen ja nicht zu fruͤhe, um
den Trieb nicht vor der Zeit aufzureitzen.

3) Man unterlaſſe ein zu fruͤhes Hacken, und jaͤte lieber
das Unkraut aus, damit dieſes nicht auch wieder zum Froſt
Anlaß gibt.

a) Man vermeide in den, dem Sommerfroſt ausgeſetzten
Lagen alle Graspfaͤde. Wenn deren Nothwendigkeit aber
durch andere Verhaͤltniſſe geboten iſt, ſo halte man das Gras
durch Abſchneiden ſo lange moͤglichſt nieder, bis die Zeit der
Sommerfrdſte voruͤber iſt.

5) Durch Strohſeile welche aber mehrere Fuß tief in den
Boden reichen müſſen, oder die man in eingegrabene Gefaͤße
mit Waſſer ſtellt, follen einzelne Stoͤcke gegen geringere Froſte
geſchuͤtzt werden koͤnnen. Im Großen waͤre dieſes Mittel aber
nicht wohl anzuwenden.
 
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