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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 14.1900

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1. Heft
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Misch, Robert: Der Adelsmensch, [1]: Roman
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https://doi.org/10.11588/diglit.22226#0013

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Her üdelsmensch.

Roman von Robert Misch.

[Nachdruck verboten.]

ic helle, grosse Augen blickten die festlich strah- Den Mittelpunkt dieser Klützowcr Ballkabale bildete ein langer,
lenden Fenster der „Goldenen Krone" auf die nur blonder junger Mann mit etwas verlebten Zügen. Er war mit gross-
spärlich beleuchtete Hauptstrasse von Klützow städtischer Eleganz gekleidet; denn sein tadellos sitzender Frack ver-
hinaus. Die ehrsamen Handwerker und Klein- dankte sicherlich nicht dem Klützower Schneider seine Existenz. Er
bürger der pommerschen Kreisstadt, soweit sie sprach eifrig auf einige jüngere Leute ein, die sich in einem der Neben-
zuni .Abendtrunk gingen, schauten voll Ehrfurcht, die Dienst- zimmer um ihn geschart hatten.

mädchen, Kinder und Frauen aus dem Volke, die sich. , - „Ja, meine Herren, ich kann nur. immer wieder versiehern, sie hat es

vor der weitgeöffneten Pforte zusammengeschart hatten, gesagt. Sie hat. zu Fräulein v. Ziesening und Fräulein Riedel geäussert,

voll Neugier in den Eingang, hinein und zu den. Fenstern dass sie die jüngere Herrenwelt von Klützow und Unigegend für die

hinauf, hinter denen sich gleich dunkelen Schatten die grössten Stoffel und Bauernlümmcl der Welt halte."

Honoratioren von Klützow und Umgegend bewegten. Aus Ein unwilliges Gemurmel unterbrach ihn.

dem Hause hörte man Musik, Gläser- und Tellergeklirr. Die Kellner, zu .„Sie werden mir zugeben,, dass wir uns das nicht gefallen lassen

diesem Tage von den nächsten grösseren Städten verschrieben, die Mägde dürfen., Die meisten Herren, mit denen ich darüber gesprochen, sind mit

und -Lohndiener schössen eilfertig treppauf, treppab, und Herr Schmettow, mir einverstanden, dass wir uns eine eklatante Genugthuung verschaffen

der breitschultrige Kronenwirt, Hess seine Kommandostimme bald hier, müssen — am besten durch einen regelrechten Tanzboykott. Wir anderen

bald dort ertönen. . War. es doch sein grösster Tag im Jahr: Kasinodiner — und ich ganz speziell, meine Herren - wir würden uns durch Den-

und Ball: Jedes'Jahr, wenn der Kreistag die Honoratioren und Guts- jenigen beleidigt fühlen, der Fräulein Walker engagiert. Sie soll die

besitzer des Bezirkes in Klützow vereinigte, wurde das Fest vom „Kasino", Blamage voll und ganz auskosten."

dem vornehmsten Verein des Städtchens, veranstaltet. Man nannte ihn Beifällige Rufe, zustimmendes Gemurmel ringsumher,

auch den „Verlobungsball", denn gewöhnlich verlobte sich irgend ein „Ritzerow hat recht." — „Das ist. das einzige Mittel, die freche,

Pärchen bald darnach, oder eine längst projektierte Verbindung wurde kleine Person zu bestrafen." — „So eine Unverschämtheit war doch noch

hier der staunenden Mitwelt veijkündct. gar nicht da." — „Sie war immer so frech.....sie hat sich stets über

Tage- ja wochenlang vorher waren sämtliche Schneiderinnen des uns lustig gemacht," tönte es aufgeregt, durcheinander.

Kreises in fieberhafter Thätigkeit, kramten die mehr oder minder hübschen „Selbstverständlich.muss. es- ein Geheimnis unter uns jüngeren Herren

Hände, der Gutstöchter und der Klützower Honoratiorendamen eifrig in bleiben," fuhr Ritzerow fort.. „Die älteren Herrschaften und die Damen

Sammet, Seide und Spitzen!' . • brauchen nichts davon zu wissen . . . . Selbstverständlich stehen wir

Soeben ertönte ein schmetternder Tusch; dann erfolgte ein allgc- einer für den anderen, alle für einen ein. Wenn ich auch die Sache

meines Stühlerücken,. Aufstehen und Händeschütteln. Alles wogte aufge- gewissermaassen angeregt habe, ich wünsche nicht, dass mein Name

regt durcheinander. Neue Gruppen bildeten und lösten sich wieder. Die besonders genannt werde, trotzdem ich natürlich bereit bin, jedermann,

Gesellschaft ergoss sich in die Nebenzimmer und kleineren Säle, in denen der sich beleidigt fühlen sollte, mit der Waffe gegenüber zu treten. Aber

Spieltische für die ältere Generation aufgestellt waren, während die Kellner es soll gewissennaassen ein Strafvollzug unserer gesamten Herrenwelt

blitzgeschwind die Tafeln abräumten und verschwinden Hessen, um den sein, und darum darf ein einzelner gar nicht in den Vordergrund treten,

grossen Saal für den Tanz herzurichten. In diesem Sinne habe ich es bereits mit den anderen Herren verabredet;

Derweil beschäftigte sich die jüngere Welt mit Mcdisancc, Hofmachen und wenn Sie damit einverstanden, sind, so teilen Sie es wohl noch Den-

und der Aufforderung zum Tanz. Die zierlichen Kärtchen, soweit sie jenigen mit, die es noch nicht wissen sollten. Wer sich dagegen auf-

nicht schon vorher mit den Namen bekritzelt waren — Verabredungen, lehnt, wird ebenfalls boykottiert."

die oft ganze Wochen zurückreichten - - füllten sich jetzt schnell an. Wiederum allgemeine, freudige Zustimmung, Lachen und Hände-

Ringsumher heiteres, zuweilen recht lautes und übermütiges Lachen, kecke reichen. Diesem Fräulein Walker gönnten sie es schon lange, dieser hoch-

Scherzreden von jungen und alten Lippen, leuchtende Augen; denn der mutigen, aufgeblasenen'Person, die sie alle von oben herunter behandelte.

Wein hatte allseitig seine Wirkung gethan, und auch die Damenwelt hatte „Und was ist denn an ihr!?" meinte, während sich die Herren

an den Sektkelchen nicht immer nur genippt. langsam zerstreuten, Herr Paget, wohlbestallter Volontär auf einem der

Da stand sie nun, die junge und schönere Hälfte des Klützower grössten Rittergüter der Nachbarschaft, zu Herrn Müller, dem jungen

Honoratioren-Kreises, in freudiger Erwartung und in Toiletten, die vom Postsekretär, der erst seit wenigen Wochen hierher versetzt war. —- „Ich

knalligsten Rot und Grün bis zürn zartesten Blassblau, Meergrün und bitte Sie . . . besonders hübsch ist sie do'ch nicht — viel zu zart für

Creme wechselten. Neben einer Toilette der. jungen Komtesse, die einem meinen Geschmack! Viel Geld ist auch nicht da. — und das bischen

grossen Berliner Modehause ihre Entstehung verdankt, zeigt sich das geht auch noch mal in zwei Teile. -— Sie soll sehr gebildet sein und sich

grell herausgeputzte Mullfähnchen, das auf pommerschem Landboden das mit allem möglichen gelehrten Kram befassen. Du lieber Gott, ich kann

Licht der Welt erblickt hat. Geradeso verschieden waren auch die Gestalten die blaustrümpfigen Weiber nicht ausstehen. .. . . Ich hab's übrigens

und sonstigen Reize der Damenwelt. Ausser einigen zarten, vornehmen Er- nicht finden können ..... man hat doch auch etwas gelernt, Gymnasium

scheinungen — meist, wenn, auch nicht immer,, der Aristokratie angehörend. , und landwirtschaftliche Hochschule besucht. Aber ich versichere Sie,

— viel apfelrunde, rotbäckige Landpommeränzchen und Kleinstädterinnen. mir ist sie nicht besonders geistreich vorgekommen ... . nur furchtbar

Eine gewisse Erregung und Bewegung schien durch die jüngere hochmütig. Du lieber Gott, ich- kriege einst das Gut meines Vaters bei

Herrenwelt zu gehen, die sich wie auf Verabredung in die Nebenzimmer Nei'sse; daraus kann, man drei Güter machen,, wie Remsdorf eines ist" . . .

zurückzog und eifrig leise durch einander sprach, wohl auch bekräftigende „Ein schneidiger. Mensch, der Ritzerow," meinte der Postsekretär und

Händedrücke mit einander austauschte, als handele es sich um eine geheime blickte bewundernd dem blonden Herrn nach, der sich inmitten einer

Verschwörung. Schar von. Anhängern und Freunden in die- Spielzimmer und den Ball-

Und in der That: werden bei Hofe und in der politischen Welt, saal zurückbegab,

hinter den Kulissen der Theater und in den Salons der grossen Gc- „Das will ich meinen! Hat bei den Garde-Dragonern in Berlin ge-

sellschäft Intriguen... angesponnen und Feindschaften ausgefochten, warum standen .... Vizefeldwebel — wird wohl nächstens Leutnant werden . . .

sollte es nicht in Klützow in Pommern etwas Aehnliches geben? Studiert hat er auch einige Semester und soll schon ein paar Duelle und

Und es gab etwas Aehnliches. Mensuren gehabt haben."

XIV. 1. IT.
 
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