1.95
Hmmungcn.
[Nachdruck verboten.]
fl^HßS SofinO Völkerbündnis ward geschaffen, und Agnes Sorma darf den Ruhm für sich bean-
0 ' spruchen, die Schöpferin die'ser künstlerischen Friedensliga zu sein. — Ich weiss
Es gab einmal, vor etlichen Jah- nicht, ob sie selbst heut schon imstande ist, alles zu erwägen, alles zu erfassen,
ren, in einem Berliner Theater ein was dieser Pariser Erfolg für sie persönlich, was er für die deutsche und für die
rauschendes Fest. Man feierte den französische dramatische Kunst bedeutet, denn haben eine Bernhardt, eine Rejane
Herrn des Hauses, einen berühmten in Deutschland Schule gemacht, um wie viel mehr wird es eine Sorma in Frank-
Darsteller und Theaterleiter. Am reich thun! Wie' ein Glückssturm sind die Ereignisse der letzten Woche über
Schluss der Huldigungsakte, die der sie hinweggefahren, wie in einen Glücksrausch getaucht ist ihr ganzer Mensch,
grosse Mann mit den herablassenden Für wenige Tage ist sie zum Ausruhen in ihr trauliches Nest zwischen den
Allüren eines Fürsten entgegennahm, rauschenden Kiefern des Grunewaldes heimgekehrt. Sie möchte ausruhen, aber
erschien er in der Mitte seiner Lor- sie kann es nicht. Nicht nur die Wannseewellen brausen von ferne um die fried-
bern und erklärte, dass wenn man liehe Stätte, auch die nahen Grossstadtwogen branden gegen das stille Häuschen
etwas ganz seltenes, „einen glücklichen an. Die Klingel und das Telephon stehen nicht still. Telegraphenboten kommen
und gehen. Wahre Blumenwälder werden
in das Haus getragen. Besucher, neugierige
sowohl als wahrhaft teilnahmsvolle, be-
gehren Einlass. Sie alle wollen hören und
sehen was es da draussen,. jenseits des
Rheinstromes gegeben, sie alle bitten: Er-
zähle. Und da sitzt sie nun, die viel Ge-
feierte, mitten in ihrem mit köstlichem
Behagen ausgestatteten Heim, die dunkeln
Märchenaugen, die „das Wunderbare" nicht
nur gesucht, sondern auch gefunden haben,
Agnes Sorma. glückstrahlend ins Weite gerichtet. Ich muss
Photographie von W. llüffert, iiofphotograph, Berlin. Tgfag -., es noch einmal sagen, der ganze Mensch ist
Mensch mit dem echten goldenen Glücks
Parisern, zu zeigen, was deutsche Bühnen-
kunst ist. Immer wieder musste dieser
Plan hinausgeschoben werden. Vielfach
waren politische Ereignisse daran Schuld.
1895 glaubte Agnes Sorma endlich den rich-
tigen Augenblick gekommen. Sie war damals
gerade in Paris und erwog mit Henri Becque
dem Dichter der „Parisienne", ihre Absichten.
Menschen" sehen wolle, man nur ihn an- ^ VsSH| A wie in einem wunderbaren Rausch befangen,
zusehen brauche. — Es lag gewiss ein V ^fHBl. Wk . Sie erzählt nicht viel in ihrer müden, satten
Körnchen Wahrheit in diesem Ausspruch, JpS,-" Wk \ Glückseligkeit, aber was sie sagt ist cha-
werin auch die ganze theatralische Mise cn k., J rakteristisch für das Ereignis,
scene mehr an geschmeichelte Eitelkeit und ^^MM sSSSli&Su""M Schwierigkeiten über Schwierigkeiten
Beschickt gewählte Pose erinnerte. W; ^^HM>0 im Beginn. Technische Schwierigkeiten,
Hintergrunde ist im Renaissance-Theater
nicht aufzutreiben, bis man sie nach langen
in die strahlenden Augen sieht, und dieser J 1 Mühen aus dem Theatrc Montparnasse be-
Phrasen- und posenlos aber giebt es JM dic kein Mensch in der Theaterstadt Paris
heut einen wahrhaft glücklichen Menschen vermutet hätte. Die einfache Dekoration
unter der Elite der darstellenden Künstler, ItoHb .^^^ft^. des Nora-Zimmers mit den zwei Thüren im
einen, der es nicht erst zu betonen braucht,
einen, dem man es glaubt, wenn man ihm
schafft. Ein Kachelofen muss eigens erbaut
Hühl im Herzen ist Agnes Sorma, nach HR ,. \ M I * werden und fällt am Knde selbst für c,neJ1
skandinavischen Ofen ungeheuerlieh in
ihrer Heimkehr von Paris.
Seit Jahren trug sie sich mit dem Ge- _ •mmaä,m
ii I t7 j . .-„l »•„„,. j„„ ' 1 M IffF men Kinder Noras ■—>- das sprechende hatte
danken, den Franzosen, oder richtiger Heu I^^^^^Vn 1] ^*f\ W 1
seinen Dimensionen aus. Die beiden stum-
men Kinder Noras — das sprechende hatte
man von Berlin mitgebracht"\— wollen
Der vortreffliche, inzwischen im Elend dahin- / L / -J.
gegangene Mann, war nicht der Ansieht Agnes
Sormas. „Warten Sie noch ein Weilchen
mein Kind", sagte er ihr, „der Augenblick
ist noch nicht reif". Und sie wartete. Agnes Sorma als Nora. Photographie von \v. Höffert, Hofphotograph, Berlin.
Im vorigen Jahre wurde trotz der „Affaire Dreyfus" der Plan gefasst, zu sich nicht finden lassen, und lange
Ende 1899, vor der Ausstellung noch, die Fahrt nach Paris anzutreten. Wohl- dauert es, bis die Familie Helmer
meinende, ehrliche Freunde, ja selbst der Impresario mahnten und rieten ab, sich vollständig ist. Auch dann, nachdem
vor dieses Wagnis zu stellen. Man fürchtete nicht allein die Eifersucht der Pariser diese Hauptrequisiten zur Stelle sind,
Künstler, die durch sie beeinflusste Ungunst der französischen Presse, man war hapert es an allen Enden. Der
besorgt, dass ein ernster Zwischenfall, vielleicht gar eine offene Manifestation Schaukelstuhl muss aus einem Hotel
gegen eine deutschsprechende Künstlerin ins Werk gesetzt werden könnte. herbeigeschafft werden, dekorative
Agnes Sorma liess sich nicht beirren. In ihrer stillen gefestigten Art, die dem Kleinigkeiten käuflich erstanden,
weichen schmiegsamen Geschöpf nur der zutraut, der sie ganz genau kennt, Decken und Rampen freundschaft-
hatte sie seit Jahren Wunsch und Plan erwogen. Langsam anwachsend, stetig liehst ausgeborgt werden. Da nichts
sich entwickelnd, war er gross und reif geworden, und als es eines Tages, früher an Requisiten und Kulissen recht-
als man erwartet hatte, hiess: „Ich gehe, ich kann nicht anders", blieb denen, zeitig zur Stelle war, muss die erste
die ihr nahestehen, nichts anderes übrig, als der mutigen Künstlerin ein herzlich- Probe nach einer halben Stunde ab-
ehrliches „Glückauf" mit auf den Weg zu geben. gebrochen' werden, statt dessen am
Nun ist das Wagnis gelungen, über Erwarten so gelungen, dass es zu einem Tage der Vorstellung selber von elf
kulturellen Ereignis geworden ist, zu einem Umschwung sämtlicher kurist- Uhr vormittags bis sechs Uhr abends . '
° H 1 a a Agnes Sorma
theatralischer Verhältnisse diesseits und jenseits des Rheinstromes, einem Um- probiert werden! Wer das Theater in ^Das ewig Männliche* von H. Sudermann
schwung, dessen Tragweite sich heut noch garnicht übersehen lässt. Ein neues kennt, weiss was das zu bedeuten hat. Photographie von W. llüffert, Iiofphotograph, lierlin.
XIV. 12 IV.
Hmmungcn.
[Nachdruck verboten.]
fl^HßS SofinO Völkerbündnis ward geschaffen, und Agnes Sorma darf den Ruhm für sich bean-
0 ' spruchen, die Schöpferin die'ser künstlerischen Friedensliga zu sein. — Ich weiss
Es gab einmal, vor etlichen Jah- nicht, ob sie selbst heut schon imstande ist, alles zu erwägen, alles zu erfassen,
ren, in einem Berliner Theater ein was dieser Pariser Erfolg für sie persönlich, was er für die deutsche und für die
rauschendes Fest. Man feierte den französische dramatische Kunst bedeutet, denn haben eine Bernhardt, eine Rejane
Herrn des Hauses, einen berühmten in Deutschland Schule gemacht, um wie viel mehr wird es eine Sorma in Frank-
Darsteller und Theaterleiter. Am reich thun! Wie' ein Glückssturm sind die Ereignisse der letzten Woche über
Schluss der Huldigungsakte, die der sie hinweggefahren, wie in einen Glücksrausch getaucht ist ihr ganzer Mensch,
grosse Mann mit den herablassenden Für wenige Tage ist sie zum Ausruhen in ihr trauliches Nest zwischen den
Allüren eines Fürsten entgegennahm, rauschenden Kiefern des Grunewaldes heimgekehrt. Sie möchte ausruhen, aber
erschien er in der Mitte seiner Lor- sie kann es nicht. Nicht nur die Wannseewellen brausen von ferne um die fried-
bern und erklärte, dass wenn man liehe Stätte, auch die nahen Grossstadtwogen branden gegen das stille Häuschen
etwas ganz seltenes, „einen glücklichen an. Die Klingel und das Telephon stehen nicht still. Telegraphenboten kommen
und gehen. Wahre Blumenwälder werden
in das Haus getragen. Besucher, neugierige
sowohl als wahrhaft teilnahmsvolle, be-
gehren Einlass. Sie alle wollen hören und
sehen was es da draussen,. jenseits des
Rheinstromes gegeben, sie alle bitten: Er-
zähle. Und da sitzt sie nun, die viel Ge-
feierte, mitten in ihrem mit köstlichem
Behagen ausgestatteten Heim, die dunkeln
Märchenaugen, die „das Wunderbare" nicht
nur gesucht, sondern auch gefunden haben,
Agnes Sorma. glückstrahlend ins Weite gerichtet. Ich muss
Photographie von W. llüffert, iiofphotograph, Berlin. Tgfag -., es noch einmal sagen, der ganze Mensch ist
Mensch mit dem echten goldenen Glücks
Parisern, zu zeigen, was deutsche Bühnen-
kunst ist. Immer wieder musste dieser
Plan hinausgeschoben werden. Vielfach
waren politische Ereignisse daran Schuld.
1895 glaubte Agnes Sorma endlich den rich-
tigen Augenblick gekommen. Sie war damals
gerade in Paris und erwog mit Henri Becque
dem Dichter der „Parisienne", ihre Absichten.
Menschen" sehen wolle, man nur ihn an- ^ VsSH| A wie in einem wunderbaren Rausch befangen,
zusehen brauche. — Es lag gewiss ein V ^fHBl. Wk . Sie erzählt nicht viel in ihrer müden, satten
Körnchen Wahrheit in diesem Ausspruch, JpS,-" Wk \ Glückseligkeit, aber was sie sagt ist cha-
werin auch die ganze theatralische Mise cn k., J rakteristisch für das Ereignis,
scene mehr an geschmeichelte Eitelkeit und ^^MM sSSSli&Su""M Schwierigkeiten über Schwierigkeiten
Beschickt gewählte Pose erinnerte. W; ^^HM>0 im Beginn. Technische Schwierigkeiten,
Hintergrunde ist im Renaissance-Theater
nicht aufzutreiben, bis man sie nach langen
in die strahlenden Augen sieht, und dieser J 1 Mühen aus dem Theatrc Montparnasse be-
Phrasen- und posenlos aber giebt es JM dic kein Mensch in der Theaterstadt Paris
heut einen wahrhaft glücklichen Menschen vermutet hätte. Die einfache Dekoration
unter der Elite der darstellenden Künstler, ItoHb .^^^ft^. des Nora-Zimmers mit den zwei Thüren im
einen, der es nicht erst zu betonen braucht,
einen, dem man es glaubt, wenn man ihm
schafft. Ein Kachelofen muss eigens erbaut
Hühl im Herzen ist Agnes Sorma, nach HR ,. \ M I * werden und fällt am Knde selbst für c,neJ1
skandinavischen Ofen ungeheuerlieh in
ihrer Heimkehr von Paris.
Seit Jahren trug sie sich mit dem Ge- _ •mmaä,m
ii I t7 j . .-„l »•„„,. j„„ ' 1 M IffF men Kinder Noras ■—>- das sprechende hatte
danken, den Franzosen, oder richtiger Heu I^^^^^Vn 1] ^*f\ W 1
seinen Dimensionen aus. Die beiden stum-
men Kinder Noras — das sprechende hatte
man von Berlin mitgebracht"\— wollen
Der vortreffliche, inzwischen im Elend dahin- / L / -J.
gegangene Mann, war nicht der Ansieht Agnes
Sormas. „Warten Sie noch ein Weilchen
mein Kind", sagte er ihr, „der Augenblick
ist noch nicht reif". Und sie wartete. Agnes Sorma als Nora. Photographie von \v. Höffert, Hofphotograph, Berlin.
Im vorigen Jahre wurde trotz der „Affaire Dreyfus" der Plan gefasst, zu sich nicht finden lassen, und lange
Ende 1899, vor der Ausstellung noch, die Fahrt nach Paris anzutreten. Wohl- dauert es, bis die Familie Helmer
meinende, ehrliche Freunde, ja selbst der Impresario mahnten und rieten ab, sich vollständig ist. Auch dann, nachdem
vor dieses Wagnis zu stellen. Man fürchtete nicht allein die Eifersucht der Pariser diese Hauptrequisiten zur Stelle sind,
Künstler, die durch sie beeinflusste Ungunst der französischen Presse, man war hapert es an allen Enden. Der
besorgt, dass ein ernster Zwischenfall, vielleicht gar eine offene Manifestation Schaukelstuhl muss aus einem Hotel
gegen eine deutschsprechende Künstlerin ins Werk gesetzt werden könnte. herbeigeschafft werden, dekorative
Agnes Sorma liess sich nicht beirren. In ihrer stillen gefestigten Art, die dem Kleinigkeiten käuflich erstanden,
weichen schmiegsamen Geschöpf nur der zutraut, der sie ganz genau kennt, Decken und Rampen freundschaft-
hatte sie seit Jahren Wunsch und Plan erwogen. Langsam anwachsend, stetig liehst ausgeborgt werden. Da nichts
sich entwickelnd, war er gross und reif geworden, und als es eines Tages, früher an Requisiten und Kulissen recht-
als man erwartet hatte, hiess: „Ich gehe, ich kann nicht anders", blieb denen, zeitig zur Stelle war, muss die erste
die ihr nahestehen, nichts anderes übrig, als der mutigen Künstlerin ein herzlich- Probe nach einer halben Stunde ab-
ehrliches „Glückauf" mit auf den Weg zu geben. gebrochen' werden, statt dessen am
Nun ist das Wagnis gelungen, über Erwarten so gelungen, dass es zu einem Tage der Vorstellung selber von elf
kulturellen Ereignis geworden ist, zu einem Umschwung sämtlicher kurist- Uhr vormittags bis sechs Uhr abends . '
° H 1 a a Agnes Sorma
theatralischer Verhältnisse diesseits und jenseits des Rheinstromes, einem Um- probiert werden! Wer das Theater in ^Das ewig Männliche* von H. Sudermann
schwung, dessen Tragweite sich heut noch garnicht übersehen lässt. Ein neues kennt, weiss was das zu bedeuten hat. Photographie von W. llüffert, Iiofphotograph, lierlin.
XIV. 12 IV.