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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 14.1900

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16. Heft
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Bergmann, S.: Wiens Theater und ihre Leiter
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Unsere Bilder, [13]
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https://doi.org/10.11588/diglit.22226#0415

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256

MODERNE KUNST.

wenig hört und noch weniger Gutes. Das alte Burgtheater muss fallen, wie die gasse rascher auf die Beine helfen; denn man geht heute schon gerne ins

morschen Mauern am Michaelerplatz; vielleicht blüht aus der Ruine ein neues Raimundtheater.

Leben, da das alte, schöne nicht mit eingezogen ist in die goldstrotzenden Räume. Ueber der Zukunft des Carl-Theaters, das nach dem Tode Franz

Freundlich und lebensschäumend lacht vom Weghuberpark herüber das Jauners seines Direktors beraubt ist, schwebt noch undurchdringliches Dunkel;

„Volkstheater" auf all die Kalamitäten der vornehmen Kollegin. Dort blüht zunächst spielen die Mitglieder des Theaters unter ihrer eigenen Verantwortlich-

die Lust und die Daseinsfreude. Als sein erster Direktor Carl v. Bucovicz starb keit und auf ihr eigenes Risiko weiter.

und dessen Bruder Emmrich v. Bucovicz die Leitung übernahm, da wollten Dasselbe Vegetieren weist das „Theater an der Wien" auf, Wiens

die Kenner und Verständigen trübe Tage kommen sehen. Und siehe da, der älteste Bühne, an der Schikaneder seine und Mozarts Erfolge braute. Direktorin

neue Direktor setzte sich in den Sattel und ritt vorzüglich. Das Volkstheater ist ist Frl. v. Schönerer, eine Schwester des bekannten radikalen Abgeordneten,

heute eine moderne und vortrefflich geleitete Bühne, wo besser Komödie gespielt die reich und kunstsinnig ist. Nachdem ihr das Glück durch mehrere Jahre

wird, als in der „Burg" und wo, trotz des verlästerten, aber kassengesunden treu war, ist nun, teils durch die neue Geschmacksrichtung, welche der Operette

Blumenthal ein reiches, abwechslungsreiches Repertoir mehr Treffer als Nieten nicht hold ist, teils durch den Mangel neuer Meister und guter Werke, ein

zu bringen weiss. Vorzügliche klassische Aufführungen, mustergiltige Anzen- Umschwung eingetreten, der sie „amtsmüde" macht. Das Ensemble ist erst-

gruber-Vorstellungen, im Lustspiel unübertroffen und ab und zu auch da für klassig, die Regie splendid, aber es geht eben nicht mehr und die älteste Bühne

Tolstoy und andere realistische und moderne Aufgaben. Dabei ein trefflicher Wiens wird wohl oder übel umsatteln müssen. Was aus ihr werden soll, ist

Künstlerstand, glänzende Regiekräfte — man wüsste nicht, was man an Direktor noch ganz unbekannt.

Bucovicz tadeln soll, es wäre denn, dass man ihm die vielen ausverkauften Im „Theater an der Josefstadt", wo Direktor Wild ein reicher Mann
„Weissen Rössl" und „Sonnenseiten" übelnehmen wollte. Mag das, wer will. geworden ist, regiert jetzt Herr Josef Jarno, der vom Berliner Residenz-
Wenn die Häuser voll sind, beweist das, dass der Direktor die Lacher auf seiner theater weg die Niese heiratete, und die Direktion übernahm, mit gutem Erfolg.
Seite hat und ein Volkstheater darf die heitere Muse nicht vor den Kopf stossen. Neben der Spezialität dieser Bühne, dem französischen, gepfefferten Schwank,
Das freundliche Haus am Weghuberpark hat bisher nur glückliche Tage gesehen; pflegt Herr Jarno auch einmal in der Woche moderne Litteratur und er hat bisher
modern und elegant wie sein Aeusseres, kann man jedem Fremden stolz auch Glück gehabt. Im übrigen steht das Theater, das immer gut besucht ist, vor
seine Darbietungen präsentieren. einem Uebergange; wohin das führen wird, weiss man noch nicht, da Herr Jarno
Nach dieser einzigen Freude hat der Winer an seinen Theatern nicht viel grosse Pläne und die Niese hat. Die „Moderne Kunst" hat erst vor kurzer
andere. Das Raimundtheater ist nach Müller-Guttenbrunn an Ernst Gettke Zeit sein Porträt und das seiner Gattin gebracht.

gekommen, einen schlichten, ehrlichen Provinzler, der aus Deutschland kam. Ansonst haben wir noch das „Währi nge-r Jubiläums stadt-Theater",
An das nicht freundliche, unpraktisch gebaute Haus kann sich das Publikum dessen Direktor Herr Adam Müller-Guttenbrunn ist und das vom klassischen
nicht leicht gewöhnen und die Lage des Theaters am äussersten Gürtel von Repertoire bis zur Wiener Posse nur mittelmässige Kost bietet. Das neue, sehr
Mariahilf beschränkt es auf den Besuch seiner nächsten Umgebung. Das „Volk hübsche Haus, ist eines der grössteu Theater Wiens, aber noch zu jung, um
von Wien", für welches das Theater gebaut wurde, muss erst zum Theater- schon ein Urteil zu gestatten. Herr Müller hat litterarisch-vornehme Ambitionen,
besuch erzogen werden und das ist bekanntlich nicht .leicht. Für das ernste er muss sich jedoch hier, mehr wie in der Wallgasse, mit den Verhältnissen
Streben des Direktors zeugen das Gesamtgastspiel des Berliner „Deutschen abfinden, die nicht gerade erquicklich sind. Dann noch im Prater das „Fürst-
Theaters", das grossen Erfolg hatte, klassische und moderne Aufführungen Theater", das unter Direktor Jautsch in das „Jautseh-Theater" um-
mit Gästen ersten Ranges, die stets ein abgerundetes Ensemble finden, Gast- gewandelt wurde und heute ohne Programm und ohne feste Existenz dasteht,
spiele der Duse, der Rejane etc. Dass ansonst das Theater zumeist von Possen Es lebt von allem, was sich ihm bietet und nimmt sein Publikum aus den
lebt, kommt einmal daher, dass es über vortreffliche komische Darsteller ver- äussersten Enden der Stadtteile, die an den Prater grenzen. Ein Pclleallianz-
fügt — obenan Willy Thaller, der erste Komiker Wiens — zum anderen theater ohne dessen Einnahmen. — Damit ist die Theaterrevue beendigt und
geschieht es aber des Kassenerfolges wegen. Gettke ist kein idealer Theater- wir Wiener sehen mit neidischem Grimm nach der deutschen Metropole. Ein
leiter, aber ein tüchtiger Direktor, der unter anderen Verhältnissen bedeutend modernes Theater wie das „Deutsche" haben wir nicht; uns fehlt es eben vor
mehr leisten könnte. Das Defizit der Verbauung kann aber nicht „hereingespielt" allem an dem klingenden Wohlstand, den Deutschlands Weltstadt beherbergt, und
werden; ein Kaiserschnitt an dem Aktienvermögen wird der Kunst in der Wall- es ist kaum fraglich, ob Wien jemals eine Theaterstadt wird. .S\ Bergmann, Wien.

„Ich hab' mein Ross verloren, mein apfelgraues Ross, harten Gemahl um Gnade für die von Steuern bedrückte arme Bevölkerung

Es war so treu im Leben, kein treueres kann es geben an. Er wies sie zuerst mit rohem Lachen ab, versprach ihr aber dann die Ge-

Im ganzen Zug und Tross." Währung der Bitte, wenn sie ohne Bekleidung durch die Stadt reiten wollte.

Wer gedächte nicht der schönen Verse von Hoffmann von Fallersleben, wenn Godiva war zu dem Opfer bereit, und die dankbare Bevölkerung besehloss, es

er II. Krauses stimmungsvolles Bild „Der Gnadenschuss" betrachtet. Auf solle „zu dieser Stund' kein Fuss, bis Mittag schlägt, hinw andeln durch die Stadt,

stolzem Rosse ist der Reitersmann dem Feinde entgegen gestürmt, mit schnellem kein Aug' am Fenster weilen". Nur ein roher Wicht brach das Wort, der zur

Sprunge und hastigem Jagen hat es ihn so oft hinweggetragen aus dem tot- Strafe dafür auf der Stelle erblindete,

bringenden Kugelregen, hat ihn bewahrt vor Gefangenschaft — er verdankt ihm ;; ...

sein Leben und seine Freiheit. Darum hat er es lieb, er teilt mit ihm sein Brot, er »in Völkchen lebenslustiger Menschen, eine Schaar bildhübscher Mädchen
sorgt für seinen Kriegskameraden besser als für sich, er bringt ihm frisches Wasser, und frischer daseinsvergnügter junger Männer vereint J. Andreott i auf seinem
ehe er selbst trinkt, er verschafft ihm Schutz vor Sonnenbrand und Regenschauern Bilde: „Die Rivalin." Draussen in der Waldschenke vor der Stadt haben sie
— sein Ross wird ihm zum Freund, der ihm fester die Treue hält, als es vielleicht sich zusammen gefunden, um im frischen Glänze des neuen Frühlings einen ver-
ein Menschenkind gethan hätte. Und nun ist es zum Tode verwundet, es kann dem gnügten Tag zu verleben. Die Frage: wer von den beiden Jungfräuleins, die
Rufe der Trompete nicht mehr folgen, es muss elendiglich zu Grunde gehen, ver- Patrizierstochter aus der Stadt oder die sehmucke Dorfmaid, den Kranz als zier-
enden in quälenden Schmerzen, erst nach langem peinvollsten Todeskampfe wird es lichste Tänzerin erhält, interessiert alle so sehr, dass darüber der edle Wein und
erlöst sein — das kann der junge Reitersmann nicht ertragen. Mit blutendem die schon vorbereitete Heimkehr vergessen wurde.
Herzen, mit Thränen im Auge, mit zitternder I [änd giebt er ihm den Gnadenschuss. ...
„Und als es wollte sterben, da blickt es mich noch an, a

Als sprach's mit seinen Mienen: Kann Dir nicht weiter dienen, Cucuel: Momentbilder aus der Grossstadt. „In der Wohl-
Ade, mein Reitersmann!" thätigkeits - Vorstellung." Die Völker des Ostens werden dem alten Europa
... * immer interessanter; wenn früher irgend etwas „weit her" war, so war es zu-
(||oh. Engels „Weiblicher Studienkopf", dessen Original in Tempera- meist aus Amerika und wenn einer eine Reise gethan hatte und nun erzählen
manier die vorjährige Grosse Berliner Kunstausstellung zierte, regt den Be- konnte, so war er, wenn er es recht weit gebracht hatte, „drüben" bei den
schauer, je mehr er es betrachtet, zu den verschiedensten Gedanken an. Das Herren Amerikanern gewesen. Doch die Welt ist auch nach der anderen Seite
Bild erzählt von tiefen seelischen Konflikten; in ganz eigentümlicher Weise ist hin offen und heutigen Tages reist man nach Japan, ja „in Clünesien, in Chinesien
starke Empfindung gepaart mit krankhafter Nervosität, der Mund zeugt von ist heut so mancher schon gewesien." Die Japaner kommen zu uns, nicht nur die
Kraft und Energie, während die Augen müde zwischen den Lidern hervorblicken. Herrn, nein, auch die edle japanische Weiblichkeit erscheint auf der europäischen
Die wirren Locken umrahmen den Kopf sehr wirkungsvoll. Jedenfalls haben Bildfläche und macht Eindruck, macht Figur, stellt was dar, wird umschwärmt,
wir einen höchst interessanten .Studienkopf vor uns. betrachtet, nicht mehr bestaunt nur, wie früher. Die Schönheit aus dem Lande

* * der Morgensonne, die unser Bild veranschaulicht, ist sich ihres Wertes wohl
Jfady Godiva. Die beiden Bilder von L. Leighton und Jul. Lefebvre bewusst, sie nimmt die liebenswürdige Aufmerksamkeit der altern und Jüngern
veranschaulichen die Hauptmomente aus der bekannten, auch von Tennyson Herrn hin, als sei das immer so gewesen, und ignoriert die nicht allzu freund-
dichterisch behandelten englischen Sage. Lady Godiva-Coventry flehte ihren liehen Seitenblicke ihrer Nachbarin mit kühlstem Glcichmute.
 
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