o M unsere Leser) @
^um letzten Male in diesem Jahrhundert rüstet sich die „Moderne Kunst", ihren Lesern eine
VÖeihnachts=^Jummer
darzubieten. Redaktion und Verlag wollen den wichtigen Zeitabschnitt nicht vorüber gehen lassen, ohne noch einmal mit einem ganz besonders hervor-
ragenden Extrahefte zu beweisen, welch entzückendes Prachtwerk Kunst und Litteratur im Verein mit höchster Technik der Typographie am Ende des
XIX. Jahrhunderts hervorzubringen imstande sind. Die „Moderne Kunst" will mit den reichen Mitteln, die ihr zu Gebote stehen, zugleich der Weihnachts-
freude einen echt künstlerischen, harmonisch abgetönten Ausdruck verleihen. Sie wird deshalb in ihrer nächsten Nummer in besonders prächtigem
Festgewande erscheinen. Allein
Drei prachtvolle doppelseitige farbige Kunstblätter:
K. Schleibner: „Die heilige Katharina" * E. Cucuel: „ßlumenschau"
und
F. Zmurko: „Der Stern von Bethlehem"
werden dem Leser dargeboten. Zu den farbigen Kunstblättern kommen
Zahlreiche schwarze JKunstbeila£en, die in prächtigster Ausführung
nach Gemälden erster Meister hergestellt worden sind, sowie eine ganze Anzahl farbiger Vollbilder. Textlich wird die Nummer vollständig in sich abgeschlossen
sein. Alle litterarischen Beiträge' sind von ersten Autoren besonders für die Weihnachts-Nummer der „Modernen Kunst" verfasst, atmen Festfreude
und ernstes tiefes Empfinden, echte herzliche Weihnachtsstimmung. Von den in der „Weihnachts-Nummer" vertretenen Autoren seien folgende genannt:
Adalbert von Hanstein, Freiherr Felix von Stengli.n, Dora Duncker, Helene Faber, Adolf Ott, Wilhelm Bornemann, Alfred Holzbock.
Sie alle haben ihre Federn gern in den Dienst der „Modernen Kunst" gestellt und so ist ein Werk entstanden, das bei allen Freunden einer modernen und
doch künstlerisch vornehmen Lektüre hellstes Entzücken erregen wird.
Der Preis der Weihnachts-Nummer beträgt
für Abonnenten M. 1,00 — für Nichtabonnenten H. 3,00.
Jedoch gilt der Vorzugspreis von M. 1,00 für Abonnenten nur fü" ein Exemplar der Nummer. Die Ausgabe erfolgt bereits Ende November, so dass dieses
Prachtheft bei rechtzeitiger Vorausbestellung unseren Abonnenten und Freunden als billigstes und beliebtes Weihnachts-
geschenk zur Verfügung steht.
Berlin w. 57, Leipzig, wien, Stuttgart. Redaktion und Verlag der „Modernen Kunst".
Jm fiampenlichte.
Erlebtes von Irene Triesch.
<a
er echteste Künstler, mit dem ich bisher in Be-
ziehung kam, beruflich und freundschaftlich, war
Friedrich Mitterwurzer. —
Mitterwurzer war eine ebenso ungewöhnliche Er-
scheinung als Mensch, wie als Künstler. Die schroffsten
Kontraste waren in Mitterwurzers sensitiver Seele ver-
einigt. Seine Stimmungen, seine Entschlüsse, seine
Launen folgten einander unvermittelt, in jähem Wechsel.
Jetzt in sich gekehrt, verschlossen, mürrisch, misan-
thropisch — dann heiter, lebenslustig, mitteilsam, jetzt
von übersprudelnder Schaffensfreude, siegessicher, voll
Seibstbewusstsein — dann entmutigt, unzufrieden mit
sich und der Welt, zweifelnd, verzagt; heute herzlich,
liebenswürdig, von zartestem Herzenstakt — morgen
abstossend, rauh, cynisch; beinahe stets den Launen
und Eingebungen des Augenblicks folgend, im Leben
und auf der Bühne. — Besondere „Gewohnheiten" habe
ich an ihm nicht kennen gelernt; es sei denn, man
wollte den in tiefei-, aufrichtiger Religiosität begründeten
regelmässigen, ja täglichen Kirchenbesuch damit be-
zeichnen. Mitterwurzer war sehr gottesfürchtig. Als
wir einmal auf die Religion zu sprechen kamen, frug
ich ihn: „Meister, glauben Sie wirklich an Gott?" —
Da leuchtete sein Auge auf, seine Stimme vibrierte:
„Ja, ich glaube an Gott! Und ich bete zu ihm! Giebt
es etwas Herrlicheres, als in einer Kirche, in dem hohen,
weihevollen Gotteshause, auf den Knieen zu liegen und
seinem Schöpfer zu danken für alles Gute und Schöne
auf Erden? Ja, ich liebe Gott! Meine Mutter hat mich
gelehrt, Gott zu lieben!" — Von seiner Mutter sprach
Mitterwurzer mit unendlicher Liebe.
Oft erfasste ihn grosser Lebensekel. „Ist es nicht
Thbrheit zu leben? Warum? Wofür? Wohin? Mein
Herz ist alt! Ich bin müde! Und immer bin ich unter-
wegs, immer werde ich fortgetrieben — es fehlt mir
nichts zum ewigen Juden — es sei denn, dass ich nicht
ewig und auch nicht Jude bin!"
Das Unstete, Ziellose war ihm „Gewohnheit". —
Er wohnte in Wien gleichzeitig bei seiner Gattin und
im Hotel und bei einer ihm innig ergebenen Freundin.
— Jede neue Rolle brachte für ihn Aufregung, Qual,
Angstgefühle. Und jede Rolle brachte neue Triumphe.
— Er sprach selten von sich; freute sich aber an einem
aufrichtigen Worte ehrlicher Bewunderung und Be-
geisterung. — Gewohnheiten — nein, eigentlich hatte
er keine. — Er war ein leuchtender Stern am Kunst-
himmel, der am Zenith seiner stets höher aufsteigenden
Bahn angelangt, plötzlich wie ein Meteor verschwand.
— Seinesgleichen werden wir sobald nicht wiedersehen.
Im Wiener Konservatorium gaben Fritz Krastel
und Bernhard Baumeister Unterricht.
Krastel, ein schöner, geistvoller Mann, von glühen-
dem, jugendlichem Temperament trotz vorgeschrittenen
Alters, war unser aller Abgott. Und er liess sich an-
schmachten,, andichten — und lachte. — Gewohnheiten?
— Er war launenhaft. — Oft warteten wir im Konser-
vatorium voll Sehnsucht auf ihn — die Unterrichts-
stunde hatte längst geschlagen — und der Herr Professor
noch nicht anwesend. — Da endlich kam er: „Kinder,
ich bin heute zu schlecht gelaunt — ein andermal!
Adjüs." — Und fort war er. —
Von unserem grossen und verehrten Lehrer Bau-
meister flüsterten wir Konservatoristinnen uns zu, dass
er stets bei Auftritten mit dem seligen Gabillon zu
diesem sage: „Stoss ab, kühner Schwimmer!"
Ich habe noch mit Sonnenthal, Reicher, Bonn,
Drach, Matkowsky gespielt — ich bemerkte keine
besonderen Gewohnheiten an ihnen. Aufgeregt, nervös
sind sie alle — nur äussert sich diese Nervosität eben
verschieden. So z. B. bei dem einen: dass ihm plötzlich
alle Möbel auf der Bühne im Wege sind; bei dem
anderen: dass der Souffleur zu laut oder zu undeutlich
sei; bei einem dritten ist der Souffleur zu leise; dem
kommt es vor, als wenn im Publikum absichtlich
gehustet oder geschneuzt werde „und das bringt mich
aus der Stimmung" — ein anderer klagt, der Garderobier
sei taub, er mache ihn nervös; oder der Friseur hätte
die Perrücke zu gross gemacht, sie sitze nicht fest! —
Und da wird getobt, gerast, die armen, unschuldigen
Souffleure, Garderobiers, Friseure verflucht und ver-
wünscht — und ist die Vorstellung zu Ende — dann
reicht man sich die Hand und ist, wenn auch nur im
berauschenden Momente des gewonnenen Triumphes,
Freund und guter Kamerad.---
Eine (Gewohnheit haben fast alle Künstler gemein:
Nach dem Theater bei einem guten Glase Wein im
gemütlichen Freundeskreise zu plaudern über Kunst und
Leben, Erinnerungen aufsteigen zu lassen, Scherze zu
erzählen — mitunter sehr derbe, und erst am frühen
Morgen nach Hause zu gehen. —
Vom Kartenspiel.
Die deutsche Karte stammt, wie die altertümlichen
Gestalten der Konige, Ober u. s. w. beweisen, aus dem
14. Jahrhundert. Früher kannte man ausser Eicheln,
Grün, Rot und Schellen auch eine blaue Farbe und
spielte mit 40 Blättern fünf Personen hoch. Nach den
Oblectamenta juris feudalis des gelehrten Leipziger
Juristen Karl Ferdinand Hommel (geboren in Leipzig
am 6. Januar 1722, gestorben ebenda am 16. Mai 1781)
stellen die deutschen Karten die alte deutsche Reichs-
verfassung dar: das Daus das Reich, der König den
Kaiser, die Ober die Kurfürsten, die Unter die übrigen
Reichsstände, die 10, 9, 8 und 7 das Volk. Eine Er-
klärung der Kartenzeichen Eichel, Grün, Rot oder Herz
und Schellen bringt, wie die „L. N. N." hervorheben, das
vor 200 Jahren in Frankfurt a. M. erschienene Buch
„Michaelis Freud'n. Gewissens Fragn von Balgen auch
Schrifftmässiges Bedenken was von Gesundheit trinken
und spielen zu halten". Wir setzen dieselbe her, auf
die Gefahr hin, es mit allen Skatspielern auf immer zu
verderben. Die Erklärung lautet: „Die Eicheln deuten
an, dass Diejenigen säuisch sind, welche sich gar zu
sehr in die Karten verlieben, das grüne Laub, dass Die
rauschend und unbesonnen sind, die um Gewinn spielen,
das Herz, dass Die ein verstockt Herz haben, die sich
in ein gewinnsüchtiges Spielen verlieben, und die Schellen,
dass Die thöricht sind (wie die mit Schellen geschmückten
Narren), die um Geld spielen, dieweil man ihnen doch
redlich zu dem verlorenen Gute bei der Obrigkeit nicht
hilft." Trotz alledem hat es auch berühmte Männer ge-
geben, die dem Kartenspiele huldigten; wir erwähnen
nur Blücher, Moltke, Kant, der wenigstens in früheren
Jahren gern und zur Unbequemlichkeit seiner Mitspieler
ungemein rasch L'Hombre spielte, das er für eine „nütz-
liche Verstandsübung, eine Uebung in der Selbst-
beherrschung, mithin für eine Kultur der Moralität"
hielt, und endlich Lessing, der namentlich als Sekretär
des preussischen Generals von Tauenzien der .Spiel-
leidenschaft sehr ergeben war.
^um letzten Male in diesem Jahrhundert rüstet sich die „Moderne Kunst", ihren Lesern eine
VÖeihnachts=^Jummer
darzubieten. Redaktion und Verlag wollen den wichtigen Zeitabschnitt nicht vorüber gehen lassen, ohne noch einmal mit einem ganz besonders hervor-
ragenden Extrahefte zu beweisen, welch entzückendes Prachtwerk Kunst und Litteratur im Verein mit höchster Technik der Typographie am Ende des
XIX. Jahrhunderts hervorzubringen imstande sind. Die „Moderne Kunst" will mit den reichen Mitteln, die ihr zu Gebote stehen, zugleich der Weihnachts-
freude einen echt künstlerischen, harmonisch abgetönten Ausdruck verleihen. Sie wird deshalb in ihrer nächsten Nummer in besonders prächtigem
Festgewande erscheinen. Allein
Drei prachtvolle doppelseitige farbige Kunstblätter:
K. Schleibner: „Die heilige Katharina" * E. Cucuel: „ßlumenschau"
und
F. Zmurko: „Der Stern von Bethlehem"
werden dem Leser dargeboten. Zu den farbigen Kunstblättern kommen
Zahlreiche schwarze JKunstbeila£en, die in prächtigster Ausführung
nach Gemälden erster Meister hergestellt worden sind, sowie eine ganze Anzahl farbiger Vollbilder. Textlich wird die Nummer vollständig in sich abgeschlossen
sein. Alle litterarischen Beiträge' sind von ersten Autoren besonders für die Weihnachts-Nummer der „Modernen Kunst" verfasst, atmen Festfreude
und ernstes tiefes Empfinden, echte herzliche Weihnachtsstimmung. Von den in der „Weihnachts-Nummer" vertretenen Autoren seien folgende genannt:
Adalbert von Hanstein, Freiherr Felix von Stengli.n, Dora Duncker, Helene Faber, Adolf Ott, Wilhelm Bornemann, Alfred Holzbock.
Sie alle haben ihre Federn gern in den Dienst der „Modernen Kunst" gestellt und so ist ein Werk entstanden, das bei allen Freunden einer modernen und
doch künstlerisch vornehmen Lektüre hellstes Entzücken erregen wird.
Der Preis der Weihnachts-Nummer beträgt
für Abonnenten M. 1,00 — für Nichtabonnenten H. 3,00.
Jedoch gilt der Vorzugspreis von M. 1,00 für Abonnenten nur fü" ein Exemplar der Nummer. Die Ausgabe erfolgt bereits Ende November, so dass dieses
Prachtheft bei rechtzeitiger Vorausbestellung unseren Abonnenten und Freunden als billigstes und beliebtes Weihnachts-
geschenk zur Verfügung steht.
Berlin w. 57, Leipzig, wien, Stuttgart. Redaktion und Verlag der „Modernen Kunst".
Jm fiampenlichte.
Erlebtes von Irene Triesch.
<a
er echteste Künstler, mit dem ich bisher in Be-
ziehung kam, beruflich und freundschaftlich, war
Friedrich Mitterwurzer. —
Mitterwurzer war eine ebenso ungewöhnliche Er-
scheinung als Mensch, wie als Künstler. Die schroffsten
Kontraste waren in Mitterwurzers sensitiver Seele ver-
einigt. Seine Stimmungen, seine Entschlüsse, seine
Launen folgten einander unvermittelt, in jähem Wechsel.
Jetzt in sich gekehrt, verschlossen, mürrisch, misan-
thropisch — dann heiter, lebenslustig, mitteilsam, jetzt
von übersprudelnder Schaffensfreude, siegessicher, voll
Seibstbewusstsein — dann entmutigt, unzufrieden mit
sich und der Welt, zweifelnd, verzagt; heute herzlich,
liebenswürdig, von zartestem Herzenstakt — morgen
abstossend, rauh, cynisch; beinahe stets den Launen
und Eingebungen des Augenblicks folgend, im Leben
und auf der Bühne. — Besondere „Gewohnheiten" habe
ich an ihm nicht kennen gelernt; es sei denn, man
wollte den in tiefei-, aufrichtiger Religiosität begründeten
regelmässigen, ja täglichen Kirchenbesuch damit be-
zeichnen. Mitterwurzer war sehr gottesfürchtig. Als
wir einmal auf die Religion zu sprechen kamen, frug
ich ihn: „Meister, glauben Sie wirklich an Gott?" —
Da leuchtete sein Auge auf, seine Stimme vibrierte:
„Ja, ich glaube an Gott! Und ich bete zu ihm! Giebt
es etwas Herrlicheres, als in einer Kirche, in dem hohen,
weihevollen Gotteshause, auf den Knieen zu liegen und
seinem Schöpfer zu danken für alles Gute und Schöne
auf Erden? Ja, ich liebe Gott! Meine Mutter hat mich
gelehrt, Gott zu lieben!" — Von seiner Mutter sprach
Mitterwurzer mit unendlicher Liebe.
Oft erfasste ihn grosser Lebensekel. „Ist es nicht
Thbrheit zu leben? Warum? Wofür? Wohin? Mein
Herz ist alt! Ich bin müde! Und immer bin ich unter-
wegs, immer werde ich fortgetrieben — es fehlt mir
nichts zum ewigen Juden — es sei denn, dass ich nicht
ewig und auch nicht Jude bin!"
Das Unstete, Ziellose war ihm „Gewohnheit". —
Er wohnte in Wien gleichzeitig bei seiner Gattin und
im Hotel und bei einer ihm innig ergebenen Freundin.
— Jede neue Rolle brachte für ihn Aufregung, Qual,
Angstgefühle. Und jede Rolle brachte neue Triumphe.
— Er sprach selten von sich; freute sich aber an einem
aufrichtigen Worte ehrlicher Bewunderung und Be-
geisterung. — Gewohnheiten — nein, eigentlich hatte
er keine. — Er war ein leuchtender Stern am Kunst-
himmel, der am Zenith seiner stets höher aufsteigenden
Bahn angelangt, plötzlich wie ein Meteor verschwand.
— Seinesgleichen werden wir sobald nicht wiedersehen.
Im Wiener Konservatorium gaben Fritz Krastel
und Bernhard Baumeister Unterricht.
Krastel, ein schöner, geistvoller Mann, von glühen-
dem, jugendlichem Temperament trotz vorgeschrittenen
Alters, war unser aller Abgott. Und er liess sich an-
schmachten,, andichten — und lachte. — Gewohnheiten?
— Er war launenhaft. — Oft warteten wir im Konser-
vatorium voll Sehnsucht auf ihn — die Unterrichts-
stunde hatte längst geschlagen — und der Herr Professor
noch nicht anwesend. — Da endlich kam er: „Kinder,
ich bin heute zu schlecht gelaunt — ein andermal!
Adjüs." — Und fort war er. —
Von unserem grossen und verehrten Lehrer Bau-
meister flüsterten wir Konservatoristinnen uns zu, dass
er stets bei Auftritten mit dem seligen Gabillon zu
diesem sage: „Stoss ab, kühner Schwimmer!"
Ich habe noch mit Sonnenthal, Reicher, Bonn,
Drach, Matkowsky gespielt — ich bemerkte keine
besonderen Gewohnheiten an ihnen. Aufgeregt, nervös
sind sie alle — nur äussert sich diese Nervosität eben
verschieden. So z. B. bei dem einen: dass ihm plötzlich
alle Möbel auf der Bühne im Wege sind; bei dem
anderen: dass der Souffleur zu laut oder zu undeutlich
sei; bei einem dritten ist der Souffleur zu leise; dem
kommt es vor, als wenn im Publikum absichtlich
gehustet oder geschneuzt werde „und das bringt mich
aus der Stimmung" — ein anderer klagt, der Garderobier
sei taub, er mache ihn nervös; oder der Friseur hätte
die Perrücke zu gross gemacht, sie sitze nicht fest! —
Und da wird getobt, gerast, die armen, unschuldigen
Souffleure, Garderobiers, Friseure verflucht und ver-
wünscht — und ist die Vorstellung zu Ende — dann
reicht man sich die Hand und ist, wenn auch nur im
berauschenden Momente des gewonnenen Triumphes,
Freund und guter Kamerad.---
Eine (Gewohnheit haben fast alle Künstler gemein:
Nach dem Theater bei einem guten Glase Wein im
gemütlichen Freundeskreise zu plaudern über Kunst und
Leben, Erinnerungen aufsteigen zu lassen, Scherze zu
erzählen — mitunter sehr derbe, und erst am frühen
Morgen nach Hause zu gehen. —
Vom Kartenspiel.
Die deutsche Karte stammt, wie die altertümlichen
Gestalten der Konige, Ober u. s. w. beweisen, aus dem
14. Jahrhundert. Früher kannte man ausser Eicheln,
Grün, Rot und Schellen auch eine blaue Farbe und
spielte mit 40 Blättern fünf Personen hoch. Nach den
Oblectamenta juris feudalis des gelehrten Leipziger
Juristen Karl Ferdinand Hommel (geboren in Leipzig
am 6. Januar 1722, gestorben ebenda am 16. Mai 1781)
stellen die deutschen Karten die alte deutsche Reichs-
verfassung dar: das Daus das Reich, der König den
Kaiser, die Ober die Kurfürsten, die Unter die übrigen
Reichsstände, die 10, 9, 8 und 7 das Volk. Eine Er-
klärung der Kartenzeichen Eichel, Grün, Rot oder Herz
und Schellen bringt, wie die „L. N. N." hervorheben, das
vor 200 Jahren in Frankfurt a. M. erschienene Buch
„Michaelis Freud'n. Gewissens Fragn von Balgen auch
Schrifftmässiges Bedenken was von Gesundheit trinken
und spielen zu halten". Wir setzen dieselbe her, auf
die Gefahr hin, es mit allen Skatspielern auf immer zu
verderben. Die Erklärung lautet: „Die Eicheln deuten
an, dass Diejenigen säuisch sind, welche sich gar zu
sehr in die Karten verlieben, das grüne Laub, dass Die
rauschend und unbesonnen sind, die um Gewinn spielen,
das Herz, dass Die ein verstockt Herz haben, die sich
in ein gewinnsüchtiges Spielen verlieben, und die Schellen,
dass Die thöricht sind (wie die mit Schellen geschmückten
Narren), die um Geld spielen, dieweil man ihnen doch
redlich zu dem verlorenen Gute bei der Obrigkeit nicht
hilft." Trotz alledem hat es auch berühmte Männer ge-
geben, die dem Kartenspiele huldigten; wir erwähnen
nur Blücher, Moltke, Kant, der wenigstens in früheren
Jahren gern und zur Unbequemlichkeit seiner Mitspieler
ungemein rasch L'Hombre spielte, das er für eine „nütz-
liche Verstandsübung, eine Uebung in der Selbst-
beherrschung, mithin für eine Kultur der Moralität"
hielt, und endlich Lessing, der namentlich als Sekretär
des preussischen Generals von Tauenzien der .Spiel-
leidenschaft sehr ergeben war.