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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 14.1900

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5. Heft
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Jessen, Jarno: Paul Meyerheim
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https://doi.org/10.11588/diglit.22226#0092

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Paul jS^eijer^eim.

Von Jarno Jessen.

_, , , - [Nachdruck verboten.]

\ie rechte Lebenskunst besteht im rechten Gebrauch der Sinne. Reiz des Zusammenlebens dieser Künstlerfamilie. Wir sehen den altpreussischen
Es liegt in der Natur des Deutschen in die Tiefe zu streben. Er .Vater in seinen Mussestunden mit den Söhnen zeichnen, malen und musizieren,
verhält sich skeptisch gegen den Genuss der flüchtigen Stunde. sehen die temperamentvolle, rundliche Mutter, eine Schwester des Bildhauers Drake,
Wir suchen alle nach Ideen und vergessen den Rat Goethes: in Beweglichkeit und Frische schalten. Während der idealistische blende Franz
endlich einmal die Courage, Euch den Eindrücken hinzugeben. im Mönchsgewand seiner gotischen Orgel feierliche Akkorde alter Kirchenmusik
Denkt nur nicht immer, es wäre alles eitel, wenn es nicht irgend abstrakter entlockte, eilt Paul, der schwarze Krauskopf, in den reichflutenden Strom des Lebens
Gedanke wäre!" Unter den Künstlern, die den Wert unseres Lebens durch die hinaus. Früh schon ist bei ihm „das Kind des Mannes Vater" geworden. Die Liebe
Gesundheit ihrer Wesensart erhöhen helfen, ist Paul Meyerheim einer der Besten. zur Tierwelt schien ihm eingeboren. Ueber den geisttötenden Zoologie-Unterricht
Er hat die Gunst der Massen nicht durch lockende Aeusserlichkeiten gewonnen. der Schule entrüstet, benützte er jeden Sparpfennig, um auf dem Heimweg bei einer
Er hat den Kenner wie den Liebhaber zu befriedigen verstanden, denn sein Vogelhändlerin allerlei gefiederte Zweifüssler zu erwerben. Jede freie Vor- und
Werk ist zugleich ein Produkt der Gediegenheit wie der Gefälligkeit. Nachmittagsstunde wurde gezeichnet und im Ausstopfen Fertigkeit geübt. Von
Heut ist sein Name vor allem verknüpft mit dem Begriff des ersten deutschen so manchem schwingenschönen Exemplar des Hauses erzählt der Professor, wie
Tiermalers. Ein Fabeldichter in Farben, weiss er die Lebensäusserungen der Zwei- es selbst erlegt, gebraten, verspeist und ausgebalgt sei. Ist der jugendliche
und Vierfüssler mit dem Auge des launischen Beobachters festzuhalten. Hier ver- Vogelkenner doch schon von einem Lehrer zu schriftstellerischer Mithilfe an
körpert kein Landseer menschliche Tugenden und Schwächen in tierpsychologi- einem Werk über die „Hegung der Höhlenbrüter" zugezogen worden. Heut
scher Form, kein Kaulbach wählt tierische Masken für satirische Absichten. Mehr noch kann er Vogelgezwitscher bei der Arbeit in seinem Atelier nicht entbehren,
Geliert als Lafontaine äussert sich Meyerheim in gutmütig anheimelnden Scenen. und seine höchste Auszeichnung nennt er die siberne Medaille für Vogelzucht.
Wohl malt er seinen charakteristischen Löwen als prachtvollen Repräsentanten Was er in der trefflichen Schulung des Vaters aufnahm, konnte der Besuch in
königlicher Herrschergrösse, aber er erblickt ihn nicht nur als den Typ. Er der Berliner Akademie nicht überbieten. Ihn reizte kein gedankenloser Schönheits-
beobachtet ihn auch in seinen Beziehungen als Haustyrann und Familienvater. kanon. Den Spuren Raphaelscher Anbeter oder architektonisch gruppierender
Ihn fesselt das Tier an sich, im Käfig, auf der Waide, im Walde. Es interessiert Landschafter vermochte er nicht zu folgen. Hinaus in das freie Sonnenlicht,
ihn jedoch auch im Rahmen menschlicher Umgebung, im Cirkus, im Gutshof, in das Leben und Treiben der Tierwelt des Zoologischen Gartens zog es ihn.
im eleganten Boudoir. Er vermag in jeder Form mit ihm zu schalten. Das Zu der Zeit, als noch die Konturen des Kreuzbergs hinter dem Zebuhause auf-
quellende Temperament Meyerheims ist auf kein Dogma eingeschworen. Hat ragten, hatte Paul Meyerheim bereits sein Herz entdeckt und malte die Pumas
ihn die kunsthändlerische Etikettiersucht auch auf den Löwen oder Affen ge- und Leoparden in überraschender Wahrheit. Verdient er doch auch in einer
stempelt, er sammelt seinen Honig auf allen seimspendenden Blüten. Jede neue Geschichte des Plakats als der ersten einer genannt zu werden. Aus seinem
Ausstellung zeigt uns neue Proben seines, vielseitigen Könnens. Pinsel stammte zur Eröffnung des Zoologischen Gartens die wuchtige Tiergruppe,
Paul Meyerheims Werdegang gestattet kein unhistorisches Betrachten. Er auf der eine stattliche Anzahl riesiger und kleinerer Tierexemplare der Welt
ist der Spross einer echten Künstlerdynastie, die in ihrem tüchtigen Schaffen das neue Unternehmen in majestätischer Drollerie verkündet. Angeborene
Erinnerungen an bedeutende Kunstgeschlechter der Renaissance wachruft. Technik, echte Farbenfreudigkeit und der Sinn zur Komik wirkten zusammen,
Während sein Vater, Eduard Meyerheim, sich den Ruhmesweg mühselig aus um die erste Leistung des achtzehnjährigen Künstlers in der Akademie bereits
dem Handwerk aufwärts bahnte, hat sein einen Erfolg werden zu lassen. Ohne eine
genialer Sohn als Erbe grossen Ruhmes Ahnung von französischem Pleinairismus ist
riur-, K(tii»lU-r> i'.nl'-iiumIin .im i i ■ ; | Paul Meyerheim in seinen ersten Ent-
getreten. Bereits in der Quarta der könig- wicklungsstadien bereits instinktiv der Maler
liehen Realschule gab er auf seinem Nationale i ^^HJHPBB^*^'^ des Freilichts geworden. Teuthold Schmitson,
bei der Bezeichnung des zukünftigen Be- j .jätHKV*'*- c^en er ^en genialsten Tiermaler nennt, und
rufes kurzweg an: „Wird Tiermaler", was Bj dessen Sonderausstellung Meyerheim für die
stürmische Heiterkeit der Klasse hervorrief. H ^ \ '^^^tJÜBBS^H diesjährige grosse Berliner Kunstausstellung
Die Bekanntschaft mit einem Skizzenbuch H * . '^tJJB mit endloser Mühe ins Werk setzte, dankt
Pieter Potters im Berliner Kupferstichkabinet Wk - j£ „' /j^ f^^^T er reiche Anregungen.

gab ihm nachhaltige Anregung. Während ffgt >JP Wie fröhlich muss dem Freund des
der Senior des Hauses in peinlichem Inne- PJBJk "-"W £ mL ^ü'/j. Daseins das junge Künstlerherz in der Brust
halten des Schadowschen Polyklets seine WT \ i " gepocht haben, als es zur ersten Studientour
Kabinetstücke schuf, redete Paul Meyer- H| m ,.^r durch das Vaterland, Tirol, die Schweiz,
heim keck seine eigene Farbensprache. Er MI _<j|(r^' Holland und Belgien hinausging. Mit ent-
meisterte mühelos die Wiedergabe des HR ^ ^ zückter Seele werden die Helldunkel-Ein-
Lebens. Sein hochbegabter älterer Bruder HNL A drücke, die poesieverklärten Realismen
Franz hatte die exakte Vertiefung, den Fleiss HR niederländischer Kunst aufgenommen. Die
und die Delikatesse des väterlichen Freundes —4>x X\UÄ Mappen füllen sich mit Skizzen, und echte
überkommen, ihn fesselte die Welt des Mittel- /f ^Sfl Meisterstücke entstehen wie sein „Affen-
aii.-'-.v Liidwi.". IViM-l-, . i ..... I >. ii :ii . ^ff .jtw^^Sk tribunal", „Die Amsterdamer Waisen-

Meyerheimschen Hauses, schildert in seinen ^^^H^mbä^^^^I mädchen", „Der Antiquar". Im Herzen alles

„Lebenserinnerungen den bestrickenden HHHHHkhk.-i>«iBHHHHHHHiHI Kunstlebens, in Paris, vermag sich Meyerheim

Paul Meyerheim als Baby, von seinem Vater Eduard Meyerheim gemalt.
 
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