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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 14.1900

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8. Heft
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Das neue Grazer Stadtstheater
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https://doi.org/10.11588/diglit.22226#0190

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125

as neue wrazer ^>fadf(ljieafer.

[Nachdruck verboten.]

ku öfteren Malen, zuletzt im Jahre 1893, hatten sich in der Leitung der beiden Bronzekandelaber schmücken, führt zum Balkonlogengang im Ilalbgeschoss und

städtischen Theater in Graz derartige Schwierigkeiten ergeben, dass es dann in den I. Stock. Betritt man den Zuschauerraum, welcher eine Tiefe von

der Gemeindevertretung nur mühevoll und unter Aufwendung grosser 29 Meter, eine Breite von 23 und eine grösste Höhe von 15,5 Meter hat, so ist

finanzieller Opfer gelang, eine jähe Unterbrechung des Theaterbetriebes und man überrascht von der vornehmen Pracht, der glücklichen Einteilung, der

damit eine Schädigung nicht nur vieler Existenzen, sondern auch des künst- geschmackvollen Farbenstimmung in Weiss, Gold und Rot und der gut verteilten

lerischen Rufes der Stadt zu verhüten. Beleuchtung. Der Saal ist mit reicher, meist aus freier Hand gearbeiteter, vicl-

Nach Prüfung der in Betracht kommenden Verhältnisse beschloss der Ge- fach vergoldeter Stuccoarbeit ausgestattet,
meinderat in den Sitzungen vom 15. Februar 1897 und 26. Juli 1897, aus Anlass Besonders die Decke, welche sich harmonisch in den abgegurteten Pro-
des fünfzigjährigen Regierungsjubiläums Seiner Majestät des Kaisers Franz Josef I, sceniumsteil und die als Muschel ausgebildete Hauptfläche gliedert, wirkt ungemein
auf dem Grunde zwischen dem Kaiser Josef-Platze und dem Karl Ludwig-Ringe schön und lässt sich zufolge des schrägen Abfalles gegen die Bühne zu leicht
ein neues, allen Anforderungen der Jetztzeit entsprechendes Theater für den im überblicken. Der Zuschauerraum fasst rund 1900 Besucher. Er ist mit vielen
Darlehenswege zu beschaffenden Betrag von 800000 fl. zu erbauen. Bildwerken geschmückt. Von der Künstlerhand Leopold Kosigs in Wien
Die Verfassung sämtlicher Pläne, sowie die Leitung des Baues wurde vom stammen die Figuren über den Prosceniumslogen und die meisten sonstigen
Gemeinderate den Architekten und k. k. Bauräten Fellner & Helmer in Wien figuralen Arbeiten, sowie der hervorragend schöne Apollo-Cyklus am Rande
übertragen. Es wurde ferner festgesetzt, dass für den Bau der Stil des Meisters der Decke. Die 14,50 m breite und 11,00 m hohe Prosceniumsöffnung ver-
Fischer von Erlach in Anwendung kommen solle. Der Bau wurde am schliesst der Hauptvorhang, der durch den ideenreichen Vorwurf und die
12. April 1898 begonnen; am 16. September 1899 wurde das Theater mit einer gelungene Ausführung seinem Schöpfer, dem Maler A. Rothaug, Ehre macht.

Das neue Grazer Stadttheater.

Aufführung von Schillers „Wilhelm Teil" eröffnet. — Die bedeutende Grösse Der Prospektbreite von 18 Metern entsprechend, ist die Bühne in gewaltigen
des Theaters entspricht der Widmung desselben zur Aufführung von Dramen, Dimensionen ausgeführt. Die Tiefe der eigentlichen Bühne misst 16 Meter, die
Lustspielen, Opern und Operetten. Der Bau hat eine Länge von 81,5, eine der Hinterbühne, welche auch spielfähig eingerichtet ist, 8 Meter, Gesamttiefe
grösste Breite von 48,0 Metern und bedeckt 3211 Quadratmeter. daher 24 Meter. Die Breite beträgt 26 Meter, ebenso die Höhe vom Bühnen-
Die Hauptansicht ist gegen den Karl Ludwig-Ring, jene des Bühnenhauses boden bis zum Rollenboden unter Dach. Wenn man bedenkt, dass ein vier-
gegen den Kaiser Josef-Platz gerichtet, während die beiden Längsseiten unmittelbar stöckiges Wohnhaus mit 7 Fenstern Gassenfront samt Dach im Hohlräume der
an die Anlagen des Stadtparkes grenzen. Die Gliederung des Gebäudes in die Hauptbühne untergebracht werden könnte, ohne dass die Wände oder der
Eintrittsräume, den Zuschauerraum und den Bühnenteil ist durch die äussere Rollenboden berührt würden, so hat man einen Maassstab für die Grössen-
Gestaltung der Facaden und die bewegte Dachentwickelung klar zum Ausdrucke Verhältnisse des Bühnenhauses. Die Bühne ist selbstverständlich mit den neuesten
gebracht. Der Schöpfer des figuralen Schmuckes der vorderen und seitlichen Einrichtungen versehen. — Das Bühnenhaus ist vom Zuschauerraum vollkommen
Facaden ist der Wiener Bildhauer Ernst Hegenbarth, die Giebelfüllung am Kaiser feuersicher abgetrennt; weitgehende Einrichtungen für den Feuersicherungs-
Josef-Platze ist ein Werk des Grazer Bildhauers Professor Hanns Brandstetter. dienst sind vorhanden. Das Theater ist ausschliesslich elektrisch beleuchtet, das
Die Attika des Vorbaues trägt an den abgerundeten Ecken zwei riesige Stein- feuergefährliche Leuchtgas wurde selbst für die Wasserwärmer und Brenneisen
gruppen und zwar links die „Ruhmverkündende Muse", rechts die „Bacchanten- der Künstlergarderoben vermieden und durch elektrische Apparate ersetzt. Die
gruppe". Das Thema des reizenden Giebelreliefs von Professor Brandstetter ist Heizungs- und Ventilationsanlage bedient sich verschiedener Systeme. Grosse,
folgendes: Apollo, von Vertretern der darstellenden Künste umgeben; rechts tunnelartige Luftkanäle bringen mit Hilfe eines Flügelrades, das elektrisch an-
Thespis mit seinem Karren, dann die Musen der Tragödie und Komödie, links getrieben wird, die Frischluft im Winter zu den grossen Caloriferes, im Sommer
das Preisstehen auf dem gefüllten und mit Oel bestrichenen Weinschlauch, wo- unmittelbar unter den Zuschauerraum, von wo dieselbe durch unzählige Oeff-
durch nach der Sage der Tanz erfunden wurde. Die figuralen Gruppen, sowie nungen ausströmt. AVer sich über die Einrichtung des Theaters noch ein-
der ganze Hauptrisalit und Porticus sind aus dem bei Leibnitz in Steiermark gehender unterrichten will, dem sei die von Ludwig Muhry verfasste, im
gebrochenen Aflenzer-Stein gefertigt, der Gebäudesockel aus Salla- und Grass- Verlage von Jos. A. Kienreich in Graz erschienene, sehr geschickt zusammen-
thalermarmor und die Stiegenstufen aus Granit, Istrianer- und Neustifterstein. gestellte „ Gedenkschrif t", empfohlen, der wir auch die für das Vorliegende
Betritt man das Haus durch die gedeckte Unterfahrt, oder die zunächst liegenden nötigen Angaben entnommen haben. — Die Gesamtleitung des Theaters wurde
seitlichen Eingänge, so gelangt man in eine geräumige Vorhalle mit den Abend- dem Berliner Hofschauspieler Otto Purschian übertragen, der in der Reichs-
kassen und dann in die Stiegenhalle, welche in dieser Ausdehnung und reichen hauptstadt als darstellender Künstler sich des besten Rufes erfreute und in der
Ausstattung wenige Stadttheater aufweisen dürften. Die Wandelgänge, welche kurzen Zeit seiner bisherigen Direktionsthätigkeit bereits das Vertrauen seiner
im Erdgeschoss und I. Stock das Stiegenhaus umgeben, sind durch weite Bogen- Künstler und der Grazer Kunstfreunde gewonnen hat. Die kunstsinnigen Grazer
Stellungen mit der Halle verbunden und bieten mit dieser ein Bild schöner hoffen mit Zuversicht, dass unter seiner Leitung die dramatische Kunst in
Gliederung mit reizenden Durchblicken. Eine Marmortreppe, deren Balustraden dem neuen prächtigen Hause eine würdige Pflegestätte finden werde. A. v. R.

XIV. 8. III.
 
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