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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 14.1900

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12. Heft
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https://doi.org/10.11588/diglit.22226#0309

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Cai>l (DiUöchei".

Carl Millöcker, einer der populärsten und beliebtesten
deutschen Komponisten, ist am 31. Dezember v. J. in
Baden bei Wien einem Schlaganfall erlegen. Er bildete
mit dem vor 2 Jahren gestorbenen Franz von Suppe
und dem zu Anfang des vergangenen Jahres dahin-
gegangenen Johann Strauss das Komponisten-Trifolium,
welches es verstand, der Wiener Operette neben der
französischen eine ebenbürtige Stellung zu erringen.
Im 58. Jahre ist er der Kunst entrissen worden, und es
ist ihm nicht mehr beschieden gewesen, seinen Lieb-
lingswunsch, den von ihm komponierten „Bettelstudent"
in den Reihen der Hofoper in Wien zu scenieren, erfüllt
zu sehen.

Millöcker war ein self-made-man im besten Sinne
des Wortes. Sein Vater war ein armer Goldarbeiter
und bestimmte den Sohn für denselben Beruf; da der
Jüngling aber schon frühzeitig grosse Vorliebe und
Begabung für die Musik zeigte, gab er endlich dem
Drängen seines Carl nach und liess ihn in die Flöten-
schule des WTiener Konservatoriums eintreten. Der
junge Millöcker absolvierte diese Schule mit grossem
Erfolg und fand ein, allerdings sehr bescheidenes,
Engagement im Orchester des Josefstädter Theaters in
Wien. Sein erster Kapellmeister war kein Geringerer
als Franz von Suppe, der sich damals schon einen
guten Namen gemacht hatte, und — die Begabung seines
Flötisten erkennend — ihm mit seinem grossen Einfluss
r Erlangung der Kapellmeisterstelle am Stadttheater
Graz behilflich war. Millöcker war seinem damaligen
Gönner und späteren Kollegen Suppe dafür erkenntlich
bis an sein Lebensende und eine herzliche Freundschaft
verband diese zwei einander so ganz entgegengesetzten
Naturen. Und diese Freundschaft wurde nie getrübt,
auch zu jener Zeit nicht, wo die Beiden gewissermaassen
Rivalen waren, auch in jenen Augenblicken nicht, wo
dem einen Erfolge lachten, während der andere im
Unglück war.

Rastlos arbeitete Millöcker weiter. Er musste wieder
auf die Wanderschaft gehen, weil sein Direktor Strompfer,
der das Theater an der Wien leitete und Millöcker als
Kapellmeister engagiert hatte, ihn für vollkommen —
talentlos erklärte und entliess. Er kam dann wieder
nach Wien zurück, zuerst an das kleine, heute als

Carl Millöcker.

_ j_

Tingel-Tangel bestehende „Harmonie-Theater", endlich,
1869, an das Theater an der Wien, der Stätte seiner
grossen Triumphe. Allerdings dauerte es noch geraume
Zeit, bis sich der Komponist allgemeine, unbestrittene
Anerkennung erringen konnte Wohl gefielen seine
Kompositionen sehr, seine Couplets waren ungemein
populär und wurden überall gesungen, gar viele Possen
verdankten ihren Erfolg zum grössten Teile seiner
Musik, aber das konnte seinen Ehrgeiz nicht befriedigen,
er wollte in einer Linie stehen mit Offenbach, dem
Begründer der Operette, mit Franz von SuppcS, mit
Johann Strauss, dessen Werke im Theater an der Wien

das Licht der Welt erblickten. Neidlos erkannte er die
Bedeutung von Johann Strauss und setzte sein volles
Können ein, um den Werken des Meisters die glänzendste
Aufführung zu Teil werden zu lassen. Strauss freilich
hat das nie anerkannt, zu seinen zahlreichen kleinlichen
Zügen gehörte auch der Neid, er gönnte keinem anderen
Komponisten einen Erfolg.

Uebrigens konnte Millöcker mit seinen Erfolgen
ganz zufrieden sein, denn nicht nur seine Couplets (vor
allen zur Posse „Drei Paar Schuhe"), sondern auch
seine Operetten „Apajune", „Jungfrau von Belleville",
„Gräfin Dubarry", „Das verwunschene Schloss" hatten
allgemein gefallen, aber der „Grosse Wurf" war ihm
doch noch nicht gelungen, er stand doch noch nicht in
erster Reihe. Da erschien der „Bettelstudent" (1882)
und mit diesem einen Schlage war Millöcker am
Ziele seines Ehrgeizes angelangt; er stand nicht nur
in der Meinung der Kenner, sondern auch in den
Augen des Publikums in einer Reihe mit Offenbach,
Suppe und Strauss. Er schrieb dann noch in ziem-
lich rascher Folge „Gasparone", „Der Feldprediger",
„Der Vice - Admiral", „Die sieben Schwaben", „Der
arme Jonathan", „Der Probekuss" und gab mit „Das
Sonntagskind" seine letzte grössere Arbeit. Von da an
schrieb er nicht mehr für die Bühne, Vorwehen der
Krankheit machten sich geltend, er fühlte sich nicht
mehr frisch und kräftig genug, zudem fehlte es ihm
wohl auch an einem Libretto, das seinen Ansprüchen
genügt hätte, denn er hatte ein grosses Verständnis für
die Wirksamkeit der von ihm komponierten Bücher.
Darin unterschied er sich von Strauss, welcher alles
komponierte, was ihm seine Umgebung einredete. L.

5tapellauic des pampjers „peuischland".

Skizze von Friedr. Freih. von Dincklage.

Der mächtige Aufschwung, den, seit dem Neu-
erstehen des Deutschen Reiches, mit dem deutschen
Handel auch die deutsche Schiffahrt und mit der
Schiffahrt die Schiffbaukunst in unserem Vaterlande
genommen haben, gab auch dem Laien, dem Binnen-
länder, ein lebhaftes Interesse für alles, was auf dem
Wasser und am WTasser passiert. Aber wenn auch

Der Dampfer „Deutschland" nach seiner Fertigstellung.

XIV. 12. B.
 
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