Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift (14.1900)

^ JX . . ^ß* ,ß Staatsregierung, im Mai 1895 der Stadt käuflich über- ob sie ihn heiraten wolle, und als sie schüchtern zu

gy&£> ltCttC (§©£tlföt(lCV ^Kftll)CtU£>. lassen. Damit war ein Baugrund in ihren Besitz gelangt, Boden sah und sagte: „Ich kann backen, kochen, nähen,

" der, geschichtlicher Boden und reich an geschichtlichen reinmachen und scheuern." Noch heute bäckt, näht
Am 19. September 1899, im 26. Jahre der Regierung Erinnerungen wie der Marktplatz, dazu nur wenig von und scheuert die erste Frau in Transvaal. Wenn der
Seiner Majestät des Königs Albert, ist an der Stelle, wo ihm entfernt und ebenso günstig gelegen wie er, einen Präsident zu Hause ist, kann man sie jeden Morgen
noch vor wenigen Tagen die Mauerreste der Bastei der ausreichenden und geeigneten Bauplatz für das neue um 6 Uhr sich über einen kleinen Küchenofen beugen
Pleissenburg gestanden haben, der Grundstein zu einem Rathaus zu bieten schien. Im November 1895 wurde sehen, um ihrem Gemahl seinen Morgenkaffee zu be-
neuen Rathause der Stadt Leipzig gelegt worden. Zu der Beschluss gefasst, das Rathaus auf dem Grund und reiten. Wenn Frau Krüger ihren Pflichten für den
einem lange erwogenen und lange vorbereiteten Werke Boden der Pleissenburg zu errichten, ein Jahr später Haushalt nachgekommen ist, zieht sie ein schwarzes
ist, so heisst es in der in den Grundstein gelegten auf Antrag der Stadtverordneten zur Gewinnung von Alpaccakleid an, setzt sich gemütlich in ihr kleines
Urkunde, damit der erste Schritt gethan. Das alte Rat- Bauplänen ein Wettbewerb unter den deutschen Archi- Wohnzimmer und stopft Strümpfe. Jedes Kleid, das
haus am Markte, von Hieronymus Lotter an Stelle tekten ausgeschrieben, und im Juni 1897, nachdem in- sie trägt oder in den letzten Jahren getragen hat, ist
eines älteren 1556 erbaut, in einer Zeit wachsenden zwischen die Pleissenburg geräumt und mit ihrem Ab- von ihr selbst angefertigt. Die Frau des Präsidenten
Wohlstandes der damals kleinen Handels- und Mess- brach begonnen worden war, von einundfünfzig ein- der südafrikanischen Republik hat niemals mehr als
Stadt, genügte schon im 18. Jahrhundert nicht mehr: gesandten Entwürfen der des Leipziger Stadtbaurats drei Kleider auf einmal gehabt und alle sind schwarz,
als die Folgen des dreissigj ährigen Krieges überwunden Hugo Licht — der dritte, den er im Laufe von acht- Sie begnügt sich auch mit zwei Hüten, welche wie
waren und Handel und Messen der Stadt sich zu neuer zehn Jahren bearbeitet hatte — mit dem ersten Preise die Kleider von ihr selbst garniert werden. Der nur
Blüte entfalteten, wurde daran gedacht, das Rathaus um gekrönt. So soll sich nun das neue Rathaus erheben für besondere Gelegenheiten reservierte Hut, der bei
ein Stockwerk zu erhöhen. Doch unterblieb das, und an der Stelle, wo über drei Jahrhunderte die Pleissen- Besuchen oder beim Kirchengang mit dem Präsidenten
man hat sich noch weitere anderthalb Jahrhunderte mit bürg gestanden hat. Der gewaltige Turm, das alte benutzt wird, ist in Pretoria ebenso bekannt wie Ohm
seinen bescheidenen Räumen beholfen. Aus derselben Wahr- ______ zeichen der Stadt, soll Pauls unveränderlicher Cylinder. Einer ihrer vielen

Ratsstube, aus der die Ratsherren 1631 und 1642, 1706 ---"~ " in den Neubau ein- guten Charakterzüge ist ihre Liebe zu Tieren. Sie beklagt

und 1745 hinausgegangen waren, um mit Tilly und gefügt werden die Mode, Vögel oder Federn zum weiblichen Kopfputz zu

Torstenson, mit Karl dem Zwölften und Leopold von j x. und so gleich- tragen, und hat sich niemals einer solchen Unsitte schuldig

Anhalt-Dessau zu unterhandeln, sind sie noch 1813 nach / W \. sam ein Bin- gemacht. Als für ihren Gatten ein Standbild errichtet

der Völkerschlacht den einziehenden verbündeten / ' /"» \ deglied bil- werden sollte, besuchte der Bildhauer Frau Krüger, um

Fürsten entgegen gegangen; aus denselben vergit- Jh| \ den zwi- ihre Meinung über die Entwürfe einzuholen. Die Zeich-

terten Fenstern, aus denen man dem geschlagenen / A'jfffi \ sehen Illingen stellten den Präsidenten in seinem Alltags-

1 ranzosenkaiser bei seinem Flüchtritt über den / fiSK—EI \ anzug mit dem unvermeid-

Marktplatz nachgeblickt hatte, hat man noch 18/1 / ; raSflnannti \ liehen ( vlinder dar. Be-

scheiden bat Frau Krüger
darum, dass der Hut oben
ausgehöhlt würde, so dass
die Vögel daraus trinken
könnten, wenn es regnete.
Dieser Wunsch wurde er-
füllt, und wenn es in Trans-
vaal regnet, sieht man einen
kleinen Schwärm Vögel um
den Hut des Krüger-Stand-
bildes flattern, aus der
Höhlung trinken und sich
in dem Wasser baden.

die aus dem französischen Feldzuge heimkehre
den sächsischen Truppen
begrüsst; auf demselben
schmalen Balkon, auf dem in
früheren Zeiten der Landes-
herr die Huldigung der auf
dem Markte versammelten
Bürgerschaft empfing, ist
noch am 18. August 1888
nach der Enthüllung des
Siegesdenkmals unserm ge-
liebten König Albert und an
seiner Seite dem General-
feldmarschall Moltke zu-
gejubelt worden. Endlich

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ren war die Stadt und ihre ffffWaC^EW^B'"*'"' .....'™" """ pf*■wSSSlr'^ff^ Die Antikenabteilung des

Bevölkerung so gewachsen, 'S-'fä :;' mIH—I—B—fiBE—fflB—fi—I—ESm I-ouvre-Museums hat, dem

Gesehmacke der modernen
Kunst Rechnung tragend,
unter der Treppe Daru eine
Kollektion antiker kolorierter
Plastiken aufgestellt, welche
das Interesse und die Kritik
der Pariser Kunstkenner
vielfach in Anspruch nehmen.
Die bedeutendsten Stücke
sind die drei grossen Statuen

dass das alte Rathaus für die
mannigfaltigen Zweige der

städtischen Verwaltung
immer weniger ausreichte,
und da es auch baufällig zu
werden und nur noch kurze
Dauer zu versprechen schien,
beschloss der Rat 1877, ein

Jahr nach dem Amtsantritt oas neue Leipziger Rathaus. Nach den Plänen des Stadtbaurats Hugo Licht in Leipzig,
des Oberbürgermeisters, Dr.

Otto Georgi, ein neues Rathaus zu erbauen, und der 1879 der alten und der neuen Zeit, dem alten und dem neuen der Barbaren, deren Figuren
neu berufene Baudirektor der Stadt, Hugo Licht, ent- Räume. — Arx nova surgit — so stand als Kennzeichen in weissem Marmor, deren
warf die Pläne dazu, die sich auf den gesamten Grund auf dem preisgekrönten Plane, und eine neue Burg soll Kleider in rotem Marmor bei den zwei aufrecht stehen-
und Boden zwischen dem Markt und der Reichsstrasse hier erstehen, aber nicht eine Schutzwehr gegen äussere den Gestalten, in schwarzem, dunkelgrün gestreiftem
erstreckten, der von 1874 ab in den Besitz der Stadt- Feinde, deren es nicht mehr bedarf und, so Gott will, Marmor bei der dritten sitzenden Figur ausgeführt sind,
gemeinde gebracht worden war. Zweimal hat er sich nie wieder bedürfen wird in dem geeinten deutschen Leider ist aber das meiste an diesen Statuen, nämlich
dieser Aufgabe unterzogen; zuerst 1881, dann nochmals Vaterlande, unter dem mächtigen Schutze eines deutschen Arme, Beine und ein Kopf moderne Rekonstruktion.
1839. Nach dem ersten Plane sollte das alte Rathaus Kaisers. Dasselbe gilt von der römischen Minerva, deren ver-
abgebrochen und zwischen Markt und Reichsstrasse ein goldeter Bronzekopf durchaus moderne römische Arbeit
grosser Neubau errichtet, nach dem zweiten das alte ist. Bei einer anderen Minerva und zwei Kamillas ver-
Rathaus erhalten und in Verbindung mit ihm ein Neu- Tctflto" KrÜSfGI*. blüffen die wundervoll ausgeführten Gewandungen in
bau zwischen Reichsstrasse und Naschmarkt aufgeführt " orientalischem Alabaster und hellfarbigem Marmor,
werden. Beide Pläne fanden nicht die Zustimmung der Von der Gemahlin Ohm Pauls, des vielgenannten denen im 17. und 18. Jahrhundert Köpfe, Arme und
Stadtverordneten. Das Bedürfnis nach einem neuen Rat- Burenpräsidenten, entwirft ein englisches Blatt folgende Beine aus Bronze angesetzt wurden. Eine der merk-
hause wuchs aber unaufhaltsam und mit verdoppelter Schilderung: Frau Krüger ist die Verkörperung häus- würdigsten Figuren unter diesen Neuerwerbungen des
Schnelligkeit, als in den Jahren 1889 bis 1892 siebzehn liehen Wesens. In ihrem Aeusseren, ihrer Haltung Louvre ist der „alte afrikanische Fischer", eine in der
Vororte mit der Stadt verschmolzen wurden, so dass und ihrer Rede ist sie so anspruchslos wie die Frau Detailarbeit des Geäders und der Muskulatur geradezu
es zweifelhaft wurde, ob der gewählte Platz auch aus- eines Farmers in Lincolnshire; sie ist auch ebenso virtuos durchgeführte Figur in schwarzem Marmor. Die
reichen würde, und man, wenn auch ungern und mit sparsam und mässig. Ohm Paul ist Besitzer eines Figur, der die Beine abgebrochen sind, hiess früher
Widerstreben, daran denken musste, den alten geschieht- grossen Vermögens, und dass er dieses hat zusammen- Seneca, und ein Künstler der Renaissance hatte die
liehen Boden zu verlassen und sich nach einem andern bringen können, verdankt er vor allen Dingen der Frau, geistreiche Idee, diese Statue in ein Becken von violettem
Bauplatz umzusehen. Um diese Zeit ging unverhofft die fast ein halbes Jahrhundert für ihn gesorgt, gestrebt Marmor zu setzen, als ob sie bis über die Hälfte der
ein Wunsch in Erfüllung, den die Stadt ebenso lange und gespart hat. Ohm Paul war Farmer, Schäfer, Beine im Bade sässe. Im Louvre hat man aus dem
gehegt hatte, wie den nach einem neuen Rathause: die Soldat, Geistlicher, Gesandter und Präsident, und in falschen Seneca wieder den richtigen Afrikaner gemacht.
Pleissenburg, auch von Hieronymus Lotter von jeder Phase dieser wandlungsreichen Laufbahn hat Im ganzen beklagt aber die Kunstkritik, dass die phan-
1549 bis 1567 an Stelle einer älteren Burg erbaut, der „Tante" Krüger unbedingten Glauben an ihren Gatten tastische Restauration in dieser Sammlung das echte
letzte Rest der ehemaligen Stadtbefestigung, den die gehabt und ihm stets eine Bewunderung entgegen- Material überwuchert. Es sei ja nicht zu verlangen,
Stadtgemeinde schon zu Anfang der siebziger Jahre in gebracht, die fast etwas Pathetisches hat. Paul Krüger dass nur unkenntliche Rümpfe aufgestellt werden, aber
ihren Besitz zu bringen versucht hatte, wurde, dank ist heute nach ihrer Meinung der grösste Mann, den es durch das Ueberwiegen einer oft willkürlichen Restau-
einem hochherzigen Entschlüsse Seiner Majestät des giebt. Der strebsame, ehrgeizige Farmer fand einen rierung gehe doch ein grosser Teil des Kunstwertes
Königs und dem Entgegenkommen der Königlichen Schatz, als er das sanfte, blauäugige Mädchen fragte, verloren, . .

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