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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 14.1900

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3. Heft
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Noël, A.: An fremdem Feuer: Novelle von A. Noël
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https://doi.org/10.11588/diglit.22226#0044

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4o

MODERNE KUNST.

jfcn fremdem feuer.

„Soll das ein Stich sein auf meine
Frostigkeit? In diesem alten Schloss mit
den dicken Mauern müsste man eigentlich
den ganzen Sommer über heizen."

Novelle von A. Noel. ^Sl'^t »S'e beben es nicht, dieses feudale

— -— tfjfiirffljn%:1 Kastell, das Ihr Onkel Ihnen hinterliess?"

f[Nachdruck verboten.] „Oh doch! Ich liebe es sehr! Aber

urch hohe, bis zum Boden reichende 1j^HBP^fei^.-; es war doch ein rechtes Malheur, dass

Glasthüren und über die Stein- ich es erben musste. Denn warum zog

balustrade der Veranda hinweg sah man ijf ich mich nach dem winterlichen Gross-

die Kronen der Parkbäume, gelichtet zwar, % " ' * '< stadttreiben gern mit Gerda hierher zurück?

aber immer noch reich an Blätterschmuck, |l Ich hoffte, hier den Sommer in voll-

nur nicht an grünem. In allen Abstufungen lUj ständiger Einsamkeit verleben zu können."

von gelb, bronze, rötlich, rot und rotbraun ' „Hm!" räusperte sich der Baron,

glänzten die Blätter, bunt und farbensatt. ..w' „V ■ „Ja wohl!" fuhr die schöne Frau

Die geschützte Lage des Parks und die ~^BBB^ eifrig fort: „Auf Einsamkeit hoffte ich.

auffallende Windstille der letzten sonnig Gerda war ein bischen angegriffen —

schönen Herbsttage verlängerte ihnen das jjgj^^^^ppBBp \ vom Tanzen und ich ..."

Leben, aber, von der langen Sommerglut „Von der Ballmutterschaft?"

ausgetrocknet, hingen sie nur mehr so . „Mehr von der Angst ... Ich hatte

lose an den Zweigen, dass es bloss eines l|siP§PSl^^ grosse Sorge ausgestanden, dass man mir

einzigen Luftstosses bedürfte, um sie los- Warn -~- > ' mein Kind zu früh entführen könne . . .

zureissen und raschelnd zu Boden fallen Drum wünschte ich diesen Sommer mit

zu lassen. raEgH ' ,^i> * ihr irgendwo zu verbringen, wo es keine

Noch schien indessen die Herbstsonne, S»?^ ' ffiaLBÜL' Männer gäbe. . ." — Und siehe, das

das fahle Laub goldig durchleuchtend. ^«hL*."* Schloss hat einen Nachbar, und der Nachbar

Sie schien auch auf die Köpfe des jjfjl k' - hat einen Neffen . . . Statt dem Fatum

jungen Paares, das an einander geschmiegt 1 ,'V, zu entrinnen, rannte ich ihm in den auf-

von der Steinveranda auf den herbstlichen gesperrten Rachen ..."

Park blickte, und derselbe Strahl ver- / „Bleibt Ihnen Gerda denn nicht nahe?

goldete den hellbraunen Haarknoten des ^B^^HhK^.? ' Behalten Sie sie nicht?"

jungen Mädchens im blasslavendelblauen „Was behalte ich? In dem Herzen,

Kleid wie das strohblonde Haar des ^^/"/.-/,»v-'fc.*t 'j'i wo ich sonst allein thronte, herrscht nun

jungen Mannes. ^^^^H^n' 'jßmr ein anderer, und ich muss zufrieden sein,

Hinter den Glasthüren dehnte sich ■ sk. . wenn mir als Ausgedingein Eckchen bleibt."

diellalle, hoch, mit altem dunklem Ge- „Natürlicher Lauf der Dinge! Flügge

täfel an der Decke und den Wänden. Ein IP?F#%" * Vögel sind im Nest nicht zu halten!"

mächtiges Holzfeuer, das unter der grauen *\ ,vj • j l „Aber Gerda ist erst neunzehn . . .

Marmorplatte des Kamins brannte, erfreute ;' Sie hätte Zeit."

mit seinen hochauflodernden Flammen, J § »Wie Hans mit seinen vierundzwan-

die innen ebenso, wie das Leuchten des , zig. Doch wenn ich recht hörte, waren

feurig-erglühten Laubes das junge Paar Sie selbst nicht so viel älter, als Sie Herrn

draussen. & Dahlmann die Hand reichten. . . . Und

Sie war in.eh nicht alt, die Frau, die B\ Jk9m -' > 7 bedauern Sie es wirklich so sehr, dass

in dem tiefen weichen Lehnstuhl am Feuer unsere Kinder sich fanden?"

sass und nachdenklich in die Glut starrte. W^^^W^K Der Baron beugte sich vor, um

Sie war noch nicht alt, und sie war sehr W ! US seinem Gegenüber forschend ins Gesicht

schön. Braun das Haar, reif die Gestalt, BH^P^ Ä W zu blicken: „Die Kinder sind so glück-

weiss die Hand, das Auge mild. Sie Ä-*- N\" % Hch Gönnen Sie es ihnen doch!

hatte durch die Jahre an Schönheit der Was giebt es Schöneres als den goldenen

Form nichts verloren, aber an Ausdruck Schein einer jungen Liebe, die rein und

gewonnen durch reiches Innenleben, und hoffnungsvoll ist?"

in ihren Zügen wrweih.- noch dir Aiinuu «fc-i1 * »sie mussen viel geliebt haben, Ba-
des Frühlings, um den vollen Reiz des ^SjJF r°n! Sie sprechen darüber wie ein Pro-
gehend, manchmal auf-la-1;..i.lr.^lr;.u..... .^^^^ „Nie begonnen," murmelte die schöne

blickte, war noch nicht alt. Wenn auch "BjW ^^j^pMfe^^^^^^jk^^^MS^^A - >i* »Sie erfüllten nur diese eine Neigung,

das Feuer seines Blicks gedämpft und ^^^((BB^*'""'^'^ die zu dem Kind, das nicht einmal das

vertieft war und bereits ein winterlicher ~ Ihrige ist?"

Reif sein Haar gestreift hatte, strammer cr^Cc^ cfclHC fBodin0, ""^S/^i? „Reden Sie nicht gering von diesem
konnte er sich auch vor zwanzig Jahren Gefühl! Sie können nicht ahnen, was
nicht gehalten haben, sein Gang konnte " [Nachdruck verboten.] mir Gerda gewesen ist. Aufgewachsen
nie elastischer gewesen sein. (#>Jas be(iarf kaum der Erklärung. Eine majestätische Gestalt, als geschwisterloses Kind eines alten
„Dass ihr nicht kalt ist!" klagte die c«t£) welche ganz den Titel des letzten Zugstückes der Porte-Saint- Mannes, unter der Hut einer Stiefmutter,
schöne Frau: „Sehen Sie, Baron Rüdiger! Martin „Plusque Reine", — mehr als Königin — ausdrückt, spricht die Sie sich am besten als mein voll-
Im blossen Kleid steht sie draussen ... für sjCh selbst. Frau Jane Hading ist eine der ersten Charakter- kommenes Widerspiel vorstellen."
Gerda!" darstellerinnen der Pariser Bühnen. Als Kaiserin Josephine ver- °h> wie abscheulich muss die ge-
lassen Sie sie doch!" wehrte der körpert sie auch deren Liebenswürdigkeit und Freundlichkeit, durch wesen sein!" rief der Baron mit schalk"
Mann lächelnd, während er in seiner,. welchß ^ Herzen bezauberte. Freüich trägt sie dabei Aftern Lächeln.

Spaziergang innehielt, „die Sonne bc- . ... . ,, , „ , , , ... „Sie war es in der That so sehr,

v 00 auch ein reiches, orientalisch seinsollendes Gewand, welches nicht , . , ,. ... ,. • T , ...

scheint sie ja." dass ich die trübseligste Jugend verlebte

_. _ „ . , .... c, •... „, . , ganz der Geschichte, aber um so mehr dem Tagesgeschmack ent- ■ . , .... ,

„Die Sonne? Ach Gott! SpateOktobcr- 6 ' & & und die Heirat mit dem alteren Mann, der

sonne! Matt und zahm!" spricht und ihrer ganzen Haltung gar sehr angepasst ist. Die Pariser mir mehr väter]icher Freund als Gatte

„Und wäre sie noch matter! Wem's Schauspielerinnen verdanken bekanntlich zumeist ihre Erfolge dem war, im Licht einer Erlösung betrachtete,

im Herzen glüht, der braucht sich nicht Chic, mit dem sie ihre Kleider zu tragen und der jedesmaligen Rolle Und da fand ich nun in seinem Heim

an

fremdem Feuer zu erwärmen." anzupassen wissen. ff. Kuhn, Paris das Kind, heiter und rosig wie ein Engel,
 
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