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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 14.1900

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3. Heft
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Vor der Parforcejagd
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Unsere Bilder, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.22226#0048

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44

Wo* der Äa^fo^ceiagd.

[Nachdruck verboten.]

port!" Erst wenige Jahrzehnte sind verflossen, seit das englische ungebahnten Wegen dem „Hirschen" oder dem Keiler. Die „Jagd zu Ross" —
Wort in die deutsche Sprache aufgenommen, seit der Aus- das „Froh Gejaid der alten Zeit" — ist aber auch heute noch der anregendste
druck auch bei uns zu einem bestimmten Begriffe wurde — — freilich aber auch der kostspieligste aller Sportzweige. Ja, wer sieht sie
in allen Schichten des Volkes. Und doch übte man den Sport nicht mit Freuden hinausreiten, die Rotröcke und die schönen, kühnen Frauen auf
auf dem Kontinent, lange bevor die Britten überall in sport- feurigen Rossen — zum Rendezvous, fern auf weiter Heide oder am Waldessaume!
licher Beziehung als bahnbrechend und maassgebend beträchtet wurden, lange Ein einsames Bauerndorf auf der Ebene von Pardubitz in Böhmen ist auf
bevor der Sportbegriff volkstümlich, der englische Ausdruck ein Sammelname unserem Bilde als Sammelplatz gewählt für die Bevorzugten, die zu Pferde, im
wurde für alle die Uebungen, die Spiele und Kunstfertigkeiten, in denen die Viererzuge oder Selbstkutschierwagen herankamen von den fernen Schlössern,
Gewandtheit des Körpers entwickelt, der Mut gestählt oder die Entschlossen- wie aus den Garnisonstädten des Bezirks, der Einladung des Jagdherrn, eines
heit geprüft wird. Der Sport ist heute zum Eigentum des Volkes geworden Magnaten, folgend. Da harrt schon die Meute mit Ungeduld des Augenblickes —
und in ' dem Sinne so neu, wie seine Bezeichnung. In der Turnhalle, wie in dem die Pikeure in goldbeschnürten roten Röcken sie anlegen werden an die
auf dem Tennisplatze, im Golfspiele wie auf der Rad-Rennbahn, beim Tauben- Fährte des Hirsches oder in welchem die freie Suche nach dem Fuchse ihren
schiessen wie in der Schwimmschule, im Raceboot wie im hochgetakelten Anfang nehmen wird. Aber noch straft die lange Peitsche den Uebertreter der
Kutter — überall tritt der Sportbegriff hervor und gewiss nicht zum Nach- andressierten Ordnung, der etwa seine Ungeduld in einem hellen Geläut Aus-
teile — eben für das Volk und seine Entwickelung. Niemand ist heutzutage druck zu geben wagt.

zu arm, um nicht in irgend einem Sportzweige seine Kräfte darlegen oder doch Noch fehlt ein Teil der Gäste — eben erst trifft der fürstliche Jagdherr ein

seinen Sportinteressen als Zuschauer nachgeben zu dürfen. Und doch ent- und erhält vom „Master", einem Husarenrittmeister, die erforderlichen Mitteilungen,

stammt der deutsche „Sport" den ältesten Zeiten, ging aus echt ritterlichem Brauch während ein galanter Kavalier die Prinzess vom Wagen hebt und an das wartende,

hervor. Schon im Mittelalter waren die Jagden der Hochstehenden durch Inne- edele Pferd geleitet.

haltung strenger Etikette und hohe Anforderungen an die Gewandtheit der Ein Ulanenleutnant aber — nein, forschen wir nicht nach, was er dem

Jäger und Jägerinnen zu einem Sport im edelsten Sinne des Wortes geworden, schönen Komtesscheh da zuflüstert. Ulanen — die können gefährlich werden! —

denn damals, wie heute noch folgten die ritterlichen Jäger auf edlen Rossen und Und nun — zu Pferde! — „Horido!" F. v. D.-C.

—a/vVv*—

t^. Thiel hat in seinem Bilde „Die Velasquez-Kopistin in der Bilder- hunderts war unstreitig Joseph Fraunhofer. Er kam 1801 nach München in die
galerie" eine amüsante Wahrnehmung, die jeder scharf zusehende Besucher Hof-Glasschleiferei von Weichselberger als Lehrling und damals hatte er sich
der Gemäldegalerieen immer wieder aufs neue machen kann, in humoristischer bereits im Kopfe den Plan für eine Maschine zur exakten Bearbeitung mathema-
Weise zur Anschauung gebracht. — Sie kopiert einen Velasquez; sie hat sich tischer Linsen zurechtgelegt. Diese wäre wohl in aller Ewigkeit unausgeführt
so tief in die Empfindung des spanischen Meisters versenkt, der wie kein anderer geblieben, hätte nicht, wie schon so oft, auch hier der Zufall die Rolle der Vor-
dem Nationalstolz der Spanier künstlerischen Ausdruck verliehen hat, dass die sehung gespielt. Das Haus seines Lehrherrn stürzte ein und der aus den Trüm-
Kunst des Velasquez ihr nicht nur „in die Haare gefahren" ist, sondern auch mern hervorgezogene Fraunhofer erregte die Aufmerksamkeit des gütigen Kur-
der Kragen hat sich der spanischen Mode unterwerfen müssen; ja sogar die fürsten Max Joseph von Bayern, der ihm 18 Dukaten schenkte. Mit dieser Summe
ganze Gestalt, die sich in ihrer zerbrechlichen Zierlichkeit allerdings gut dazu stellte Fraunhofer seine Maschine her und oblag nebenbei mathematischen und
eignet, hat spanische Haltung, kastilianischen Chic angenommen. So trägt sie physikalischen Studien. Das Geld zu seinem Unterhalt erwarb er sich durch
zur Erheiterung ihrer Kunstgenossen und -Genossinnen durch ihre Kopierkunst Gravierarbeiten in Metall. Im Jahre 1809 gründete er mit Reichenbach und
viel bei. — Hoffen wir, dass sie sich nicht einmal an ein Bild des Peter Paul Utzschneider zu Benediktbeuren ein optisches Institut, welches in Zukunft das
Rubens wagt. Denn es dürfte ihr doch schwer fallen mit ihrer edlen Körper- erste der Welt wurde und aus dem die Linsen und Spiegel zu fast allen
lichkeit das Frauenideal des grossen vlämischen Malers zu kopieren. grösseren astronomischen Fernrohren der Welt lange Zeit hindurch hervorgingen.

#* ... * Inmitten seiner optischen Arbeiten stellt ihn unser Bild dar. Hinter seinem Spektro-

peerwerfer. Die antiken gymnastischen Uebungen waren bekanntlich meter, mit dem er die Gesetze der prismatischen Ablenkung studierte, steht

in eine systematische Verbindung gebracht. Dieselbe bestand aus fünf Kampf- Fraunhofer selbst, links von ihm sitzt Geheimrat v. Utzschneider, sein Kompagnon

arten: Springen, Schnelllaufen, Diskuswerfen, Speerwerfen und Ringen. Nur und später Bürgermeister von München, während der Mechaniker Reichenbach

das glückliche Durchkämpfen durch alle diese fünf Kampfarten berechtigte zum in das Fernrohr blickt. Der junge Mann im Hintergrund ist Georg Merz, der

Siege. Es treten zunächst alle, welche als Mitkämpfer sich beteiligen wollen, nachmals die optische Anstalt Fraunhofers übernahm und würdig weiter führte,
in den Sprung. Die Sieger im Springen und einige, die ihm nahe gekommen * .,. :|:

waren, schreiten dann zum Speerwurf. Die vier Besten bleiben dann für den <£§s,- Winck- „Ein Liebesopfer". Der Abend senkt sich hernieder.

Wettlauf übrig. Die drei Besten im Wettlaufen dürfen an dem Wurf mit der Zwei Freundinnen sind in den heiligen Hain getreten, um auf den Altar nieder-

Diskusscheibe teilnehmen, von denen der am wenigsten Gewandte dann zurück- zulegen, was ihnen aus der Zeit der Kindheit teuer ist. Viele Sachen, die ihnen

treten muss, so dass für das Ringen nur zwei übrig bleiben, von denen nur zu Spiel und Kurzweil gedient haben, sind den Flammen überliefert worden,

einer als Sieger hervorgehen kann und dieser erhält den Preis. M. Krusernark jetzt streuen sie duftende Blumen und Blätter der Gottheit, flehend, dass auf

hat in seinem Gemälde, das auf der Grossen Berliner Kunstausstellung 1899 die den neuen Lebenswegen das Glück nicht fehle, die Götter ihnen Rosen streuen

Blicke der Beschauer auf sich zog, den Speerwurf veranschaulicht. Die drei mögen. Sind es doch nur noch wenige Tage und sie ziehen hinaus aus dem

Speerwerfer sind äusserst geschickt gruppiert; die Aufmerksamkeit, mit der alle elterlichen Hause dem Gatten folgend, der sie erwählte; — heisses Flehen ent-

nach dem Ziele blicken, ist sehr sicher zum Ausdrucke gelangt. Der im Vorder- ringt sich ihrem Munde:

gründe stehende Jüngling, der zum Wurfe ausholt, ist prächtig gezeichnet. Mit „Die Ihr Felsen bewohnt, o heilsame Nymphen,

Glück hat der Künstler einen Augenblick der äusseren Ruhe im Bilde fest- Gebet jeglichem gern, was er im Stillen begehrt!"

gehalten, während doch alle Figuren sich in stärkster innerer Bewegung, in * .i: *

lebhaftester Spannung befinden. Äas grosse figurenreiche Bild „Bärenführer in einem slovenischen

#* * Dorfe" von Hipolit Lipinskie verdient aus verschiedenen Gründen genaueste
. Chialivas Bild „Abenddämmerung" gehört zu jenen Kunstwerken, Betrachtung; es lässt einen ethnographisch höchst interessanten Blick thun in
deren Stimmungsgehalt unmittelbar auf das Gemüt des Beschauers wirkt. Leichte das Leben eines slovenischen Dorfes, dessen Bewohner durch eine ungewöhn-
Schatten umschweben bereits Baum und Strauch; ein weicher Hauch der Abend- liehe Erscheinung auf die Beine gebracht worden sind. Auf dem Dorfplatze am
luft weht durch das Laub; heimlich süss rauscht der Wald; nur von ferne Brunnen ist alles zusammengeströmt, um den Bärenführer zu sehen; die neu-
blinkt das letzte Abendrot durch die Aeste. Wie über die Natur, so senkt sich gierigen Zuschauer haben Brunnenrand, Wagen und Dächer bestiegen, um das
auch in das Herz des Menschen stiller seliger Gottesfrieden. Weihevolle Stirn- seltene Tier betrachten zu können, das in jenem Dörfchen weit grösseres Er-
mung erfüllt das Gemüt und die Hände falten sich unbewusst; in schweigender staunen hervorruft, als bei den Bewohnern unserer Städte, die einen Bären schon
Andacht giebt sich der Mensch dem Walten göttlicher Grösse und Herrlichkeit als Kinder im zoologischen Garten sehen. Das Bild lehrt den Beschauer die
hin, die sich auch im Waldesrauschen und Blätterdunkel offenbart. Bauart der slovenischen Häuser kennen und gewährt einen schönen Blick über

* :!. * eine weit ausgedehnte Gebirgslandschaft. Der Maler hat nicht nur die einzelnen
■35V. Wimmer. Fraunhofer erklärt seinen Freunden den Spektro- Volkstypen sehr geschickt ausgewählt, er hat sie auch alle mit grosser Gewandt-
meter. Der bedeutendste Optiker unseres nunmehr zu Ende gehenden Jahr- heit um einen Mittelpunkt gruppiert und in Beziehung zu einer Idee gesetzt.
 
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