Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 14.1900

DOI issue:
5. Heft
DOI article:
Misch, Robert: Der Adelsmensch, [4]: Roman
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.22226#0097

DWork-Logo
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
70 MODERNE KUNST.

©)er Ädelsmensch.

Roman von Robert Misch.

[Fortsetzung.]-- [Nachdruck verboten.]

s hatte nach der Verlobung Meinungskämpfe über
die Einrichtung von Metas neuem Heim gegeben,
die von dem Brautpaar mit Hartnäckigkeit ausge-
fochten wurden. Ernst weigerte sich, seine Möbel zu ver-
kaufen, die er von den Eltern ererbt hatte, da sie kostbar
und geschmackvoll, wenn auch vielleicht etwas altmodisch
seien. Meta hingegen wollte die Freude des Aussuchens
und Einkaufens nicht entbehren, musste sich aber schliess-
lich, da auch ihr Papa gegen sie war — er freute sich
diebisch, die Kosten zu sparen — den idealeren Gründen
ihres Bräutigams fügen, dessen Pietät von einer tiefen Em-
pfindung zeugte, die sie begreifen und nachfühlen konnte.

Heut entdeckte sie nun, dass ihr lieber Ernst auch
sonst recht gehabt. Ein bisschen spiessbürgerlich-alt-
modisch sah es ja aus, aber gediegen und kostbar —
nichts von der Schablonenhaftigkeit moderner Einrich-
tungen, denen man Tapezierer und Möbelmagazin beim Paul Meyerheim. Geflügelhändlerin.

ersten Blick anmerkt. Auf diesen breiten Divans Hess sich's gut ruf cn „Kaum wendet man mal drei, vier Wochen den Rücken — bums,

und über die grossen Fragen des Lebens nachdenken. steht alles auf dem Kopf! Als wenn sie keine Augen und keinen Ver-

Um die Richtigkeit dieser Voraussetzung auszuprobieren, schmiegte stand hätten! — Aber ich bin ja selbst schuld. Warum bin ich auch so
Meta sich in die weichen Polster und dehnte sich behaglich. Ein glück- lange auf Reisen gegangen?!"

liches Lächeln flog über ihre Züge. Es war doch recht hübsch, verheiratet Meta sah ihn vorwurfsvoll an und gab dem auch mit einigen sanften

zu sein, verheiratet mit einem klugen, guten, edlen, hochherzigen, vor- Worten Ausdruck. — Ihre schöne Reise, von der sie noch lange zehren
nehmen Manne. würde, die ihr eine Erinnerung fürs ganze Leben sei, die ihre Herzen

Wie hatte er bei der Verlobung im Ballsaal gesagt? und Geister so innig zusammengeführt — die bereute er jetzt?!

„Hand in Hand wollen wir den Weg aufwärts gehen in die reine Sie versuchte, Reiseerinnerungen herauf zu beschwören, ihm diese

Atmosphäre hoher Gesinnung. Die innere Befreiung, die Loslösung vom oder jene Stunde, manch trauliches Gespräch, manch herrliche Gegend
Materialismus soll unser Ziel sein, aus dem die wahre Liebe zur Mensch- ins Gedächtnis zurückzurufen.

heit entspringt." Er Hess sie aber ziemlich abfahren, antwortete nur zerstreut und

So hatte er gesprochen, der liebe, gute Mann — oder hatte sie selbst kam immer wieder auf seine Fabrik und die vorgefundene Unordnung

es gesagt? Nun, das war ja einerlei; es bedurfte ja auch der Worte zurück, bis sie verstimmt äusserte:

nicht; sie waren ohnedies eines Sinnes. „Das interessiert mich aber wirklich nicht, Ernst."

Als Ernst mittags nach Hause kam, machte er ein sehr verstimmtes Er blickte sie einen Augenblick erstaunt an, dann sagte er schroff,

Gesicht. Sie versuchte, ihn aufzuheitern, aber es gelang ihr nur schlecht. die Stirne runzelnd:

Er schimpfte furchtbar auf seine Leute. Im Kontor wie in der Fabrik sei „Eine Frau muss alles interessieren, was für ihren Mann von Inter-

alles drunter und drüber gegangen während seiner Abwesenheit. esse ist. Das ist eben von jetzt an Deine Welt."

Sie schwieg ganz bestürzt. So hatte er noch
nie zu ihr gesprochen. Auf der Reise hatte er
ihr immer so aufmerksam zugehört und sie nie
mit seinen Geschäftsbriefen gelangweilt, die man
ihm nachschickte.

Auch sonst hatte sie sich das erste Mittag-
essen im eigenen Heim ganz anders vorgestellt.
Die Köchin hatte nicht gerade ein Meisterwerk
damit geliefert. Die Suppe war versalzen, das
Gemüse wässerig-fade, das Fleisch zäh und hart,
die Mehlspeise verbrannt.

Statt dass er liebevoll darüber hinweggesehen,
machte er anzügliche Bemerkungen über die Vor-
trefflichkeit der Hotelküchen im allgemeinen, und
dass sie sich des Mittagmahles so wenig ange-
nommen, im besonderen. Sie Hess sich das eine
Weile schweigend gefallen. Als er aber gar
nicht aufhörte, erwiderte sie gereizt, schon um
ihren prinzipiellen Standpunkt zu wahren, dass
sie doch nichts dafür könne, wenn die von Tante
Stephan gemietete Köchin unbrauchbar sei. Von
vornherein hätte sie ihm doch erklärt, dass sie
weder selbst kochen, noch sich überhaupt sehr
wesentlich dabei beteiligen, würde. Uebrigens
könne er wohl das erste mal ein Auge zudrücken.

Paul Meyerheim. Netzflicker.
 
Annotationen