Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift (14.1900)

Stationshaus, vier kleine Observationshäuser tung. Im Vor- und Hinterschiff ist auf einer Erhöhung

und einen Fesselballon mit dessen gesamtem ein kleiner Scheinwerfer aufzustellen, der mit Acetylen

Zubehör unterzubringen. Wie bei Polarreisen beleuchtet werden soll. Alle Wohn- und Arbeitsräume

üblich, müssen die Schiffsschraube und das erhalten Dampfheizung, durch die sie bei einer Aussen-

Schiffsruder aus dem Wasser heraufgezogen temperatur von —30 Grad auf +10 Grad erwärmt

werden können. Der Bau des Schiffes erfolgt werden sollen. Dieselben Räume sowie das Zwischen-

auf Rechnung des Reichsamtes des Innern, deck, der Maschinen- und Kesselraum und die Lasten

während die Ueberwachung und Abnahme werden mit elektrischer Beleuchtung versehen.

des Schiffes der von diesem Amte in Ver- __

bindung mit dem Reichsmarineamt eingesetzten

Baukommission obliegt. Die Angebote müssen 3)aS flistOTistfie JblMCiien VOnT^räU.

bis zum nächsten 21. Oktober an die nautische

Abteilung des Reichsmarineamts gelangen. Die Vor 210 Jahren starb in Insterburg in Ostpreusseu
Geschwindigkeit des Schiffes soll bei voller das „Aennchen von Tharau". Ihr Grab ist verschollen
Ausrüstung und dem entsprechenden Tief- und die heutige Generation weiss von ihrem Leben und
gange 7 Knoten betragen, die Erfüllung der Treiben fast nichts mehr; im Liede aber lebt das „Aenn-
geforderten Eigenschaften ist durch eine sechs- chen von Tharau" fort, und auch im kommenden Jahr-
stündige Streckenfahrt zur Bestimmung der hundert noch wird das Hochzeits-Carmen, das der Königs-
indizierten Pferdekräfte und des Kohlenver- berger Poet Simon Dach zur Verherrlichung der schönen
brauchs und durch verschiedene Meilenfahrten Pfarrerstochter von Tharau gedichtet hat, im fröhlichen
zur Bestimmung der Fahrtgeschwindigkeit Kreise gern gesungen werden. Simon Dach hat das
nachzuweisen, dabei wird auch die gute Lied im Jahre 1637 zur Vermählung seines Freundes,
Manövrierfähigkeit des Fahrzeuges geprüft. des Pfarrers Johann Portatius in Trempen mit Anna
Der Erbauer übernimmt unter Stellung einer Neander, der Tochter des 1630 verstorbenen Pfarrers in
Kaution von 20000 Mark volle Garantie für Tharau in plattdeutscher Mundart gedichtet. Dass er
die Güte der gesamten Arbeit, Konstruktion selbst dem Aennchen oder das Aennchen ihm näher
und Leistungsfähigkeit auf ein Jahr; für Ver- gestanden hat, ist durch nichts bewiesen. Etwa 150
zögerung der Ablieferung sind für je einen Tag Jahre später hat Herder das Lied ins Hochdeutsche
100 Mark, für die Ueberschreitung des Tief- übertragen. Viel hat das Gedicht im Laufe der Zeit
ganges um 50 mm 1000 Mark Strafe zu zahlen. von seiner ursprünglichen Gestalt verloren. Die heute
Im Innern muss das Fahrzeug behagliche fast in Vergessenheit geratenen Endstrophen lauten im
Wohnräume für die Teilnehmer der Expedition Original:

enthalten. Die Bemannung wird bestehen aus Wat öck gebödei wart van dy gedahll)

dem Führer der Expedition, fünf Wissenschaft- Wat öck verböde, dat lätstu thy stahn,

liehen Teilnehmern, einem Kapitän, einem Wat heft de Löve däcli ver een Bestand,

ersten Offizier, zwei Schiffsoffizieren, einem Wor nich een Hart öss, een Mund, eene Hand?

Maschinen-Ingenieur, neun Matrosen, sechs Wor öm sök hartaget (peiniget), kabbelt ön schleyhl

Maschinisten und Heizern, einem Koch und 0n Slihk den Hu"ge» °» Katten begeyht.

Tr ,i __oo r> t-» Anke von Tharaw, dat war wy nich dohn,

einem Kellner, zusammen 28 Ferspnen. Der „ . „ . . „ ' „ , . ' ,

Du böst mm Dyfken, myn Schahpken, mihn Hohn.

Wat öck begehre, begehrest Du ohek

Tiefgang soll für das vollständig ausgerüstete,

F. Andreotti. Erwartung

seeklare Schiff 4,8 m nicht überschreiten, die Eck laht den Rock dy> du [atst my de Brohk.

Länge höchstens 47 m zwischen den Senk- Dit öss dat, Anke, du söteste Ruh,

?rechten betragen. Zu dem Gewicht des vollständig Een Lihf on Seele wart uht öck on Du,
rÄcßfiflC ^FßSfQCScßcilßC fertigen Schiffskörpers treten 733,6 t durch Ladung und Dit mahekt det Lewen tom hämmlischen Rihk,
' " " { Ausrüstung hinzu, darunter sind besonders erwähnens- Dörc" Zanken wart et der Hellen gelihk.
sind die beiden Gemälde „Erwartung" von F. An- wert: Proviant für die ganze Besatzung auf drei Jahre Ueber die Persönlichkeit des Aennchen von Tharau
dreotti und „Hosianna" von O. Lingner, deren mit 120 t, Trinkwasser für 50 Tage, die Besatzung selbst selbst ist folgendes bekannt: Sie wurde 1619 geboren,
verkleinerte Abbildung wir nebenstehend veröffentlichen. mit ihren Effekten, 30 t Getränke, ein Naphthaboot, Ueber ihre sonstigen Lebensdaten berichtete der Pfarrer
Die hervorragend schönen Werke sind durch Rieh. Bongs 5 t Petroleum, Instrumente, Einrichtung zur Wäsche- Antonius Pfeiffer in Tharau Folgendes: „Andreas
Kunstverlag, Berlin W., Potsdamerstr. 88, zu beziehen. trocknung, 400 t Kohlen, 5 t Naphtha,
Um jedem Geschmack Rechnung tragen zu können, ferner das Stationshaus, der Fessel-
sind die Bilder in verschiedener Grösse, Format und ballon mit den Chemikalien zu seiner
Reproduktionsart erschienen, wie auch die Umrahmung Füllung, die Materialien zur elektri-
dazu jeder Anforderung gemäss geliefert werden kann. sehen Beleuchtung des Stations-
Die prächtigen Bilder sind als Photographie, Platinotypie, hauses, die vier Observationshäuser,
Kupfergravure und auch als farbige Kupfergravure in eine Windmühle und 40 Eskimo-
bekannter mustergiltiger Ausführung hergestellt. Ueber hunde mit Proviant. Die Boote er-
die genauere Grösse der Bilder und ihre verhältnismässig halten zum Teil die Form der Wal-
sehr billigen Preise giebt der Kunstverlags-Katalog von fischfänger. Das Innere des Schiffs-
Rich. Bong Auskunft, derselbe wird gegen Einsendung rumpfes ist aus bestem trockenem
von 60 Pf., auch in Briefmarken, franko zugesandt. Er Eichenholz herzustellen und an be-
enthält ausser den hier erwähnten Bildern noch eine stimmten Stellen geeignete Verstär-
ganze Reihe andere, sowie alle nötigen Bestimmungen kungen anzubringen. Die Wohn-
über Lieferung, Ralnnung, Verpackungen u. s. w. räume für die Mitglieder der Ex-

•____ pedition bestehen in Kammern mit

vollständiger Einrichtung zum Schla-

DaS deUtSGhe SÜdpOlafSehiff. <"<=»• mit Wascheinrichtung, Gläsern,

Bücherbord und möglichst noch mit
Für das Expeditionsschiff der geplanten deutschen kleineren Spinden. Der Führer der
Südpolar-Expedition sind die Bedingungen für Bau und Expedition erhält eine eigene, etwas
Ausrüstung festgesetzt und den in Betracht kommenden grössere Kammer, die übrigen Ge-
Schiffswerften zur Kenntnisnahme übermittelt worden. lehrten je eine kleinere Kammer
Daraufhin werden die Angebote der Werften erwartet, oder einige Kammern mit zwei
die das Schiff bis zum 1. Mai 1901, wenn nicht in Kojen. Im Zwischendeck ist eine
kürzerer Zeit, fertig stellen müssen. Die ziemlich um- Kammer zur Unterbringung von
fangreiche Denkschrift der Baukommission gewährt einen Waffen und Munition einzubauen,
interessanten Einblick in die Anforderungen, die seitens Alle Eisenteile müssen eine Ver-
der Leitung der in Aussicht stehenden Polarreise an das zinkung erhalten; das ganze Schiff
von ihr zu benutzende Fahrzeug gestellt werden. wird innen und aussen dreimal mit
Das Schiff wird ein hölzernes Segelschiff mit einer Oelfarbe gestrichen, die Lasten mit
Schraubenschiffsmaschine und zugehörigem Dampf- Holzteer geteert. Aussenbords er-
kessel sein; zu der weiteren integrierenden Einrichtung hält das Schiff einen grauen An-
gehören eine Anlage für elektrische Beleuchtung und strich, unter Wasser wird es ge-
Dampfheizung, ein Destillierapparat, der in 24 Stunden teert oder mit einer Patentfarbe ge-
600 Liter Trinkwasser zu schaffen vermag und ein für strichen. Das Fahrzeug ist als Drei-
den Betrieb dieser Anlagen dienender Hilfskessel. Das mast-Marssegel-Schoner getakelt, die
Schiff muss den Eisverhältnissen am Südpol einen Besegelung ist so gross zu bemessen,
starken Widerstand leisten, besonders see- und segel- dass das Schiff auch ohne Zuhilfe-
tüchtig sein und Platz für eine Bemannung von etwa nähme von Dampf kraft allen An-
30—32 Personen mit allen nötigen Vorräten für eine forderungen entspricht. Die an Bord
Reisedauer von etwa drei Jahren darbieten. Ausserdem aufzustellende Windmühle dient zum
sind an Bord eine Windmühle, die Bauteile für ein Betriebe der elektrischen Einrich-

XIV. 6. B. 1.

O. Lingner. Hosianna!