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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 14.1900

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Wundt, Theodor: Auf dem Matterhorn
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https://doi.org/10.11588/diglit.22226#0019

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j|uf. dem ■attefhopn.

Von Theodor Wundt.

[Nachdruck verboten.]

^reifen Sie nur tüchtig zu," ruft der Führer. „Der Fels hält schon und Entweder ist der Nebel mit dickem Schneefall und Hagel verbunden, welcher
ich habe einen guten Stand." Der Tourist umklammert also einen die Orientierung erschwert, die Sinne verwirrt und das Anfassen des Gesteins
Vorsprung des Gesteins und während er sich emporzieht, findet der beinahe zur Unmöglichkeit macht, oder er hat einen tosenden Sturm mit Gewitter-
Fuss bald einen Standpunkt in irgend einer Ritze und im nächsten Augenblick schauern im Gefolge, welcher die Rückkehr noch mehr erschwert. Der Grund
sind die Beiden beisammen. für diese häufigen Unwetter soll darin liegen, dass der isolierte Felsberg von
Kein Wunder, wenn sie jetzt eine kurze Pause machen. Denn, wie wir weiten Gletschern rings umgeben ist. Sein Gestein nimmt in der Glut der Sonne
sehen, ist die Bergkante sehr steil und die Männer haben eine mindestens fünf- eine höhere Temperatur an als die in Eis erstarrte Umgebung und es entstehen
stündige Kletterei hinter sich. Das strengt an. Der Ort, an welchem sie sich dadurch lokale atmosphärische Strömungen mit jenen häufigen Niederschlägen,
befinden, liegt auf dem Matterhorn. Betrachten wir die Fernsicht auf unserem Bilde, so überkommt uns hier
Jedermann kennt die gewaltige Gestalt, welche dieser Berg dem immer schon jenes Gefühl, das sich auf dem Gipfel des Matterhorns ganz besonders
wieder staunenden Auge in der Gegend von Zermatt darbietet. Wie ein riesen- zeigt. Durch die ungeheuren Abgründe, welche sich auf allen Seiten gleich-
hafter Block aus einem Gusse erhebt er sich zu seiner ungeheuren Höhe, drohend mässig in die Tiefe senken, ist man von der übrigen Welt so gut wie völlig ge-
und finster, steil und scheinbar völlig unnahbar. Der sich scharf zuspitzende trennt. Mehr als irgendwo anders hat man deshalb hier das Gefühl jener
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und sind also „ _ «■ > ■ *. ^ ^ der Walliser

Zwei australische Eingeborene. Nach einer Photographie von Mr. r raser, Ballarat.

schon höher als ■ Alpen gehört.

der höchste Gipfel der Ostalpen, der Ortler. Der Platz hat eine traurige Bedeutung Was steht nun unsern Bergsteigern noch bevor, bis sie den Gipfel er-

in der Geschichte des Matterhorns. Hier stürzte im Jahre 1890 der Strassburger reicht haben?

Göhrs mit seinen beiden Führern ab. Er hatte eine Tour auf den Berg unter- Auf der „Schulter" angekommen, befinden sie sich vor einer völlig senk-

nommen, um dort zu photographieren und wurde etwa 9 Uhr morgens, als er die rechten Felskante, deren zusammenstossende Wände rechts und links in un-

„Schulter" erreicht hatte, von einem plötzlich eintretenden heftigen Sturm über- geheurer Steilheit in unergründliche Tiefen stürzen. Es mag für die ersten

rascht. Es war unmöglich, demselben zu trotzen und infolgedessen wurde der Besteiger eine überaus schwierige Arbeit gewesen sein, da hinauf zu kommen.

Rückweg angetreten. Dasselbe that auch eine andere Partie, welche sich ein Jetzt aber befinden sich hier zahlreiche Ketten, welche, gute Griffe gewährend,

Stück weit unterhalb Göhrs befand. Etwa eine Viertelstunde war diese letztere einen Unfall ausschliessen und es ist für einen schwindelfreien, einigermaassen

abwärts gegangen, als sie plötzlich ein Geräusch hörte und zu ihrem Entsetzen gewandten und kräftigen Mann eine Lust an dieser scheinbar so exponierten

Göhrs und seine beiden Führer in einer Entfernung von etwa 100 Metern lautlos Stelle emporzuklettern.

an sich vorbeistürzen sah. Eigentümlich berührt allerdings das Klirren der Ketten während des Anstieges

In welcher Weise dieser Unglücksfall eintrat, liess sich nicht ermitteln. Die in dieser freien Natur und ein ängstliches Gemüt könnte auf alle möglichen,

Partie dürfte infolge von zu grosser Eile ausgerutscht sein. Noch viele Jahre schrecklichen Deutungen kommen, wenn es dazu noch das heisere Gekrächze

später lagen an der Stelle, die Trümmer des Göhrs'schen photographischen einer Schar Krähen hört, welche den Bergsteiger hier in der Regel umkreisen.

Apparates herum, welcher bei dem Sturze zerschmettert worden war. Diese Tiere führt jedoch ein durchaus harmloser Umstand liier herauf. Auf der

Auffallend ist die Aehnlichkeit dieses Unglücksfalles mit demjenigen des „Schulter" wird gewöhnlich die Frühstücksrast gehalten, und die Tiere wissen

jungen Seiler, der sich nahezu unter denselben begleitenden Umständen ereignete. wohl, dass dabei immer etwas für sie abfällt.

Solche Stürme sind eine der Hauptgefahren des tückischen Berges und Nach dem langen, steilen Anstiege verflacht sich dann die Bergkante all-
haben schon viele Opfer gefordert. Jeder, der den Berg kennt, weiss wie mählich und bald darauf ist der lang ersehnte Gipfel erreicht. Er besteht aus
häufig der Gipfel sich plötzlich in Nebel einhüllt. Man sieht nicht, woher die- einem scharfen, gezackten Kamm, der nach Süden in senkrechten Felswänden
selben kommen, denn der ganze übrige Himmel ist klar. „Der König von Italien abstürzt, nach Norden in ein anfänglich nicht besonders steil geneigtes Schnee-
raucht," sagen dann die Führer scherzend. Für denjenigen aber, der sich jetzt feld ausläuft. Zwei Zacken, durch eine Schlucht von einander getrennt, ragen
auf dem Berge befindet, ergeben sich leicht überaus schwierige Verhältnisse. hier empor: der schweizerische und der italienische Gipfel.

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XIV. 1. IV.
 
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