Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 14.1900

DOI Heft:
26. Heft
DOI Artikel:
Geißler, Max: Nymphen: zu den beiden Bildern von E. Veith
DOI Artikel:
Freiberg, Günther: Aus Alt-Berlin: Humoreske
DOI Artikel:
Alfred Nossigs Skulpturen
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.22226#0631

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
MODERNE KUNST.

421

„Gewiss einen Burgsdorf, getroffen, angenehme Stunden mit ihnen verlebt, und war dann mit

Schabernack?" den beiden auf einem Leiterwagen nach Berlin heimgefahren.
.-:4r - „Justement." Weisses, förmlich blendendes Mondlicht schien durch das breite Atelier-

„Und da soll ick . fenster und badete in seinen Strahlen den Griechenjüngling, den Tieck mit dem

helfen?" ganzen Aufwand seiner künstlerischen Kraft geformt und sorgsam ausgeführt

„Erraten. Da seht hatte. So ausgezeichnet wie jetzt, vom Monde wirksam beleuchtet, war ihm sein

IhrdochseinenSpeer- Werk nie vorgekommen. „Welche Leichtigkeit, welche Naturwahrheit!" musste

werfer." Hummel der Bildner sich selber gestehen. Und er weidete seine Augen am herrlichen

deutete auf eine Anblick. Endlich wendete er sich, um Hut und Stock abzulegen. Aber wieder zog

lebensgrosse Gips- es ihn zurück, die Statue eingehend zu betrachten. — Wie? was? o Schauder! Der

figur, einen griechi- Grieche hält ja mit einem mal den Speer in der linken, statt in der rechten Hand . . .
sehen Krieger, Tiecks Friedrich Tieck ist perplex, fasst sich an die Stirn, glaubt zu fiebern . . .

letztes Werk, von Ganz verwirrt sucht er nach dem Feuerzeug, um Licht zu machen, aber die

[ 4 dem soeben die Nähte Hände zittern ihm . . .

abgenommen wor- Nun brennt eine angezündete Kerze . . . der Meister hebt sie in die Höhe

den waren. und blickt wieder empor zur Gipsfigur .. . „Richtig! Alles in Ordnung. Ich hatte

„Na," sagteMusje eine Hallucination, habe

Deutsch, sich in die aber doch keinen Wein

-' '\33Bc3&!-~'■ Brust werfend, „(ins getrunken" . . .

' ■'^wäSSß^SS^1''-' bin ick doch selber Aufatmend stellt erden

C^'SsP^ ^ tB»" vom Kupp bin auf die Leuchter auf einen Tisch . . .

•f v V "C,--'" /' Zehe." Nochmals einen Blick empor

,/ „Das ist die Pointe und dann zu Bett. Da ent-

/*' des Witzes, den ich fährt ein erstickter Schrei

]0jfgBtfc r <v. in's Werk setzen will. seiner Kehle . . .

,c 1 ,.- ' 1 Ihr müsst heut Abend „Wieder links! Das

>' ' ~^.^>-fg^0;W \'\ /"w?*'' herkommen, Euch ist Teufelsspuk!"

t*- Vi1 • i - von mir übergipsen Kalter Angstschweiss

\r r lassen und den stei- tritt ihm vor die Stirne, halb
nernen Gast spielen." bewusstlos sinkt erauf einen
„I, Jott soll mir Sitz . . . heftig arbeitet seine
'n Dahler schenken!" Brust, er stöhnt, ein Krampf
Dr. A, Nossig, Kohlenzeichnung von Paul Fuchs, London 1899. „Ich spendiere scheint ihn befallen zu
zwei, auch drei Thaler", versprach Hummel, „wenn der Spass gelingt. Heut wollen... Da ruft die Gips-
haben wir Vollmond. . . Den behelmten Nackedei schieben wir in die Rümpel- figur: „Herrjeses, Herr
kammer, und Ihr nehmt seinen Platz auf dem Podium ein. Punkt zehn Uhr Tieck, kennen Se mir denn
kommt Herr Tieck Kewohnheitsmässia nach Hause . . ." nich? Ihren kleenenFernand

Deutsch?" und vom Podium

Dr. A. Nossig: Max Nordau. Paris 1!

Ganz berauscht von dem Ferientag im Freien und dem Duft blühender springt der steinerne Gast. — Tieck ist wütend, geht aber nach und nach in
Linden, kehrte der Meister des Speerwerfers spät abends nach der Stadt zurück. ein herzliches Lachen über. Hummel tritt mit einer Punschbowle ein, Deutsch
Er hatte im Schönhauser Park seinen Bruder und dessen Vertrauten, Herrn von beginnt, sich zu entgipsen und wird eingeladen, tapfer mitzutrinken.

)\l/red j\fossigs 5Kulpturer\.

[Nachdruck verboten.]

feuerst wurden Dr. Alfred Nossigs Skulpturen im Frühling 1899 den Pariser kreise bedeutender Zeitungen, wie die der Wiener N. Fr. Presse etc. fesselten.
Kunstfreunden und im Winter 1900 dem Berliner Publikum durch Sonder- Durch einen Artikel in dem genannten Blatte, den Dr. Nossig von Genf in
ausstellungen bekannt. Sie nehmen eine ganz jenen Herbsttagen schrieb, welche die ganze
eigenartige Stellung im Kunstschaffen der Gegen- . ■ gebildete Welt durch die feige an Oesterreichs
wart ein, sind sie doch künstlerische Produkte H Kaiserin begangene Mordthat erschütterten,
eines Mannes, der sein Können schon jahrelang ! 1 wurde es wohl zum ersten Mal bekannt, dass
auf durchaus anderen Gebieten glücklich bethätigt ^^^^^^^B der Schriftsteller und begeisterte Patriot zu-
hat. Mit einem dramatischen Poem „Die Tragödie ^^Hv- , H gleich ein Bildhauer mit ernster Vorbildung
des Gedankens" trat der in Lemberg Geborene j Hr^^ii^^g^gg^AaB war. Jedoch nur zwischen den Zeilen war diese
1885 vor die Ocffentlichkeit. Giordino Bruno, fl •.<„< -^S^jPBBBM|B• Thatsache zu lesen, denn wie wäre es sonst
der jetzt so Hochgefeierte, war der Held jener _ : , i möglich gewesen, dass Dr. Nossig, dem wie
Tragödie, die in polnischer Sprache geschrieben, i ■ ' '. , ! i j allen anderen Künstlern jedes Zeichnen und
noch heute als Zierde der polnischen Litteratur ' Modellieren an dem Sarge der unglücklichen
bezeichnet wird. Seiner schnell folgenden H Herrscherin streng untersagt war, allein auf
„Kritik der Lehre Spinozas" verdankt Nossig H , H " '" *jlll ' Bf Grund seiner scharfen geistigen Beobachtung
den Doktorhut der philosophischen Fakultät; 1 ^^^^^ .p^B die bewunderungswürdig treue Totenmaske
nicht minder bemerkenswert sind seine Studien H '^HPÜhKL' ^^^^^B schaffen konnte, welche Alle, die der Kaiserin
über „Soziale Hygiene", in denen er sich als "^F " i ™ Leben nahe gestanden haben, als ein fein-
scharfer Beobachter alles dessen zeigt, was die mm / M sinnig aufgefasstes, im Zug und Ausdruck über-
öffentliche Gesundheitspflege bisher in den WSF ""*** 1 'f raschend ähnliches Porträt der im Todesschlaf
Kulturländern geleistet hat. Sowohl Fachkreise . * jpMfer ^ ' Ruhenden bezeichnen. Gründliche anatomische
als auch gebildete Laien haben diese Studien mit W "jf , , ' " -, I Studien an der Pariser Universität waren es,
dankbarem Interesse begrüsst. Mit seinem streng ^^jj—— ',• j M die dieses Können zeitigten und dass Dr. Nossig
wissenschaftlichen Streben wusste Dr. Nossig Wt * '*»**<(j| neben seiner reichen schriftstellerischen Thätig-
reges dichterisches Schaffen zu vereinigen, er j Bk» •' - I '<e't ^e]i fand, der Schwesterkunst in solch
liess 1888 einen Band „Poesien" erscheinen, die H H&. I ernster Weise zu huldigen, hat ihm verdiente
ernstes edles Empfinden bekunden; sein Trauer- H HSl' Anerkennung eingetragen.

spiel „König vom Sion" hatte in Lemberg ft» . Jjf ^gMk , In richtiger Erkenntnis der höchsten Ziele der

grossen Erfolg und sein Schauspiel „Göttliche HBüfJfc ^ %nkL.2B|^| I Kunst hat er sich bei seinen plastischen Arbeiten

Liebe" wird zur Zeit an mehreren Bühnen vor- H flHH^HHBji^BHHHQ' nicht damit begnügt, ein Modell zu kopieren, son-

bereitet. Dr. Nossigs Reisen im Auslande brachten dern er hauchte seinem Werke Seele ein und schuf

feuilletonistische Früchte, welche die Leser- HHI^^HIHHflHHIII^^H^^H^Hi^^H in den Darstellungen seines „ewigen Juden", seines

Dr. A. Nossig: J. Paderewski, Genf 1899.

XIV. 26. IV.
 
Annotationen