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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 14.1900

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14. Heft
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Georgy, Ernst: In der Markthalle
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Unsere Bilder, [12]
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https://doi.org/10.11588/diglit.22226#0357

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224

MODERNE KUNST.

ein armes Mädchen! — Aber, wenn Sie etwas von einem guten Mädchen für
alles hören, dann sprechen Sie mit ihr, und denken Sie an mich! Sie kennen
mich doch lange genug!" - - „Aber mach ich mit Wonne, Frau Professor!
Was ich thun kann, wird jeschehen; was Besseres kann ich mich ja auch gar-

nicht vorstellen, wenn ich's mit eine gut meine!"--„Also, abgemacht, Frau

Grieseberg! Adieu inzwischen!" — — „Empfehl mich bestens, Frau Professor!"
dienerte die Verkäuferin höflich und schnitt der Davoneilenden eine Grimasse
nach. —

Darauf packte sie eine vorübergehende Dienstmagd am Arm und hielt sie
lachend fest: „Na, Fräuleinchen, sind ,Sie' mit Ihre Stellung zufrieden?" — Das
Mädchen war zuerst sehr verblüfft. Dann aber machte sie sich unwillig los:

„Sehr! Aber was geht Sie denn das an?"--„Ich wollte Ihn' man bloss aus

reine Menschenliebe anraten, nich zu die Dame da zu ziehen! Sanft is se zwar!
aber davor giebt es mittags: kleine Töppe in grossen, und abends: Butterbrot
mit Mondschein belegt!"--

Eine Frau aus dem Volke in ärmlicher Tracht kam vor den Stand der Frau
Huppke. Sie hielt ein kleines Kind aijf dem Arme und zwei andere, von vier
und sechs Jahren griffen mit den Händchen an ihren Rock. Während die Frau
ihren Speck zugewogen bekam, blickte sie die Huppke unausgesetzt an. Diese
knabberte jetzt ein Weissbrot und biss von Zeit zu Zeit in ein dickes Wurst-
ende. Sie hatte fürs erste genug geschafft und Hess jetzt „den guten Ka—le"
auch einmal zugreifen, was dessen Laune etwas getrübt hatte. —

„Ich weiss garnicht; aber Sie kommen mich so bekannt vor, Frau Schlächter-
meister!" meinte die Käuferin nachdenklich. Plötzlich zuckte es über ihr Ge-
sicht. „Nu hab' ichs und weiss, wo ich Ihnen hinthun kann! Sehen Sie mich
mal genau an!" — Die Huppke that, wie ihr befohlen. „Ja, ick kenne Ihnen

och!"--„Natürlich," lachte die Andere, ordentlich vergnügt. „Wissen Sie

denn nich mehr? Wir beide waren doch bei den reichen Bankier Herz zu-
sammen in Dienst. Ich Köchin, Sie Hausmädchen!"--„Ach ja, richtig!"

entgegnete die Huppke weniger erfreut, „das heisst, ich war da Zofe!" — Ihr
Ton war derart, dass die Fremde keinen Widerspruch wagte. — „Also Sie sind
die Minna? Na, was ist denn aus Sie geworden?" —

„Aus mich, mein lieber Heiland, nich viel! Ich hab den Schlosser Knuffke
geheiratet! Wissen Sie nich, wir gingen damals schon zusammen? Da hat er
mir den Himmel auf Erden versprochen! Meister wollte er werden, der alte
Esel mit seiner ewig trocknen Gurgel! Die Hände wollte er mir unterlegen.
Ja, Kuchen, er säuft und arbeitet man hal'wege. Ich aber schuft mich dod:
Fünf Jöhren, die Wirtschaft und Aufräumestellen, das is nu das versprochene
Himmelreich! Nee, un wenn man bedenkt, wie jut man es immer jehabt hat;
keene Sorjen, det scheene Essen un die ville freie Zeit! So dumm zu sein, un
die juten Stellungen um ein dummes Mannsbild aufzugeben! Wo ich abraten
kann, thu ichs; denn des is ein jutes Werk! Das heisst" — sie stotterte und
verwirrte sich, denn Herrn Huppkes Gesicht zeigte drohende Wolken — „manch
eine hat ja Glücke und derf nich klagen!"

„Nee, Oller, nich wahr, wir zwee Beede sind janz zufrieden? Uns fehlt
nischt?" meinte die Schlächterin protzig und puffte ihren Gatten liebevoll mit
dem Ellbogen in die Seite. — „Ich hab genug von det Getratsche und jeh mal
bei Arens rum, 'ne Pulle Echtes uff den Schreck trinken!" entgegnete er in so
entschlossenem Tone, dass die liebende Gattin keine Entgegnung wagte. —
„Dieses bei Arens rumjehen!" war der Fluch ihrer Ehe. Aber warum sollte
sie diesen wunden Punkt ihres Daseins vor der einstigen, jetzt so herunter-
gekommenen Kollegin entschleiern? Sie nahm sich zusammen und sagte des-
halb nur vergnügt lachend: „Na, dann jeh man, Du lieber oller Rumtreiber!"
Karl Huppke fiel dabei nun doch ein Stein vom Herzen. Er verflüchtigte sich
denn auch mit unheimlicher Schleunigkeit, in dem frohen Bewusstsein, damit
nicht nur dem „Getratsch der Weiber", sondern auch dem Hauptansturm der
Kunden zu entgehen.

Frau Huppke spielte die Noble und schenkte der Käuferin, nach einigen

Sätzen hin und her, noch ein ansehnliches Stück Wurst und einen „jediejenen
Schinkenknochen, der noch een feinet Mittagbrot jab." Darauf entfernte sich die
Frau mit ihren Würmern, um noch weitere Einkäufe zu machen. — — „Sie
haben et jut, Sie kennen stricken!" — meinte die Schlächterin zu einer alten
Frau, die vor einem Verkauf mit hölzernen Wirtschaftssachen sass.

„Danke for diejüte!" — brummte die Alte und warf einen wütenden Blick
auf die Käsehändlerin zur Linken. — „Ewig kalte Beene von dem Steinboden;
und von den Zug in de Halle eenen Reissmirtüchtig in de Aerme; und noch
nebenbei Koppweh von den Käsejestank, der sich hier mit die Jeriche von
Blumen — und Räucherfische mischt. Rothschild seine Frau hat es besser!" —

„Det kann ick mir denken!" — erkannte die Huppke an.

„Na, Brinken, wenn Sie nächstens det Rezept erfahren, wie man Käse mit
,Odekolonch' (Eau de Cologne) anrührt, dann sagen Sie's mich man! Bis dahin
müssen Se nu Ihre amparte Nase uff meinen Stinkadorus umriechen. Ich kann
Ihn' nich' helfen!" — sagte die Käsefrau giftig und häufte die stark duftendsten
Sorten grade auf der Seite, wo ihre Erbfeindin sass. —

Der Abend war weit vorgerückt. Die Markthalle wurde um diese Zeit vom
Publikum am meisten benutzt. Die Kunden drängten sich zu den Ständen und
wogten durch die Gänge. Die Verkäuferinnen hatten soviel zu thun, dass sie
nicht zu Privatgesprächen kamen. — Kurz vor acht Uhr, also vor Schluss der
Verkaufszeit, legte sich der Andrang! Die Damen der Halle atmeten auf. —

Eine „fliegende Händlerin" kam mit dem eintönig gerufenen: „Zieh—tronen,

Va--nilje--— Kapern!" an Frau Huppke vorbeigeschlichen. Diese

rief sie an und verwickelte sie in eine eifrig geflüsterte Unterhaltung. Das
kleine, verkrumpelte Weibchen hatte eine gewaltig böse Zunge und wurde als
„Chronik skandaleuse" von allen gefürchtet. Sie wusste jeder Hallendame,
besonders aber den begüterten, etwas Uebles nachzuerzählen. Auch jetzt berichtete
sie in ihrer geheimnisvoll andeutenden Art der neugierigen Schlächterin, dass
ihr Vis-ä-vis, die Witwe Müller mit dem dicken Gesellen vom Grossschlächter
Brums angebandelt habe. Sonntags sei sie bereits mit ihm in Rixdorf —
,scherbeln' — gewesen, und — was die Huppke sei, so solle sie man nachher
auf das Gethue mit dem dicken Kerl aufpassen. Sie wolle ja nichts sagen;
aber schön sei es nicht, wenn sich solche alte Person, die erst fünf Monate ver-
witwet wäre, so einem Burschen an den Hals würfe! Na, über Geschmack liess
sich nicht streiten!--

Die Marktpolizei hatte die Thore für Käufer schliessen lassen. Die Stände
wurden zur Nacht zurecht gemacht. Die Waren wurden teils in die Keller-
räume geschleppt, teils bedeckt und verpackt. Die Ladentische wurden gereinigt,
und die Verkäufer machten Toilette für den Heimweg. Ein reges, fleissiges
Leben herrschte.

Mit grossen Besen.wurden die Wege gekehrt und mit Wasser überspült. —
„Achtung, jetzt kommen wir, schneidige Jungens, wat?" brüllten drei Männer
und kamen untergefasst den breiten Mittelweg heruntergetänzelt. Es waren der
Fischhändler Herr Grieseberg, Herr Huppke und Brümsens dicker Geselle: Fritz
Schneidter. In äusserst bierseliger Stimmung eilten sie aus dem benachbarten
Restaurant von Arens herbei, wo sie rasch ein paar Partien „gekloppt" hatten.
„Ilurrah, die Männer, nu wirds Tag!" — johlten einige.

„Siehste woll, da kimmt er, lange Schritte nimmt er!" — sang die Müller,
die schon in Hut und Mantel fertig vor ihrem geschlossenen Stand harrte. Sie
kreischte schämig auf, als Schneidter sie mir nichts Dir nichts um die Taille
packte und mit ihr eine „kiebige Kreuzpolka" tanzte, zu der er selbst und einige
andere die Musik sangen und pfiffen.

Grieseberg liess sich verführen und hopste mit der kleinen Aufwärterin der
Blumenfrau los. Andere folgten dem Beispiel unter Lachen und Jauchzen. —

„Kiek Dir nur die Müllern an, die glupscht sich vor Bejeisterung noch die
Oogen aus'n Kopp!" — sagte die Huppke ärgerlich. — „Un' nu los, Ka—le, un'
nidh' so lange jefackelt. Der Wagen steht draussen, und ick hab' mit Dir sowieso
noch'n Hühnchen zu ruppen. Na unterwegs, warte man, mein Schnuteken!" —

fn die Zeit der grausamen Verfolgung der Christen durch die römischen
Kaiser versetzt uns das Gemälde des Italieners G. Mantegazza. Todes-
mutig hat sich das Geschwisterpaar in das schreckliche Schicksal ergeben; es
erwartet keine Errettung mehr, sondern harrt unter inbrünstigem Gebete des
Todes. Im Hintergrunde werden die wilden Tiere sichtbar, denen die wehrlosen
Opfer vorgeworfen werden. Und der grosse Cirkusbau starrt von neugierigen
Menschen, die sich an den Todesqualen der Unglücklichen ergötzen wollen. Der
Künstler hat den tragischen Stoff mit tiefer Empfindung zu beseelen gewusst.

enn der Mensch hier zu Lande in die Kirche geht, so weiss er, dass er
nach einer Stätte des Friedens wandelt, er lässt seine Waffen daheim, er hüllt
sich ins Gewand der Friedfertigkeit, er sucht Trost für seine geängstigte Seele.
Einen „gefährlicheren Tempelbesuch" stellt R.Ernst in dem beiliegenden
Bilde dar. Man geht in Indien nicht sonderlich sorglos zur Stätte der Gottes-
verehrung, denn man kann dort unter Umständen recht ungebetenen Tempel-

besuchern begegnen. Die beiden Tiger auf unserem Bilde haben sich den
Tempel zur Schlafstätte auserwählt und kommen nun am Morgen hervor, um
ihren Hunger zu stillen. Es mag für einen Menschen, der versunken in Gottes-
verehrung dahinschreitet, keine freudige Ueberraschung bedeuten, einem so
wilden Getier zu begegnen, aber man sieht, dass der auf unserem Bilde dar-
gestellte Inder derartige Begegnungen kennt. Er greift entschlossen nach seinem
Dolche und wird vielleicht mit raschem Stosse sich der Untiere zu erwehren
verstehen, falls sie nicht, ohne ihn zu bemerken, vorbeispazieren sollten.

ine sehr humoristische Scene bietet Jos. Straka mit seinem Bilde „Vor
der Aushebungs - Kommission". Vor allem sind die Typen der Rekruten
mit bestem Humor erfasst und wiedergegeben. Der blasse, dürre, bebrillte
junge Mann, in dem man unschwer einen zukünftigen Gelehrten erkennt, erregt
die Lachlust seiner Nachbarn, die sich einer wohlgerundeten Leibesfülle erfreuen.
Auch das „Hemden-Gigerl" ganz links ist eine ergötzliche Figur.
 
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