MODERNE KUNST.
des Kommandie- aber blickte der begabte Naturbursch wie zu einem höheren Wesen empor. Dass
renclen Generals es trotzdessen zwischen zwei so verschiedenartig veranlagten Menschen mancherlei
des I. Bayerischen Reibungen gab, ist nicht zu verwundern.
Armeekorps. Nahm Tieck, ein Frühaufsteher, liebte es, im Sommer um fünf Uhr morgens
er es schon in sei- grössere Fusspartieen in der Umgegend Berlins zu unternehmen. Hummel, ein
nen früheren Stel- Langschläfer, war selten zu bewegen, ihn dabei zu begleiten. Da er jedoch
hingen als Oberst neben der Genre- und Historienmalerei auch landschaftliche Studien betrieb,
und Kommandeur hatte er doch einmal zugesagt, vor Tau und Tag nach Schönhausen mitzu-
desLeib-Infanterie- wandern. Zur verabredeten Zeit wollte Tieck seinen „Faulpelz" wecken, allein
Regiments, als Bri- es half kein Anrufen und Rütteln, Johann Erdmann schnarchte in allen Ton-
gade- und Divisions- arten. Tieck, bereits glatt rasiert und zum Ausgehen fertig angekleidet, ward
Kommandeur ärgerlich und zupfte dem Maler etwas unsanft das Ohr, dieser brummte mit
äusserst ernst, und geschlossenen Augen: „Hebe Dich weg, Satanas!" worauf jener ausrief: „Un-
genoss er schon verbesserliches Murmeltier, so bleib in Deinem Mauerloch!" Im Zorn durch-
damals bei seinen stöberte er einen Winkel des Ateliers und zog unter einem Leinwandbündel eine
Kameraden und Totenhand hervor, welche ihm die Anatomie zum Studium überlassen hatte;
Soldaten die allge- er legte sie dem friedlichen Schläfer auf die lebenswarme Brust und machte
meinsten Sympa- sich aus dem Staube.
thieen, so sind ihm Nach einer Weile erwachte Hummel ... es lag ihm so eiskalt und so
diese in seiner schwer auf der Magengrube . . . „Donnerwetter die Totenhand!" er packte sie
jetzigen grösseren mit Daumen und Zeigefinger und schleuderte sie in den Winkel zurück . . .
Stellung treu ge- „Oh, Du perfider Friedrich! das fordert Rache . . . ich will ihn das Gruseln
blieben Unser Bild meinerseits lehren. Wäre er nur nicht so furchtbar aufgeklärt, so scharf-
zeigt ihn mit dem sinnig, so" —
Chef seines Gene- „Morgen, Herr Hummel! ausgeschlafen?" mit diesem stereotypen Gruss trat
ralstabes, Oberst- der dienstbare Geist der beiden Freunde, zur Thüre herein, in der Hand einen
leutnant Illing, in irdenen Krug voll Milch, am Arm ein Körbchen mit Schrippen. Es war ein
seinem Bureau. tadellos gewachsener, auffallend hübscher Jüngling, der sich teils durch Stiefel-
Wie ernst der putzen, teils durch Modellstehen sein tägliches Brod erwarb. Während Hummel
Prinz Alfons, Toilette machte, kochte Musje Deutsch, so hiess das Faktotum, den Kaffee.
Dr. A. Nossig: Studienkopf, Berlin 1900. Sohn des Prinzen Der Maler fixierte ihn mit ganz besonderer Aufmerksamkeit.
Adalbert und Neffe des Regenten, Kommandeur der I. Kavallerie-Brigade, seinen „Hört mal, Deutsch" . . .
militärischen Beruf auffasst, wissen vor allen Dingen die Münchener, die ihn „Na, ick höre. Se haben wohl allwieder ein Bild im Kopp, dass Se mir so
besonders als Obersten der Schweren Reiter kennen, an deren Spitze er noch anstarren? allwieder so'n Pichmaljon oder so Einen mit'n vertrackten Namen?
heute stets von den Uebungen dieses Regimentes heimkehrt. Aus der Liebe zu Nu trinken Se man erst den Kaffe."
seinem kavalleristischen Dienst geht auch wohl die Liebe zum Pferdesport „Deutsch, ich habe 'nen Witz vor mit unserm kleenen Töpfer." — Eine
hervor, die ihn besonders auszeichnet. Die Aufnahme unseres Bildes zeigt ihn Berliner Naive hatte Fr. Tieck so angeredet. —
mit seinem Brigade-Adjutanten Oberleutnant von Schultes.
Der Enkel des Regenten Prinz Rupprecht, welcher in diesen Tagen mit
der Herzogin Marie Gabriele den Bund fürs Leben schloss, und welcher der-
einst berufen ist, die Königskrone zu tragen, ist zur Zeit Oberst und Kom-
mandeur des 2. Infanterie-Regiments „Kronprinz" und so gewissenhaft, wie
er es mit seinen Pflichten nimmt, so beliebt ist er als Kamerad und Vor-
gesetzter. Unsere Aufnahme, die ihn mit dem Major und Bataillons-Kommandeur
Frhr. von Schönhueb und einer Anzahl von Offizieren seines Regimentes dar-
stellt, geschah bei dem Exerzieren einer kriegsstarken Kompagnie auf dem
Oberwiesenfeld bei München. Und wenn er nun nach seiner Verheiratung
München und das ihm lieb gewordene Regiment verlässt, dann werden ihm die
Sympathieen seines Regimentes nach Bamberg folgen, und jeder der unter ihm
gedient, wird das Bild des jungen Wittelsbachers im Herzen tragen und sicher,
wenn dieser einmal der Herrscher des schönen Landes ist, sich der Zeit
gemeinsamer Freuden und Strapazen mit seinem Fürsten gern erinnern.
Wenn so die Prinzen sich in den Dienst der Pflicht stellen wie diese vier
Wittelsbacher, dann dienen sie mit ganzem Herzen ihrem bayerischen und
damit dem deutschen Volke; denn die Ausbildung des Heeres ist die Schule
des Volkes für die Stunde der Gefahr, in der es gilt, den heimischen Herd und
des Vaterlandes Güter zu schützen. Hans Franke.
Humoreske von Günther v. Freiberg.
! [Xachdruck verboten.]
leben in Berlin noch Etliche, die Friedrich Tieck, den Bildhauer,
persönlich kannten. Zwar hat er nicht so viel wie sein Zeitgenosse
Christian Rauch zur öffentlichen Verschönerung der Spreestadt bei-
getragen, aber unvergänglichen Schmuck verlieh er dem königlichen Schauspiel-
hause durch die reichen Giebelfelder und die schwungvolle Bronzegruppe „Apoll
mit Greifengespann" über der Hauptfront. Gleich seinem Bruder, dem Dichter
des „Phantasus", war Friedrich Tieck ein Mann von feinem, gewandten Wesen,
in schöngeistigen Salons ebenso heimisch wie in seiner Werkstatt. Diese teilte
er im Jahre 1803 mit seinem Freunde, dem Maler Joh. Erdmann Hummel, dessen
hübsches, nunmehr längst vergessenes Bild „Die Fermate" E. J. A. Hoffmann zur
Erzählung gleichen Namens anregte. Hummel, im Gegensatz zum massigen
ordnungsliebenden Bildhauer, zog die Kneipe dem Theetisch Raheis und Frau
von Humboldts vor, derb, burschikos wie er nun einmal war. Zu seinem Tieck
Dr. A. Nossig: lilumenfee, Paris 1899.
des Kommandie- aber blickte der begabte Naturbursch wie zu einem höheren Wesen empor. Dass
renclen Generals es trotzdessen zwischen zwei so verschiedenartig veranlagten Menschen mancherlei
des I. Bayerischen Reibungen gab, ist nicht zu verwundern.
Armeekorps. Nahm Tieck, ein Frühaufsteher, liebte es, im Sommer um fünf Uhr morgens
er es schon in sei- grössere Fusspartieen in der Umgegend Berlins zu unternehmen. Hummel, ein
nen früheren Stel- Langschläfer, war selten zu bewegen, ihn dabei zu begleiten. Da er jedoch
hingen als Oberst neben der Genre- und Historienmalerei auch landschaftliche Studien betrieb,
und Kommandeur hatte er doch einmal zugesagt, vor Tau und Tag nach Schönhausen mitzu-
desLeib-Infanterie- wandern. Zur verabredeten Zeit wollte Tieck seinen „Faulpelz" wecken, allein
Regiments, als Bri- es half kein Anrufen und Rütteln, Johann Erdmann schnarchte in allen Ton-
gade- und Divisions- arten. Tieck, bereits glatt rasiert und zum Ausgehen fertig angekleidet, ward
Kommandeur ärgerlich und zupfte dem Maler etwas unsanft das Ohr, dieser brummte mit
äusserst ernst, und geschlossenen Augen: „Hebe Dich weg, Satanas!" worauf jener ausrief: „Un-
genoss er schon verbesserliches Murmeltier, so bleib in Deinem Mauerloch!" Im Zorn durch-
damals bei seinen stöberte er einen Winkel des Ateliers und zog unter einem Leinwandbündel eine
Kameraden und Totenhand hervor, welche ihm die Anatomie zum Studium überlassen hatte;
Soldaten die allge- er legte sie dem friedlichen Schläfer auf die lebenswarme Brust und machte
meinsten Sympa- sich aus dem Staube.
thieen, so sind ihm Nach einer Weile erwachte Hummel ... es lag ihm so eiskalt und so
diese in seiner schwer auf der Magengrube . . . „Donnerwetter die Totenhand!" er packte sie
jetzigen grösseren mit Daumen und Zeigefinger und schleuderte sie in den Winkel zurück . . .
Stellung treu ge- „Oh, Du perfider Friedrich! das fordert Rache . . . ich will ihn das Gruseln
blieben Unser Bild meinerseits lehren. Wäre er nur nicht so furchtbar aufgeklärt, so scharf-
zeigt ihn mit dem sinnig, so" —
Chef seines Gene- „Morgen, Herr Hummel! ausgeschlafen?" mit diesem stereotypen Gruss trat
ralstabes, Oberst- der dienstbare Geist der beiden Freunde, zur Thüre herein, in der Hand einen
leutnant Illing, in irdenen Krug voll Milch, am Arm ein Körbchen mit Schrippen. Es war ein
seinem Bureau. tadellos gewachsener, auffallend hübscher Jüngling, der sich teils durch Stiefel-
Wie ernst der putzen, teils durch Modellstehen sein tägliches Brod erwarb. Während Hummel
Prinz Alfons, Toilette machte, kochte Musje Deutsch, so hiess das Faktotum, den Kaffee.
Dr. A. Nossig: Studienkopf, Berlin 1900. Sohn des Prinzen Der Maler fixierte ihn mit ganz besonderer Aufmerksamkeit.
Adalbert und Neffe des Regenten, Kommandeur der I. Kavallerie-Brigade, seinen „Hört mal, Deutsch" . . .
militärischen Beruf auffasst, wissen vor allen Dingen die Münchener, die ihn „Na, ick höre. Se haben wohl allwieder ein Bild im Kopp, dass Se mir so
besonders als Obersten der Schweren Reiter kennen, an deren Spitze er noch anstarren? allwieder so'n Pichmaljon oder so Einen mit'n vertrackten Namen?
heute stets von den Uebungen dieses Regimentes heimkehrt. Aus der Liebe zu Nu trinken Se man erst den Kaffe."
seinem kavalleristischen Dienst geht auch wohl die Liebe zum Pferdesport „Deutsch, ich habe 'nen Witz vor mit unserm kleenen Töpfer." — Eine
hervor, die ihn besonders auszeichnet. Die Aufnahme unseres Bildes zeigt ihn Berliner Naive hatte Fr. Tieck so angeredet. —
mit seinem Brigade-Adjutanten Oberleutnant von Schultes.
Der Enkel des Regenten Prinz Rupprecht, welcher in diesen Tagen mit
der Herzogin Marie Gabriele den Bund fürs Leben schloss, und welcher der-
einst berufen ist, die Königskrone zu tragen, ist zur Zeit Oberst und Kom-
mandeur des 2. Infanterie-Regiments „Kronprinz" und so gewissenhaft, wie
er es mit seinen Pflichten nimmt, so beliebt ist er als Kamerad und Vor-
gesetzter. Unsere Aufnahme, die ihn mit dem Major und Bataillons-Kommandeur
Frhr. von Schönhueb und einer Anzahl von Offizieren seines Regimentes dar-
stellt, geschah bei dem Exerzieren einer kriegsstarken Kompagnie auf dem
Oberwiesenfeld bei München. Und wenn er nun nach seiner Verheiratung
München und das ihm lieb gewordene Regiment verlässt, dann werden ihm die
Sympathieen seines Regimentes nach Bamberg folgen, und jeder der unter ihm
gedient, wird das Bild des jungen Wittelsbachers im Herzen tragen und sicher,
wenn dieser einmal der Herrscher des schönen Landes ist, sich der Zeit
gemeinsamer Freuden und Strapazen mit seinem Fürsten gern erinnern.
Wenn so die Prinzen sich in den Dienst der Pflicht stellen wie diese vier
Wittelsbacher, dann dienen sie mit ganzem Herzen ihrem bayerischen und
damit dem deutschen Volke; denn die Ausbildung des Heeres ist die Schule
des Volkes für die Stunde der Gefahr, in der es gilt, den heimischen Herd und
des Vaterlandes Güter zu schützen. Hans Franke.
Humoreske von Günther v. Freiberg.
! [Xachdruck verboten.]
leben in Berlin noch Etliche, die Friedrich Tieck, den Bildhauer,
persönlich kannten. Zwar hat er nicht so viel wie sein Zeitgenosse
Christian Rauch zur öffentlichen Verschönerung der Spreestadt bei-
getragen, aber unvergänglichen Schmuck verlieh er dem königlichen Schauspiel-
hause durch die reichen Giebelfelder und die schwungvolle Bronzegruppe „Apoll
mit Greifengespann" über der Hauptfront. Gleich seinem Bruder, dem Dichter
des „Phantasus", war Friedrich Tieck ein Mann von feinem, gewandten Wesen,
in schöngeistigen Salons ebenso heimisch wie in seiner Werkstatt. Diese teilte
er im Jahre 1803 mit seinem Freunde, dem Maler Joh. Erdmann Hummel, dessen
hübsches, nunmehr längst vergessenes Bild „Die Fermate" E. J. A. Hoffmann zur
Erzählung gleichen Namens anregte. Hummel, im Gegensatz zum massigen
ordnungsliebenden Bildhauer, zog die Kneipe dem Theetisch Raheis und Frau
von Humboldts vor, derb, burschikos wie er nun einmal war. Zu seinem Tieck
Dr. A. Nossig: lilumenfee, Paris 1899.