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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 14.1900

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12. Heft
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Emanuel Reicher
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Unsere Bilder, [10]
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https://doi.org/10.11588/diglit.22226#0304

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KJ2

MODERNE KUNST.

ist, denn Reicher gehurt nicht zu den Künstlern, die einzig um ihrer selbst Maler, der Bildhauer hat sein Material vor Augen, es steht ausserhalb seiner

willen auf der Bühne stehen, vielmehr hat er -es nie begriffen, wie ein Schau- eigenen Persönlichkeit vor ihm, er ist in den Stand gesetzt es nachzuformen in
spieler nur auf seine eigene Rolle bedacht sein kann. Von jeher, als Werdender ungestörter Einsamkeit, allein mit sich selbst; das Wachsen und Werden

instinktiv, als Fertiger vollbewusst, hat er sich sogar dagegen aufgelehnt, nur seines Kunstwerks vollzieht sich ohne störende Zeugenschaft, ohne äusserlich

eine, die eigene Rolle zu studieren. hindernden Einfluss. Wie anders der Schauspieler! Mit seiner gesamten Per-

Frühe schon, zu einer Zeit, da das persönliche Virtuosentum noch stark im sönlichkeit, sozusagen mit Körper und Seele wird er arbeitend hinausgezerrt

Schwünge war und hoch im Preise stand, hat er erkannt, dass die Einzelgestalt in das breite Licht der Bühne und muss auf diesem exponierten Posten uii-

in ihrem Verhältnis zum Ganzen erfasst ausgesetzt sozusagen mit zwei Gehirnen

werden muss, dass nur die Wechselwirkung schaffen. Mit dem einen formt und bildet

der Rollen zu einander das richtige Maass j ~ T "^SßQBOSS^I und überwacht er sich innerlich, ob das

und Bild ergiebt und die Absicht des ! ' 'tv5*|^ was er giebt auch gut und richtig ist, mit

Dichters klar zu Tage treten lassen kann, * pjfi dem andern wahrt und wehrt er sich gegen

dass der Künstler nur durch das Studium ' %1 den äusseren Feind, der ihn unausgesetzt

des gesamten Werkes in den Stand gesetzt ' |jfs umlauert und bedroht, ihn zu hindern, zu

wird, den Charakter, den er darzustellen """SSV stören, zu stürzen, gleichgiltig ob dieser Feind

hat, im richtigen Verhältnis zu den andern, Jt die Gestalt eines in der Coulisse grinsenden

ihn umgebenden abzuschleifen, bis sich • mfc* " % | KViienminnc- oder eines in Ycrdauung-

ciner zum andern findet, einer in den andern IJjT ■£ Schlummer gesunkenen Parkettbesuchers

schliesst. wUmfwm annimmt, ob er sich in dem auffälligen

Je reifer Emanuel Reicher durch Kr- Z <" Toilettenfehler einer Partnerin verkriecht

kenntnis und Beobachtung geworden ist, je t JUw *'rf " '1 oder in einem unmotivierten Lachen von

mehr er über den Beruf des Schauspielers der Galerie her den Schauspieler umlauert,

als Künstler nachgedacht hat, je mein' [ ^ ' ^ wH „ Ä äjil Jedenfalls ist er da dieser Feind, immer da;

die Erfahrungen sich türmen, je ernster j Sir ■■' i / I ' fnlan muss mitten in der innerlichen Arbeit

nimmt er es mit -einem Beruf, ja er steht j \ ^H^J . ''A vor ihm auf der Ilm sein und stets darauf,

nicht an, die vollendete Schauspielkunst, ! fl§| , . ■ \& gefasst trotz allem ein Opfer seiner un-

so, wie sie seiner Ansicht nach noch gar- j f\ ' t yfijj berechenbaren Ränke zu werden,

nicht besteht, sondern erst zum Reifen i ||| Ungeachtet aller Schwierigkeiten aber

gebracht werden soll, als die schwerste hofft Emanuel Reicher das Seine werkthätig

aller Künste zu erklären. VnH dazu beizutragen, die Kunst des Schau

Heut zählt die Schauspielkunst noch t Ek ^QH Spielers sowohl, wie seine soziale Stellung

zu den reproduzierenden Künsten, wenn i HL 711 c'er ""'u' emporzuführen, die dun nicht

sie dahin geführt werden wird, wohin sie : jdwS.Wi nur wünschenswert, sondern notwendig und

geführt werden kann; wenn der Schau- ^M^kAjl erreichbar erscheint.

spieler erst imstande sein wird, den ihm | H Als letzte und schönste Frucht seines

anvertrauten Charakter in seiner Ganzheit 1; ■ ~i0 arbeits-, erfolgs- und erfahrungsreichen

darzustellen, alles was Bildungsgang, Er- Lebens steht ihm seine in der Bildung be-

ziehung, Lebensgewohnheiten, Erfahrungen, griffene „Hochschule für dramatische Kunst"

Berufstätigkeit in diesem Charakter erzeugt, K fL||||'fJllN vor Augen. Sie soll nicht nur den einzelnen

aus ihm gemacht haben, erschöpfend uns WÄ\'. ^^^^^^^^u Künstle]- bilden und erziehen, sie hat sich

zu verkörpern, dann wird die Schauspiel- W?*'-' '■ ' , ^^^^^^^P^h auch die soziale Aufgabe gestellt, den

kunst — so Reichers Auffassung — zu wkxS ganzen Stand auf ein höheres Niveau zu

einer produzierenden werden, und die ly^ \* ' „ ^^t»MB^^^S heben. So soll schon der Anfänger durch

Gestalt, die der Dichter dem Schauspieler QHHHHHHi_______ - ________ ________■BShMuHH sorgfältige Ausbildung und nach Abschluss

an die Hand giebt, wird nichts mehr sein derselben durch Unterbringung an einem

i , «t , ,i ,i i ■ i Emanuel Reicher _, , f , ,

als das Modell, nach dem er gleich dem ,, _ , guten 1 heater der entwürdigenden Anfangs-

in „Hanneies Himmelfahrt von Gernart Hauptmann. ■

Maler und Bildhauer schafft. thätigkeit an den kleinen Schmieren ent-

Als selbständige, neuschaffende Kunst stünde die Schauspielkunst vielleicht zogen werden, deren oberster Grundsatz jene schamlose Ausbeutung und Aus-
beute schon da, wenn sie nicht mit so viel schwierigeren Faktoren zu rechnen nutzüng der Jugend ist, die nicht zuletzt den Grund für die bedauerliche
hätte als die andern Künste. Bleiben wir beim Maler und Bildhauer. Der Korruption eines Teiles des Schauspielerstandes legt. D. D.

<§. Cucucl. Bilder aus der Grossstadt: „Am Mutoskop". „Aeh,
haben Gnädigste schon Mutoskop gesehen?" — „Mutoskop? Was ist das?" —
„Aeh, Gnädigste wissen, unsere Grosseltern nannten das Ding Guckkasten, aber
.die verflixten Techniker unserer Zeit können ja nichts lassen wie es ist; aus

idem Guckkasten haben sie ein „Mutoskop" gemacht."---„Ach das ist ja

reizend, das ist höchst amüsant!" — meint die Schöne, als sie ihr Begleiter an
das Mutoskop in einer grossen Berliner Passage geführt hat. — „Sehen Sie hier
hinein meine Gnädige! Hier können sie sehen, wie man sich verlobt — bei
Mondschein — bitte drehen Sie langsam! Man muss so was langsam ge-
messen". — „Ach, das ist ja köstlich!" ■— „Sehen Sie, Gnädigste, er führt sein
Opfer durch den Park — das haben Sie — dann in die lauschige Ecke — ah,
da ist die brillante Bank" — „Das ist wirklich sehr schön und poetisch!" —
„Aeh, man muss doch mal kennen lernen, wie so 'ne wirkliche Verlobung
gemacht wird, schliesslich ist der Flirt doch immer nur ein — wie soll ich
sagen? — ein Surrogat für die echte Liebe".--

d. Hergers grosses Bild „Faune auf der Keilerjagd" führt eine Scene
aus der antiken Göttersage vor Augen. Faunus wurde von den Römern vorzugs-
weise als Gott der Triften, Fluren und Berge, als Beschützer der Herden ver-
ehrt, der das Vieh fruchtbar macht und schädliche Raubtiere von ihnen abwehrte.
Erst die unter dem Einflüsse der griechischen Mythe stehenden Dichter haben,
entsprechend der griechischen Satyrc und Panisken, eine Mehrzahl aus Faunus:
die Faune, gebildet. Diese wurden dann gern als missgestaltete Waldgötter,
mit krummen Nasen, kleinen Hörnern, spitzigen Ohren, Schwänzen und Bocks-

füssen dargestellt. Die Scene auf unserem Bilde veranschaulicht, wie die Faune,
sich der Tapferkeit ihres Ahnherrn erinnernd, gegen die wilden Keiler kämpfen,
um so das schwächere Getier in Wald und Flur vor Schaden zu schützen.

J|"erdinand Lepckes reizende figürliche Gruppe „Uebcrrascht" machte
auf der letzten Grossen Berliner Kunstausstellung, in Bronze ausgeführt, einen
vorzüglichen Eindruck. Auch unsere Abbildung giebt die künstlerischen Vorzüge
des Werkes ganz vollendet wieder. Die beiden Körper sind brillant modelliert.
Virtuos hat der Künstler zum Ausdrucke gebracht, wie in der weiblichen Gestalt
der Schreck der Ueberraschung übergeht in liebevolle Hingabe, während der
kräftige männliche Körper ihr feste Stütze und Halt verleiht.

ugen von Blaas hat mit seinen lieblichen Mädchenbildern, die fast
alle italienischem Blute entsprungen sind, schon oft die Augen unserer Leser
erfreut. Die vorliegende Nummer veröffentlicht eines seiner anziehendsten Ge-
mälde, die schöne „Maritana"; ein etwas keckes, verschmitzes italienisches
Kind aus dem Volke, sie steht schweigend da und lässt nur ihre Augen und
ihre ganze äussere Erscheinung sprechen. — Auch d'Entraygues ist kein
seltner Gast in der „Modernen Kunst"; auf dem heutigen Bilde „Nach der
Chorstunde" lässt er eine Sehaar von Kapellknaben, die ihre Singübung be-
endet haben, mit einem Pudel spielen, der aber nicht sonderlich viel Lust zum
Unterrichte zu haben scheint. Wie viele Bilder von d'Entraygues, zeigt auch
das vorliegende eine merkwürdige Mischung von anmutiger Auffassungsweise
mit realistischer Darstellungskunst, die nicht oft in einem Künstler sich einigt.
 
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