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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 14.1900

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13. Heft
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Unsere Bilder, [11]
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Friedmann, Alfred: Karneval in Madrid
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Saffeini, W. K.: Die gewonnene Million: eine Geschichte aus Monte Carlo
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https://doi.org/10.11588/diglit.22226#0330

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2ü8

MODERNE KUNST.

im vorigen Jahrhundert" von E. L. Garrido und „Unsere Grossmutter" der Wirklichkeit, nur die bildende Kunst kann sie schaffen, wenigstens so dar-

von G. Linden. Es ist das allgemeine Schicksal aller Grossmütter, dass sie im stellen, dass unser liebes Grossmütterchen in unserem Bewusstsein einmal als

Bewusstsein ihrer Enkel als alte Damen weiterleben, dass man sie immer in jugendfrisches Mädchen auftaucht. Sie war doch nett, unsere Grossmutter, als

altmodischer'Kleidung sich denkt — mit faltigem Gesicht und zitternden Händen sie jung war! Und wie mag sie sich amüsiert haben auf dem Faschingsball!

— vielleicht sehr ehrwürdig, aber doch immer alt. Und doch war auch unsere Denn wären wir wohl sonst ein so fideles Huhn geworden, wenn wir nicht

alte Grossmutter einmal ein blühendes Jungfräulein, dessen Herz schneller schlug, eine so fesche Grossmutter gehabt hätten? — In meisterhafter Vollendung hat

wenn die Fiedel im Dreivierteltakt ertönte. Wie ist das doch schade, dass wir L, Schmutzler die charakteristischen Figuren des italienischen Lustspiels

sie damals nicht beobachten konnten! Sehr schade — aber es lässt sich nicht im 18. Jahrhundert dargestellt. Die tolle Laune derselben, wie das interessante

ändern — jugendliche Grossmütter giebt's nun einmal nicht im Leben, nicht in Kolorit sind prächtig wiedergegeben.

--ocgc;—-

arneVal in #|adiud.

[Nachdruck verboten.]

er Abend im Prado war lau, die Wiesen waren noch kaum grün, die seine Herrschaft, die hat sich heute aufs Land geflüchtet. Denn die Avellanadas y
Ulmenzweige wiegten sich blätterlos in der Luft, Jasmin und gelbe Tiebras sind arm, sie essen trockenes Brot — aber auf den Wagen, die Pferde,
Narcissen blühten, Rosen glühten noch nicht, Nähe und Weite schwam- den Majoral wollen sie nicht verzichten. Und so haben heute die beiden famosen
men wie im Herbstduft, aber der Atem des Frühlings schien von der Sierra Fandango-Tänzerinnen Julia und Maria Rafaela die aristokratische Kutsche — ge-
Nevada zu steigen. Und da wird den Nachkommen der Mauren das Herz doppelt mietet! Ein jüngeres Schwesterchen als Afrikanerin verkleidet und die Vierte, gar
bewegt, sie gedenken sel'ger Zeiten der Vergangenheit und Grösse und — auch noch ein Kind, unterhalten sich mit der Menge oder dem Verlobten Julias, der heute
der kommenden „Citas" des Karnevals. Wer da der tosenden, tollenden Volks- auf dem Bock sitzt, ein Veilchenbouquet haltend, das er später als Tanzpreis der-
menge im Prado lauschend folgt, der kann lachen hören und sehen, ein Zeuge jenigen reichen wird, von der geschrieben steht: Wenn sie wirbelt, scheint's, als
ungezwungener Fröhlichkeit und Gemütlichkeit sein, den Witzworten, dem Brillant- spiele der Wind mit einem losgerissenen Blatte, oder als züngelte eine Spiritus-
feuerwerk der kastilischen Sprache lauschen und sich selbst ein paar zuwerfen flamme auf dem Tische umher. Zwei Manolas aus Sevilla schauen bewundernd zu
lassen. Wo sieht man so kleine Füsschen? Wo so schwarzes Haar von metalli- den schönen Schwestern, sie als grosse Damen von Welt preisend, denen ein Guita-
schem Glanz? Wo solche Feueraugen und Rosenlippen? Wo solche Grazie in rero, den Schlag haltend, eine Copla zum Preise unerreichter Schönheit singt. Ver-
der Bewegung, da Schreiten Tanz und Eilen ein Fandango zu sein scheint? ächtlich seine Cigarillos rauchend, führt ein siegreicher Stierkämpfer seine Braut am
Und das zieht alles, Männlein, Weiblein, Kindlein von der Puerta del Sol die Arme — endlich ist ja der Tag gekommen — der Karneval, der viele Wünsche zu
Alameda hinunter zum Prado; Coplas trällernd, die von Lenz, Liebe, Eifersucht, Erfüllungen macht. Ein bartloser Student aus Salamanca. führt sein Schwesterchen,
den Wundern Sevillas, der Hoheit Granadas erzählen. Und wo giebt es so schöne eine winzige Grisette, durch die Menge; eine Gruppe scheint direkt aus der Arena
Karossen mit blauseidenen Kissen, wo edlere andalusische Pferde? Eben erscheint zu kommen, oder aus der Hochzeit des Figaro, so hübsch sieht der Page Cherubin
— so stellt J. Llovera auf unserem Bilde den „Karneval in Madrid" dar— aus. Dass es an Pritschenschlägern, Guitarren- und Mandolinenspielern nicht fehlt,
solch ein Prachtwagen. Der Majoral, Kutscher, lenkt heute nicht so majestätisch ist gewiss. So wirbelt alles toll, freudedurstig, lebensgierig durcheinander, den
die Rosse wie sonst, er hat schon ein Glas „Tio Tepe" und ein anderes „Soleras" Karneval feiernd, der lustig aufflackert, bis seine Flamme verlischt und ein
betrunken. Die zwei schönen Insassen in weissen Spitzenschleiern sind auch nicht Häufchen Asche wieder an des Lebens Alltagssorge gemahnt. Alfred Fricdmanu.

gewonnene Billion.

Eine Geschichte aus Monte Carlo von W. K. Saffeini.

'.' ' [Nachdruck verboten.]

u den Zeiten, als Mr. Blanc noch persönlich die Spielbank von Monaco und mit der Zutraulichkeit, die sich ein langjähriger Diener seinem Herrn gegen-
in Pacht hatte, war der alte Graf Parchentin, nachdem er endlich über herausnehmen darf, redete er ihm jedes Jahr eindringlicher zu, endlich
seinen noch älteren Onkel beerbt hatte, zum ersten Male in Fortunas diese kostspieligen und für den alten rheumatischen Grafen beschwerlichen
Tempel in Monte Carlo erschienen. Damals führten die rasenden Dampfrosse Reisen aufzugeben. Allein sein Herr war zähe. In der Liebe hatte er kein
noch nicht bis zu der sonnenbeschienenen Goldküste Europas, und als vor- Glück gehabt, er hatte sich allerdings auch nie besonders für Frauen interessiert,
nehmer und reicher Kavalier war auch er in der von Vieren gezogenen, ehr- musste er daher nicht Glück im Spiel haben? Nachdem ihn Fortuna so lange
würdigen Familienkalesche mit Kutscher und Bedienten nach wochenlanger Jahre kaum eines Blickes gewürdigt hatte, würde endlich der Tag kommen, an
Reise im Spätherbst angelangt, um den ganzen Winter unter Palmen und dem sie ihr ganzes reiches Füllhorn über ihn ausschüttete und um so zuversicht-
blühenden Blumen zu verbringen. Es hatte ihm so gut gefallen, dass er jedes licher hoffte er, in diesem, dem dreizehnten Jahre den grossen Coup zu machen,
Jahr, wenn es anfing, im Norden kalt zu werden, wiederkam, und so war er auf den er zwölf Jahre lang gewartet hatte: Die Bank von Monte Carlo zu
ein gern gesehener Stammgast an den grünen Tischen des Kasinos geworden. sprengen. Dann wollte er zum letzten Male gespielt haben, und das hatte er
Mr. Blanc hatte ihn besonders in sein Herz geschlossen, weil er regelmässig seinem alten Waldemar auch versprochen.

grosse Summen im Spiel verlor, und dieser König von Mammons Gnaden nannte Noch am Abend des Tages seiner Ankunft liess er sich, auf .seinen Stock
ihn „in Anerkennung seiner Verdienste", wie er sagte, nie anders als: Mon und den Arm seines alten Dieners gestützt, in die Spielsäle bringen. Mr. Blanc
prince. Der alte Graf liess sich den Scherz gefallen, im Geheimen aber wurmte eilte ihm sofort entgegen und hiess Mr. le Prince freudig willkommen. Das
ihn dieser Spott, und er fasste einen tiefen Groll gegen seinen Gegner im Spiel, Spiel begann. Aber bald umwölkte sich die Stirn des Pächters, der alte Graf
der so vom Glück begünstigt wurde. Dieser Fürstentitel war dem alten Grafen gewann. Er gewann, wohin er setzte, und er setzte nur noch das Maximum,
aber schliesslich teuer zu stehen gekommen. Nicht etwa, dass er in einem Es war, als ob Fortuna selbst seine Hand leitete, jeder Coup schlug ein. Das
Winter Unsummen verspielt hätte, nein, dazu war er zu kaltblütig, und er hatte Gold, die Banknoten häuften sich vor seinem Platze, zweimal bereits hatte man
sein Budget, das er sich gesetzt, nie überschritten. Aber wenn man zwölf Jahre eine kurze Pause machen müssen, um aus der Reserve neues Geld herbei-
lang jeden Winter seine 100000 Franks verliert, so bedeutet das nach Adam Riese zuschaffen. Mr. Blanc lief unruhig hin und her. Er beobachtete den Croupier,
weit über eine Million, die Zinsen gar nicht zu rechnen. das Spiel, er liess die Croupiers wechseln, immer wieder fiel die kleine Marmor-

Inzwischen war die Eisenbahn gebaut, der alte Graf war noch älter kugel zu Gunsten des alten Grafen, der wohlweislich nur auf die einfachen Chancen

geworden und hatte mit den Jahren das Zipperlein bekommen. Nach langem setzte. Verlor er wirklich einmal einen Einsatz, so kamen gleich wieder Serien

Zögern hatte er sich auch der Eisenbahn anvertraut, das ging doch schneller von 6, ja 15 und mehr für den glücklichen Gewinner. Dieser selbst blieb kalt-

und bequemer, nur behauptete er, in ihren Coup6s, deren Fenster nie ordent- blütig. Sein Glück stieg ihm nicht zu Kopfe, er war kaum erstaunt darüber,

lieh schlössen, habe er sich das Zipperlein geholt, und nicht, wie die Aerzte einmal musste das Glück ja kommen, er hatte ja zwölf Jahre darauf gewartet,

behaupteten, durch den häufigen Genuss von altem Burgunder. Dann hätte er Wieder mussten Reserven herangeholt werden, das ganze Publikum fast

ja seinem Lieblingswein entsagen müssen! Diesen Sorgenbrecher konnte er hatte sich um den interessanten Tisch zusammengedrängt, man war auf die

nicht mehr entbehren, denn der Verlust einer Million machte sich sehr bemerkbar, Stühle gestiegen, um den alten Grafen zu sehen, der das Geheimnis der Roulette

die grossen Liegenschaften brachten nicht viel ein und die Anschaffung der ergründet zu haben schien, und dem Mr. Blanc stand der Angstschweiss auf der

nötigen Barsumme wurde in jedem Herbst schwieriger und kostete immer Stirne. Endlich nahte die Mitternachtsstunde und der Croupier verkündete sein:

höhere Prozente. „Messieurs, aux trois derniers!" Diese drei letzten Coups verlor der alte Graf.

Der alte Waldemar, der ihn von Kindesbeinen an bediente, und ihn auf Der Zauber schien gebrochen, aber das Spiel war für heute zu Ende. Er

allen Reisen begleitete, wackelte immer bedenklicher mit seinem weissen Kopfe packte die Banknoten in alle Taschen und stand mit Waldemars Hilfe auf.
 
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