Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 14.1900

DOI Heft:
7. Heft
DOI Artikel:
Eine Weihnachtsgeschichte aus dem Grödener Thal
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.22226#0149

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
MODERNE KUNST.

Schlittenfahrt in St. Ulrich in Tirol.

ßine ^eifinacfifsgescfiicfife aus äem (^röäener ^M.

[Nachdruck verboten.]

f er Toni vom Pechhof und die Vroni, des Kaltnerbauern Aelteste, hatten daran als die Männer. So war es auch bei der alten Kaltenhoferin, der überdies
es eigentlich seit der Sonntagsschulzeit miteinander. Was aber dem die stets schmaler werdenden Rotwangen ihrer Tochter gar nicht mehr gefielen.
Jungvolk passt, ist noch lang nicht das, was die Alten wollen. Diesmal Sie dachte nach und brachte heraus, dass wenn kein Holz mehr auf dem Wald-
haperte es daran, dass der Pechhofer und der Kaltenhofer sich seit vielen streifen stehen würde, der Prozess eigentlich den Boden verloren habe. Aber
Jahren um einen Waldstreifen stritten und lustig darauflos prozessierten, ob- wie dem abhelfen? Um die Weihnachtszeit zieht oft von Deutschland her
gleich das bischen Fichtenwuchs und die Paar AVachholderstauden eigentlich italienisch Volk, das dort gearbeitet und verdient hat, nach der wärmeren
keinem etwas nützen konnten. Heimat durch das Grödener Thal. Drei Tage vor dem Feste kam wieder ein
Wenn sich aber so ein Gebirgsbauer etwas einbildet, so steckt das so fest Trupp und will beim Bärenwirt über Nacht bleiben. Die Vroni stand zufällig
in seinem Schädel, dass er lieber Haus und Hof verspielt, als nachgiebt. vor der Hofthüre und betrachtete sich die bärtigen Gesellen, die, bei wenig
Nun, die zwei konnten das Prozessieren schon eine Zeitlang aushalten, denn sonstiger Habe, Beile und Sägen auf dem Rücken trugen. Also Holzarbeiter,
die Höfe waren bislang schuldenfrei und das Geld klimperte im Kasten. Und da kam ihr jäh ein Gedanke, sie lief zur Mutter, hatte eine längere
Der liebe Gott schert sich aber wenig um Menschenstreiten und hätte viel Unterredung mit derselben, nach deren Verlauf sich die Kaltenhoferin auf-
zu thun, wenn er mit dem Heimrufen warten müsste, bis sich so ein paar machte, um beim Bärenwirt den Weihnachtsbraten zu bestellen. — Es will
Grödener Streitgockl gehörig ausprozessiert haben. scheinen, dass sie auch eine sehr menschen-
So kam es auch, dass eines Tages, ganz unverhofft, der alte Pechhofer freundliche Frau war, denn sie sprach vor dem
sanft und selig verblich, was nicht zum wenigeren dem guten Terlaner zuzu- Wirtshause längere Zeit mit dem Capitano der
schreiben war, dem er zu seiner Stärkung gar zu fleissig'zusprach. Welschen, zeigte ihm die ganze Gegend, darunter
Eine wunderschöne „Leich", ein Leichenschmaus, der zum Andenken an den vielleicht auch den bewussten Waldstreifen und
Toten ganze zwei Tage dauerte, gehörte in den natürlichen Verlauf der Dinge. drückte ihm dann etwas in die Hand.
Der Kaltenhofer glänzte aber durch Abwesenheit, denn wer kann zum Begräbnis Die Italiener gaben ihr Vorhaben, beim
von einem gehen, mit dem man im Prozess liegt. Bärenwirt zu nächtigen auf und zogen vor Dunkel-
Nun sollte man meinen, dass der junge Pechhofer, dem die Vroni fast mehr werden ein Haus weiter, worüber der Wirt nicht
als zu viel im Kopfe steckte, dem ganzen Hader damit ein erfreuliches Ende ärgerlich war.

bereitete, dass er zum Kaltnerbauern gesagt hätte: Da hast Du den dummen Des morgens, so gegen vier, erwachte der

Waldstreifen — gieb mir dafür die Vroni. • Kaltenhofer aus einem sehr angenehmen Traum.

Nein, im Gegenteil. Zuerst, sagte er, wird der Prozess gewonnen und Er hatte den Prozess gewonnen und zweitausend
wenn der Bauer dann mürb ist, ist immer noch Zeit, dass ich der Sache durch Gulden Entschädigung dazu. Das kann einem
einen freiwilligen Rücktritt die Spitze abbreche. Menschen das Herz wohl froh stimmen! Plötz-
Ganze Stösse von Papier verschrieben die Advokaten, denn jeder wollte lieh fing er mit den Augen zu blinzeln an, denn $
beweisen, dass gerade für seinen Klienten die Holznutzung aus dem Waldstreifen durch das Fenster sah er auf der dem Hofe
von ganz besonderem Werte sei. gegenüberliegenden Bergseite eine Flamme auf- I
Die Vroni hatte eine gute Freundin an ihrer Mutter, der der Toni sehr zucken, daneben dann noch eine und so fort, bis -1
wohl als Schwiegersohn gepasst hätte, denn einen braveren Burschen gab es deren eine ganze Anzahl brannte. , '-w^ •
kaum und der Pechhof suchte seinesgleichen. „Heiliger Blasius! Am Berg brennt's! Unser
Wenn sich aber Weiber etwas in den Kopf setzen, so halten sie noch fester Holz brennt."

1
 
Annotationen