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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 14.1900

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Stimmungen
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MODERNE KUNST. 6[

t^er Tharerwirt von Franz v. Defregger. Eine erschütternde Episode ehrwürdiger Greis, war zu Hause. General Broussier bedrohte den alten Mann

aus der Zeit der heldenmütigen Kämpfe der Tiroler um die Freiheit ihres Vater- mit dem Tode, falls der Sohn binnen drei Tagen sich nicht stellen sollte. Kaum

landes hat dem berühmten Maler den Stoff zu seinem Gemälde gegeben, das im hatte Peter Sigmair dies erfahren, so stellte er sich den Schergen. Am zweiten

Tiroler Landesmuseum „Ferdinandeum" in Innsbruck seine Heimstätte gefunden Sonntag nach Neujahr des Jahres 1810 wurde er von den Franzosen erschossen,

hat. Als die französische Exekutionsarmee unter General Broussier im Winter 1809 — Spitz und Dachs sind zwei kluge Hunde, dass aber die in Angst gejagte

das Pusterthal durchzog, suchte die Horde den jungen Peter Sigmair aufzugreifen, Katze einen Esel als „Retter in der Not" finden würde, wie es G.Sperling

der als Oberleutnant in einer Schützenkompagnie gedient und sich besonders auf seinem Bilde darstellt, war ihnen doch nicht in den Sinn gekommen. —

durch Besorgung des Ordonnanzdienstes hervorgethan hatte. Der hielt sich C. B. d'Entrayques' Bild veranschaulicht „Ein Duett", das den Zuhörern weit

jedoch auf einem Nachbarhofe verborgen; nur sein Vater, der alte Tharerwirt, ein grösseres Vergnügen bereitet, als manches im Konzertsaal erklingende Duo.

Hmmunqen.

Clai?a (Deyev. -s=r-

~ [Nachdruck verboten.]

Anzeichen der beginnenden Infektion pflegte das Verschwinden meiner Rollen
zu sein. Wenn ich nach langem Suchen Hero, Julia und Luise mit Fettflecken
tj*anz reizend versteht sie zu plaudern in ihrem weichen, noch immer ein klein auf dem Küchentisch wiederfand, wusste ich Bescheid. Kein Schelten, kein
wenig ans Sächsische gemahnenden Accent. Wer sie dabei beobachtet, wie Mahnen, kein Androhen unausbleiblicher, fürchterlicher Katastrophen nützte -
sie mit der ihr eigenen, herzig schlichten Liebenswürdigkeit lächelt, dass die es musste zur Bühne gegangen werden. Ein schönes, rotblondes Mädchen hat
schönen, festen, weissen Zähne schimmern, wer _ es wirklich bis zum Engagement an einer Wander-

truppe gebracht, eine andere hat den Verstand
darüber verloren, dass es ihr nicht gelingen
wollte, es mir gleich zu thun. Es war wohl
schon immer nicht ganz richtig mit ihr. So
konnte sie, anstatt mich zu wecken, viertel-
stundenlang wie festgenagelt auf einem Fleck
stehen bleiben und mich im Schlaf „etudieren".
Als sie einmal gar Anstalten machte, mich
stürmisch zu umarmen, nachdem sie im Neben-
zimmer, anstatt aufzuräumen, andächtig meinem
Rollenstudium zugehört, musste ich sie entlassen.
Ginge ich nicht für dergleichen Dinge so un-
erhört zerstreut durchs Leben, es wäre wohl
schon früher geschehen, und für das arme Mäd-
chen jedenfalls besser gewesen."

„Leiden Sie so sehr an Zerstreutheit'.-'"
Sie lacht.

„Eine kleine Probe für viele. Ich hatte mitten
im Winter ein Gastspiel für drei Abende in drei
verschiedenen schleswig-holsteinischen Städten
abgeschlossen. Zuerst nach Flensburg. Auf der
Fahrt dorthin war's bitter kalt, die ganze Gegend
tief verschneit. Hinter Hamburg steigen mehrere
Offiziere zu mir ins Coupe. Halb im Schlaf
glaubte ich zu verstehen, dass auch sie nach
Flensburg wollen. Ich höre etwas von einem
grossen Ballfest sprechen und dai's die Offiziere
im Bahnhofshotel absteigen wollen. Das Bahnhofs-
hotel hatte auch auf meinem Programm ge-
standen. Ich ermuntere mich so weit, mir zu
sagen, dass da Gefahr im Verzuge ist und es

die jugendlichen Bewegungen ihrer noch immer
schlanken, eleganten Gestalt verfolgt, der wird es
kaum für möglich halten, dass die Erzählerin in
dem Stück Berliner Schauspielhausgeschichte,
von dem sie plaudert, selbst eine Hauptrolle ge-
spielt hat. Was bei diesem Plaudern alles wieder
vor uns lebendig wird! Stücke, an die heute
kein Mensch mehr denkt und über die damals
„tout Berlin" in Aufregung geraten ist, Dichter,
die längst von der Höhe ihres Ruhmes wieder
herabgestiegen sind, Kollegen und Kolleginnen,
die der kühle Rasen oder, was schlimmer ist, das
Vergessen deckt.

„Aber, von sich selbst sollen Sie erzählen!
In erster Stelle von sich selbst!"

Sie lächelt ein kleines, nachdenkliches, rück-
schauendes Lächeln.

„Als ich noch jung war, blutjung, und von
Dessau hierherkam, da war mein Leben eitel
Sonnenschein. Schwierigkeiten, Bedenken gab
es nicht für mich. Ich gefiel immer und siegte
überall, ich dachte garnicht daran, dass es je
anders sein könnte. Angst vor einer Rolle, Be-
klommenheit vor oder während des Auftretens
gab es nicht für mich. So, dacht' ich, . müsse
es immer bleiben, so sonnig und schön und
einfach und selbstverständlich. „Die Thränen
und die Seufzer, die kamen hintennach" als die
komplicierteren Aufgaben der Modernen an mich
herantraten, als Ausstellungen und Vergleiche
gemacht wurden. Ich siegte noch immer, aber
nicht so leichten Herzens, und oft beklommen Clara Meyer. unter sothanen Umständen geraten scheine,

wurde meine Stimmung, insbesondere vor grossen, Nach ciner phot°graPhie von J- c; Scharwäckter, Hofphotograph, Berlin. telegraphisch ein Zimmer zu bestellen. Gedacht,

tragischen Rollen. Die selige Unbekümmertheit der ersten, goldenen Jugend war gethan. Auf der nächsten Station wird das Telegramm aufgegeben, ganz ins-
eben vorüber, aber schön war's noch immer, schön blieb es bis zuletzt, denn geheim, dass nur die Offiziere nicht Lunte riechen und meine Vorsicht nachahmen,
meine Berliner blieben mir treu. Wissen Sie, wer die Treuesten unter den In dem Bewusstsein meine Schuldigkeit gegen mich selbst gethan zu haben, schlafe
Getreuen waren? Meine lieben Studenten und jene Schar junger, halbwüchsiger ich wieder ein. Plötzlich Lärm und Unruhe im Coupe. Irgend etwas wird aüs-
Mädelchen, mit den blonden, braunen und schwarzen Hängezöpfen, die sich nicht gerufen, was mir wie Flensburg klingt. Natürlich Flensburg, denn die Offiziere
genug thun konnten an liebender Verehrung — ach es war eine herrliche Zeit —I" steigen aus. Ich ihnen nach oder vielmehr ihnen voran. Ich stürze ins Bahhhofs-
Von den „lieben Studenten" erzählte Clara Meyer noch so mancherlei. Wie hotel. Mein Telegramm ist nicht angekommen, aber ein geheiztes Zimmer mache
sie durch Jahre Mittelpunkt und Seele ihrer Vorstellung gewesen, und wie ich den Offizieren doch abspenstig. Wer zuerst kommt, mahlt zuerst. Ich mache
manche Not sie mit der lieben, grünen Jugend gehabt. „Nein wirklich, mein mirs ein bischen bequem, das Notwendige dazu aus meiner Handtasche nehmend,
lieber Herr Othello, ich kann als Desdemona nicht Sie erwürgen, die Sache ist dann schicke ich den Hausknecht nach meinem grossen Gepäck. Ehe ich meine
umgekehrt, wohl oder übel werden sie sich entschliessen müssen, mich an- Kostüme nicht bei mir habe, bin ich nicht ruhig. Nach einer Ewigkeit kommt
zufassen und mir den Hals umzudrehen. Und Sie, mein lieber Romeo, es hilft der Hausknecht mit der lakonischen Meldung zurück: das Gepäck sei nach
Ihnen nichts, Sie müssen mich umarmen, wenn das Publikum an Ihre Liebes- Flensburg weiter gegangen. „Ja, in Flensburg, da bin ich doch!" Der Haus-
schwüre glauben soll —," Und herzlich lacht sie auf. „Nein, was gab das für diener grinst. „I wo, gnädige Frau sind doch in Rendsburg!"
drollige Situationen, wenn die Herren glaubten, vor lauter schamhafter Ver- Tableau! halbe Ohnmacht, Depeschenwechsel, erster Gastspielabend futsch!"

ehrung fünf Schritt Abstand halten zu müssen! Aber schliesslich ging es ganz Aber nicht nur hübsch zu plaudern, auch amüsant zu schreiben versteht

gut und wir hatten unsern Erfolg. — Und mit welchem Enthusiasmus dankten Clara Meyer. Vor mir liegt ihr mir freundlichst anvertrautes Tagebuch, das -ie
sie mir meine Mitwirkung an ihren Vorstellungen! Die donnernden Beifallssalven, auf ihrer grossen Reise durch den Orient, Griechenland und Italien im FrüHjahr
mit denen sie ihren Dankestribut gezollt, sind den armen Kerlen schlecht genug 1891 geführt hat. Es beweist einen ausserordentlich scharfen Blick für drastische,
bekommen. Gehässige, neidische Kolleginnen haben solange geputscht, bis ungewöhnliche Situationen und, was man unserer sentimentalen Liebhaberin par
meine Getreuen aus dem Parquet auf die Gallerie verbannt worden sind. Die excellence so garnicht zutraut, einen ausgesprochen frischen Sinn für Humor,
armen, lieben Studenten! — Dann hatte ich noch eine ganz besondere Sorte von Sich selbst schont sie dabei keineswegs, wie ihre Schilderung einer nächt-

Verehrerinnen — das waren meine Dienstmädchen. Die guten, dummen Dinger! liehen Aetnabesteigung beweisen mag.

Bei denen hat meine Kunst sogar ansteckend gewirkt, und keine Schutzimpfung „— Es war inzwischen stockfinster geworden und der Führer schien den Weg

gegen diesen gefährlichen Bazillus wollte ihre Schuldigkeit thun. Das erste nicht genau zu wissen. Nach zwei Stunden kamen wir an grosse Schneefelder,

NIV. 4. IV.
 
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