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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 14.1900

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13. Heft
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Stimmungen
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210

Hmmungcn.

[Nachdruck verboten.]

ßeimicmn Sudevmann. . *mZf;ipendium^ewährtwulde- a1*student

,. der Philologie, nachdem er in Königsberg vier
So manche alte Sitte, so mancher alter, , Semester absolviert hatte, zog Sudermann ohne
künstlerischer Brauch bürgert sich wieder bei ^e/^jMittmmm^ Mittel, ohne Verbindungen, in Berlin ein. Ein
uns ein, der zu dem Milieu stimmt, mit dem ftjSHHp \ glücklicher Zufall fügte es, dass er als Haus-
sich von der Gunst des Schicksals bevorzugte lehrer zu den Söhnen Hans von Hopfens kam.
Menschenkinder umgeben. So auch ist das Hopfen unterstützte des jungen Menschen erste
Ex libris wieder aufgekommen, und hervor- litterarische Versuche, ohne selbstverständlich
ragende Zeichner und Maler stellen sich mitten ^^Rftf .J^ttf^t die Kraft und Fülle der Begabung, die in ihm
zwischen ihren bedeutenden und umfangreichen "J^* schlummerte, ahnen zu können. — Wenige
Schöpfungen hie und da die Aufgabe, ein m f ■ Jahre später begann Sudermann seine Lauf-
solches Ex libris zu entwerfen. — Nicht immer ' . •säte. bahn da, wo sie die meisten Männer der Feder
niai; die Aufgabe leicht oder dankbar sein, die J[^HHfev beginnen, im Journalismus; er wurde Redacteur
richtigen Attribute, die charakteristische Sym- am Rickertschen Deutschen Reichsblatt. —
bolik für den jeweiligen Empfänger eines Bücher- Jk 'HBHMBB^BBfc Jetzt, wenn Sudermann am Fenster seines
Zeichens zu finden. Hermann Sudermann aber atfJBB^^s, '^mBSBUMI märkischen Schlosses steht, lächelt er wohl ein
hat seinem Ex libris-Zeichner, Emil Doepler ; 1 wenig wehmütig über diese Zeit, lächelt sinnend
dem Jüngeren, diese Aufgabe sicherlich zu ilM^H» '.;*• - fort bis all dies Schwere, Mühselige, wider die
einer dankbaren gemacht, und so ist denn auch ■', v . eigenste Natur gerichtete, hinter ihm liegt, bis
ein selten schönes und bemerkenswertes Blatt ■ ' i er bei seiner Erlöserin — in diesem Falle der
für die Bibliothek des Dichters entstanden. gerade Gegensatz des nomen et omen — „Frau
Eine prachtvolle nackte Frauengestalt, das Sorge" angelangt ist. Auf Sudermanns Heimat-
Haupt von einer Strahlenglorie umgeben, in der schölle spielend, auf der er jede Ackerkrume,
weit ausgestreckten Hand einen Spiegel, so jede verfallene Käthe kennt, auf der er die
steht die Wahrheit neben einer zarteren Frauen- matten Herzschläge des Flungers, die wilden,
gestalt, der Dichtkunst, die in antike Gewänder / begehrlichen der Sünde belauscht hat, übte
gehüllt, ernst geneigten Hauptes den Griffel das Buch in seiner unbarmherzigen, grausam
führt. Sezessionistisch gehaltener Blumen- packenden Wahrheit eine gewaltige Wirkung
schmuck umblüht die beiden Figuren. — Mit Hermann Sudermann. aus yon jleut zu morgen Sprach man von
besonderer Freude mag Hermann Sudermann die wertvolle Bibliothek seiner Stadt- Hermann Sudermann. Mit einem Schlage der ermüdenden Pflicht für die Tages-
wohnung, die auserlesene Büchersammlung auf presse ledig, durfte er sich ganz dem freien
seinem Schlosse Blankensee mit diesem Bücher- Schaffen widmen. Es entstanden in rascher Folge,
zeichen schmücken. Vornehmlich der Stimmung was inzwischen Gemeingut geworden ist, die Ro-
des alten märkischen Schlosses in der Nähe von mane: Der Katzensteg, 1813 in Westpreussen
Trebbin, fügt es sich prächtig ein. Ein Schloss, spielend, ein dramatischer wie eigens für die
wie aus einem der Romane Fontanes hervor- Bühne geschaffener Wurf, eine Novellensammlung
gestiegen, mit seinen urfesten Grundmauern im „Die Geschwister", und der dritte grosse Roman
märkischen Boden förmlich festgewachsen, von „Es war". — Seine dramatische Laufbahn begann
uralten Bäumen umrauscht, von grünen Bosketts Sudermann, wie allbekannt, mit der „Ehre", einem
umgeben, zwischen denen alte, graue, halbver- Schauspiel, das sich die ganze Welt erobert und
wetterte Sandsteinfiguren die Glieder schmiegen das in Berlin als erster herauszubringen, ein jeder
und recken — ein still verträumtes Dichterheim. Theaterleiter sich scheute, bis Oskar Blumen-
Russische Denkmünze zur Erinnerung an Wenn Sudermann in einem der hochge- thal der „Ehre" das Lessing-Theater öffnete. Es Russische Denkmünze zur Erinnerung an

die Schlacht an der Katzbach. (Avers.) wolbterl) ein wenig düstem Räume Steht, deren , folgten „Sodoms Ende", das, seiner krassen Zu- ^ Schlacht an der Katzbach. (Revers.)

Wände mit den Ahnenbildern der einstigen Schlossherren und Schlossfrauen — die stände halber, die man für unglaubwürdig hielt, bis sie ein Jahr später von der
holden Schlossfräulein in Reifrock und Puderperrücke nicht zu vergessen — ge- Wirklichkeit noch weit überholt wurden, es in Berlin zu keinem Erfolge bringen
schmückt sind, in denen alte wertvolle Kunstschätze des Cinque Cento, die er selbst konnte, während es in Süddeutschland noch heut tiefe Wirkung übt, „Die
in Italien — nächst Paris seinem Lieblingsaufenthalt — Schmetterlingsschlacht", „Heimat", das Paradies aller
gesammelt, aufgehäuft stehen, wenn er aus diesen j~ ' l /M^SSl' >' ' wu*£90i 4 ' S-t> ja j gastierenden Virtuosinnen, das stille, fein empfundene
Räumen hinausblickt in den üppig grünenden Park und ^ | ( /^ä&LqSB „Glück im Winkel", „Morituri" mit seiner Perle unter
mit berechtigtem Stolz sich sagen kann: das alles hast | / fsRpfl i$fl**i^3jä| 11 allen Sudermannschen Bühnenarbeiten „Fritzchen", das
Du Dir selbst zu danken, dann fliegen seine sinnenden { J jm^^^SLyJ^^^S^ f> % dramatische Gedicht „Johannes" und endlich Suder-
Gedanken auch wohl zu kurzem erinnernden Weilen in I \\~- manns Schmerzenskind „Die drei Reiherfedern". Inn
eine Zeit zurück, da er, ein unbekannter junger Mensch, | ' / | WBmMyT i\ bittrer Tropfen in dem vollgefüllten Becher des Ruhmes,
auf Schritt und Tritt von äusserer Not und Sorge um- LI ■HWr Äl \ ein nicht zu überwindendes, nagendes Weh! Dass die
lauert, aus seiner ostpreussischen Heimat nach Berlin, • ! | | MMwL/ ^ arf^M Tageskritik sich den Reiherfedern gegenüber ablehnend
dem Paradies aller strebenden jungen Geister, kam. jjK\f § Pf^fijffl *'^iffS lü\\ verhielt, verschmerzt der Dichter, dass das Publikum
Keine allzulange Zeitstrecke brauchen des Dichters 1/ ' JW'( • ~~ \A fSl \ I,, ihm auf diesem Wege nicht folgen wollte, blieb ihm ein
Gedanken da zurückzupilgern, denn Hermann Suder- f> ^^^^/■M^^^äI^jM^wI \l\ schweres, ungelöstes Rätsel. Dennoch hofft er auf
mann hat in noch sehr jungen Jahren die erste Sprosse i | ro| I JmJ l'^^^r^J^j^^yM VI \ den Tag der Reiherfedern!

der Ruhmesleiter erklommen. d • 1 11 Ä|M^^*T/^^^^^^^^^^ 1 Der Fleissige, nur seinem Beruf Ergebene, der

So steht die harte, rauhe, freudlose Jugend noch S |l5 J 11 ffl» A ff V neben ihm keine anderen Götter kennt, der dem Ruf

dicht hinter ihm. Die Knabenjahre auf dem Gymnasium f^Vrc in^HH^ / \ j \V1 'iWf^Sre in die Geselligkeit nur gezwungen folgt, der in der Früh

in Tilsit, aus dem ihn, von der Sekunda, das Macht- fflj! läBKsi^iL W&mBß um ;u''u l-"'ir am Schreibtisch sitzt, bis mittags bei der

wort des Vaters jäh vertrieb, der die Mittel nicht länger ^sifil^TOr^' ^"^S^-^^ ,. J^BfjjBjZ Arbeit bleibt, dann ein paar Stunden spazieren geht,

gewähren wollte oder konnte, um dem Knaben die ^^^^n^Wm^^K^'T^^^^^^^^S^^ um gegen Abend die Arbeit wieder aufzunehmen, dessen

vollständige Absolvierung des Gymnasiums zu ermög- m^^Vki^tf .' . ! ^^'"^^^S-rfvl 3Tj einzige Erholung der Genuss und das Studium der

liehen. Dann die Zeit, da er sich widerstrebend der ^^H|^^UH| i j ig-Ä^/^^^^Ä SB Natur sind, hat wiederum ein neues Bühnenwerk voll-

Pharmazie ergeben musste — in seltsamer Ueberein- W&ßGmF?3r Ii iL^fif V^P^^^^N {p «B endet, das am Deutschen Theater in Berlin zuerst

Stimmung mit seinen grossen Dichterkollegen Ibsen und '^Hi^M^fj^^^M rrmK""^^/^^^ Bl erscheinen wird: Johannisfeuer, ein modernes Drama in

Fontane — und die er zum grössten Teil damit ver- |^ _ia/bfffB^jL jjffljM' ^W^p )j g|g vier Akten, in dem Heimatboden Ostpreussens wurzelnd,

brachte, heimlich über den Büchern zu sitzen, um sich ' /^•/S^^^^^^J^y^lWi'.t^SSSp*** Ipl Ist es in seiner Art ein Wurf, wie die von Heimatluft

auf eigene Hand für die Prima und das Abiturium vor- ; "^^jjt Sl^^^^^y^^^^^^^^Sf^j^^g durchtränkte „Frau Sorge", so dürfte Sudermann einen

zubereiten. Was er erstrebte, gelang. Er bestand das rHiER^\A..NI N ^^DER^VANIN4! Erfolg emporblühen sehen, der die Schmerzen um

Examen und zwar mit so grosser Auszeichnung, dass ' die Reiherfedern bald vergessen macht. Bora Duncker

Hennann Sudermanns Büc.herzeichen.

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