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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 14.1900

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6. Heft
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Misch, Robert: Der Adelsmensch, [5]: Roman
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https://doi.org/10.11588/diglit.22226#0120

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Die Pianistin Dorothy Lethbridge.

Der üdelsmensdj.

Roman von Robert Misch.

[Fortsetzung.] [Nachdruck verboten.]

cisst Du, trotzdem sie sehr reich sind, geht es doch oder bedauerten und bemitleideten Meta, dass sie noch nicht dort gewesen

mß> ^ei Sperrs verhältnismässig einfach und äusserst ge- sei. Sie selbst als musikalische Töchter zahlungsfähiger Väter kannten

mütlich zu," sagte Rohde zu seiner jungen Frau. Bayreuth natürlich alle aus eigener Erfahrung.

^5% „Ich glaube, es wird Dir dort gefallen. Die alte „Ich beneide Sie," meinte Fräulein Elsa Sperr, „um den ersten Ein-

^. .....

Dame ist meine mütterliche Freundin und sehr gut druck, den Sie dort haben werden. Es war eine Sensation für mich, wie

und nett. Und die Tochter ist ein Schöngeist . . . Ihr werdet Euch ich sie nie vorher noch nachher gefühlt. Ueberhaupt beneide ich Sie um

sympathisch sein." all' die musikalischen Genüsse, die Ihnen noch neu sind und noch bevor-

„Ich bin kein Schöngeist, Ernst . . . weisst Du das noch immer nicht? stehen."
All' dies ästhetische Geschwätz, wie Ihr es hier betreibt, lässt mich kalt, Meta lächelte zustimmend, meinte aber, sie sei im ganzen recht

ja ist mir zuwider." unmusikalisch. Eher mache sie sich schon etwas aus dem Schauspiel,

„Nun ja, ja," sagte er lachend und küsste sie — „Du bist meine wenn ein recht gutes Stück gegeben würde,
kleine Adelsmenschin, meine Weltverbesserin und Gelehrte. Und wenn „Aber Sie spielen doch Klavier?" fragte man sie erstaunt,

die Frauen ins Parlament dürften, wählten sie Dich hinein." »Nur sehr wenig."

„Ich bin einfach eine moderne Frau." Die jungen Damen lächelten mitleidig überlegen. Also ein richtiges

Sie liess sich ein wunderhübsches, nilgrünes Seidenkleid zu diesem Landgänschen.
Ereignis bauen. Ihr Trousseau enthielt ausser einigen Haus-und Strassen- „Ich glaubte," meinte Fräulein Elsa spöttisch, „Sie interessierten sich

toiletten nur eine prächtige Staats- resp. Ballrobe von Gerson, die dazu für die Kunst oder seien selbst künstlerisch veranlagt. Ihr Gatte hat uns

natürlich nicht passte. als Bräutigam einige Andeutungen gemacht, dass er eine sehr „ideal" ver-

Mit klopfendem Herzen und ziemlich hohen Erwartungen fuhr sie anlagte Braut hätte."
abends zu Sperrs, die übrigens nicht im fashionablen Westen, sondern »Hm — da meinte er wohl etwas anderes. Ich dilettiere ein wenig

in ihrem eignen Hause im Centrum der Stadt wohnten — einem alten in der Litteratur und in Wissenschaften."
Kaufmannshaus mit riesigen Höfen und Magazinen, das schon dem Ur- „Und darf man fragen, auf welchen Gebieten?"

Grossvater des Kommerzienrates gehört hatte. „Gewiss! Ich treibe ein bischen Philosophie und soziale Oekonomie."

Ernst setzte ihr auseinander, dass Sperrs Reichtum ein alter, durch „Also sind Sie eine Frauenrechtlerin?"

Generationen vermehrter, solider Besitz sei — nicht zu verwechseln mit »Bis jetzt nur ganz theoretisch und auch nur bis zu einem gewissen

den schnell und nicht immer reinlich zusammengehäuften Vermögen Grade."

moderner Finanziers und Spekulanten. „Lesen Sie auch Nietzsche und Schopenhauer und so die anderen?"

„Die Firma ist über hundert Jahre alt," sagte Rohde mit einer Hoch- . Es war Meta nicht recht klar, wer mit den „Anderen" gemeint sei;

achtung, die Meta innerlich komisch vorkam. aber sie nickte zustimmend.

Grosse, weite Räume, festlich beleuchtet, mit altmodisch-steifer Ele- „So, so, das ist ja sehr interessant! Dann sind Sic also eine gelehrte

ganz eingerichtet, in denen sich eine geputzte Menge von etwa zwanzig Dame, so 'ne Art wissenschaftlicher Blaustrumpf," sagte Fräulein Elsa

bis dreissig Menschen bewegte, d. h. eigentlich nicht" bewegte. Nachdem lächelnd.

sie die Wirte begrüsst hatten und flüchtig einigen Herrschaften vorgestellt Und diese wohlerzogenen jungen Damen blickten sie halb bewundernd,

waren, wurde Meta von der Kommerzienrätin in eine Ecke zu zwei Damen halb spöttisch an. Hat sie sich damit ihren Mann erobert? war in ihren

mittleren Alters geführt, die sie in ein Gespräch über den Unterschied der Mienen zu lesen.

Eier- und Butterpreise in Stadt und Land verwickelten, darauf auf die Markt- Das Gespräch wendete sich dann wieder der Musik und dem Theater

preise im allgemeinen und zuletzt auf die Entartung der Dienstboten, sobald zu; und hier war ein Lieblingsthema berührt, das merkte man den beredten

man sie aus dem Heimatboden nach Berlin verpflanze, zu sprechen kamen. Zungen an. Man schwärmte für Kainz und die Sorma und andere Lieblinge,

Kaum hatte sie sich hier frei gemacht, so geriet sie in die Hände von deren Eigenschaften man genau erörterte und gegeneinander abwog. Von

Fräulein Kommerzienrat, die auf den süssen Namen Elsa hörte und auch den Stücken und den Dichtern war weniger die Rede; und was darüber gesagt

von Richard Wagner klug zu reden anfing. Einige gleichgestimmte, junge wurde, schmeckte sehr nach Zeitungskritik. Meta erkannte direkt gewisse

Damen, alle ziemlich mager und blutarm (im Gegensatz zu ihren voll- Wendungen aus den Blättern wieder, die sie selbst hielt. Bei einiger Uebung

busigen Müttern), schwärmten dann von Bayreuth und verwunderten sich und Aufmerksamkeit, dachte sie, würde man also erraten können, welches
 
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