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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 14.1900

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15. Heft
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Bethusy-Huc, Valeska: Wanderndes Volk, [2]: Roman
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https://doi.org/10.11588/diglit.22226#0374

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K. v. Uechtritz: Wandbruni en

Wanderndes Wölk.

Roman von Moritz von Reichenbach.

(Valeska Gräfin Bethusy-Hüc.)

III. [Fortsetzung.] -'- [Nachdruck verboten]

chloss Tannwald hatte Fcstsc m ck angelegt. Ein reicher Blumenflor „Siehst Du, Mama, Du bist immer köstlich, aber am köstlichsten bist Du,

schmückte das Treppenhaus und war geschmackvoll in den verschiedenen wenn Du auf Deine Weise irgend wie oder wo sparen willst — das liegt Dir

Salons verteilt, die zum Empfang der Gäste bereit standen. nicht in der Natur, und ich habe das von Dir geerbt!"

Hardy sprang, immer zwei Stufen auf einmal nehmend, die Treppe hinaul Er sprang von seinem Schaukelstuhl auf und umarmte die Mutter so-

und pochte ungeduldig an das Toilettenzimmer seiner Mutter. stürmisch, wie er das als Schulknabe gethan und wie er es sich trotz alles

„Mama!" sonstigen Salonschliffs auch jetzt noch nicht abgewöhnt hatte. „Und schön bist

„Wir sind noch bei der Toilette, Hardy," klang die Stimme der Gräfin. Du heute, Mama, schöner als die Mädel alle zusammen!"

„Aber Ihr müsst doch fertig sein, jeden Augenblick können die ersten Wagen „Aber Hardy, Wildfang, meine Spitzen!" Trotz der Abwehr sali die Gräfin

vorfahren!" lachend und glücklich aus.

„Lass' Hardy herein, Mama, wir sind ja so gut wie fertig," klang Juttas „So warte doch wenigstens, bis Mamas Taille fertig ist," rief Mitmi un-
Stimme drinnen und geduldig. „Du bist wirklich zu kindisch!"

„Na so komm' nur!" rief die Gräfin. «Sag' lieber, weshalb Du wie ein Wirbelwird hier hereinstürmst," sagte nun

Hardy öffnete die Thür, aber kaum hatte er die Schwelle übertreten, so auch die Gräfin mit einem vergeblichen Bemühen, ihren Liebling strafend an-
brach er in ein lautes Gelächter aus. Er warf sich in einen neben der Thür zusehen. War ihr doch stets, als müsse sie durch verdoppelte Zärtlichkeit gut
stehenden Schaukelstuhl, streckte die mit schwarzen Lackschuhen und seidenen machen, was das Schicksal diesem Sohne gegenüber verschuldet hatte, indem
Strümpfen bekleideten Füsse weit aus, bog den Kopf über die Lehne zurück und es ihn nicht als Erstgeborenen und Majoratserben hatte zur Welt kommen lassen,
lachte — lachte! „Also sag' uns, was giebt's, mein Junge?"

„Na da haben wir's," rief Minni ärgerlich, während Jutta mitlachte und die „Ja so, das hätte ich beinah' über diese prachtvolle Schnürerei en masse

Gräfin nun doch einmal ihrem Liebling gegenüber missbilligend den Kopf vergessen — Du und Hugo Ihr habt bei der Tischordnung beschlossen, dass ich

schüttelte. die Liska führen soll — das mag ich aber nicht!"

„Da ist nichts zu lachen," sagte sie, aber — lächerlich war die Situation „Aber weshalb denn nicht?", fragte die Gräfin und das Schwesternchor echote

dennoch. so lebhaft „weshalb denn nicht?", dass Hardys Stirn sich rötete und er, fast in

Die vier Damen standen in dekolletierten Gesellschaftstoilletten eine hinter der den Ton eines eigensinnigen Knaben verfallend, sagte:

anderen. Die Reihe wurde von einer Zofe beschlossen und die Beschäftigung „Mein Gott, für so 'was hat man doch keinen besonderen Grund! Das ist

aller war dieselbe: sie schnürten einander die hinten geschlossenen Taillen zu. Geschmackssache!"

Nur die Gräfin-Mutter, als die erste in der Reihe, schnürte nicht, und sah Hardy „Du hast Liska eben seit einem Jahr nicht gesehen," rief Jutta, die inzwischen

vorwurfsvoll an. die Zofe fortgeschickt hatte, um frische Rosen vom Gärtner zu holen, „Du wirst

„Da ist nichts zu lachen," wiederholte sie, „ehe vier Damen angezogen sind, das Dich wundern, wie sie sich verändert hat." — —

dauert eine Weile, und dieser abscheuliche Rückenschluss, und heut, wo Ellinor „Sie hat sich wirklich sehr embelliert," sagte die Gräfin, und Ihr habt Euchi

sich von meiner Bertha frisieren lässt, weil sie findet, dass die es besser macht wie doch als Kinder immer gut vertragen." — —

ihre Donnas — da muss man darandenken, Zeit und Arbeitskräfte zu ersparen!" „Und alte Liebe rostet nicht," rief Minni neckend dazwischen.
 
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