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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 14.1900

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12. Heft
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https://doi.org/10.11588/diglit.22226#0290

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I1

Nummer 14 wird die „Moderne Kunst" mit dem Abdrucke des neuen Romanes von

JWorJtz von Reichenbach „Wanderndes Volk"

beginnen. Damit wird ein Werk veröffentlicht, das seines höchst aktuellen Inhaltes wegen grossen Beifall finden wird. Moritz von Reichenbach schildert, wie
der Mensch — welchen Alters, Geschlechtes, Standes er auch immer sei — nur in wirklich ernster Arbeit sein Lebensglück rinden kann, wie alle Schranken
der Nationalität, des Geschlechtes, der Geburtsvorrechte verwischt und zertrümmert werden durch die Hingabe an eine ernste Lebensarbeit und wie weiterhin
alle jene Menschen versinken in Not, Einsamkeit oder Vergessenheit, die das Glück des Erdendaseins in Wohlleben, Spiel, Vergnügen, Flirt und halsstarrigem
Versteifen auf Standesvorzüge und ähnliches gründen wollen. Einen so vielgestaltigen Stoff in so abgerundete Form zu bringen, gelingt auch dem besten
Autor nicht bei jedem seiner Werke in gleich vorzüglicher Weise, wie es Moritz von Reichenbach in seinem „Wandernden Volk" geglückt ist.

) ie alljährlich erscheint zur Frühlingszeit als Extra-Ausgabe die bereits in Vorbereitung begriffene

Frühlings Rümmer der „Modernen üunst".

Sie soll das Erwachen der Natur zu frühlingsfreudigem Leben, zu Knospentrieb und Blütenzauber in Text und Bild in glanzvollster "Weise feiern. Den vornehmsten
Reiz dieser Nummer werden daher zahlreiche farbige Kunstblätter bilden, welche in Bezug auf Feinheit der Wiedergabe von Meister-Originalen vollendete Pracht-
leistungen sind und als das Höchste gelten müssen, was auf dem Gebiete der künstlerischen Reproduktion bisher erreicht wurde. Eine Fülle ausgezeichneter Text-Illustrationen

und Kunstbeilagen nach Originalen erster Künstler wird im Verein mit geistvollen und fesselnden
Schilderungen aus der Feder hervorragender Schriftsteller aufs neue beweisen, dass die „Moderne
Kunst" das Leben unserer Tage in seinen verschiedenen Erscheinungsformen in geschmackvollster
Abtönung wiederspiegelt. Wir liefern die Frühlingsnummer der „Modernen Kunst"

m

den Abonnenten zum Vorzugspreise von nur 1 Mark,

während der Preis für Nichtabonnenten 2 Mark beträgt.

Redaktion und Verlag Von „Moderne Kunst'.

Def Gefangene

Streckungsart das Urteil wieder aufgehoben. Erst sollte in fernsten Ländern

er enthauptet, dann ans Kreuz geschlagen, schliesslich befindlichen Deut-

deS Mahdi am Balgen gehenkt werden. In humorvoller Weise sehen gedenke.

* schilderte er den Wechsel der Empfindungen, der ihn —«-—

^^l'fel?1^1 Karl Neufeld, so weit brachte, dass er es endlich als eine ungeheure ntrH MpfhriPft

liqjljfr■fe-lpiw der Gefangene des Erleichterung empfand, nur gehenkt zu werden. Zu UUrU JtlCWlUGU.

Mahdi, stellte sich guterletzt wurde ihm noch die Ueberraschung zu Teil, Auch demGe-

■ • 1 11 I i r l rts VOr e'n'Ser Zeit im dass der Khalif ihm die Todesart freistellte, weil er von neral Methuen F. W. Reitz, Staatssekretär des Innern

grossen Saal des dem Mute Neufelds angenehm berührt sei. Dann erst ist es nicht ge- von Transvaal.

Architektenhauses zum ersten Male nach seiner glück- kam der Bote, der die Rücknahme des Todesurteils über- lungen, im Transvaalkriege das Glück an die Fahnen

liehen Befreiung dem Berliner Publikum vor, um persön- brachte. Da die Gefangenen für sich selbst zu sorgen seines Heimatlandes zu fesseln. Er zog nach dem

lieh über die wunderbaren Erlebnisse während seiner hatten, so starben viele, die nicht von Freunden versorgt diamantenreichen Kimberley um die dort internierte

zwölfjährigen Gefangenschaft im Sudan zu berichten. wurden, einfach Hungers. Neufeld fürchtete wahnsinnig englische Armee zu entsetzen. Aber die Boeren haben

In Westpreussen, nahe Marienburg geboren, steht er ihm den Weg abgeschnitten, so dass er sein Ziel nicht

jetzt im vierundvierzigsten Lebensjahre. Mit weit durch i ———hj.h mn.. ......■' \ erreichen konnte. Dazu ist ihm der Rückweg abge-

den grossen Raum tönendem Organ begann er seinen ;.flft schnitten worden, so dass seine Streitkräfte zunächst
Vortrag, der einen sensationellen Charakter trug; die BW zur Entscheidung des Krieges nichts beitragen können.
Lebendigkeit seiner Schilderungen und der vielen dra- 11 I I MJ11| |!|Jil | |B8QBSHHHHH|| Dazu kommt, dass, wie die neueren Nachrichten be-
matischen Einzelheiten wurde durch zahlreiche Projek- ''' '/iill I '*^S*t111'l'if-ini1,fi.0.1 Jl■ I^^Mü saScn> der Gesundheitszustand Lord Methuens selbst
tiönsbildern erhöht.' Er schickte seinen Ausführungen ', 1 11 pilllli I *i iH|H^HB9i^HwVMP9Hi und'der seiner Truppen der denkbar schlechteste ist:.'
die Bemerkung voraus, dass er in den zwölf Jahren ||f fttLl lllllHHt JBgMDB« tl^lWtlllftW Lord Methuen entstammt einer vornehmen Adelsfamilie
seiner Gefangenschaft fast seine Muttersprache verlernt ■HflSaHL^rHiil^^C'-^^^^liS^^IlifJIMra ' des britischen Reiches. Einer seiner Vorfahren war
hatte und sie sich erst wieder zu eigen habe machen ! iflSIfZfHI James Methuen, Kanzler von Irland, zu den Zeiten der
müssen. Nur Derjenige könne begreifen, was es für HM^W|M|^MH|^HH|Hy Ii II |'[ I IIB I Königin Anna, und später Gesandter in Portugal. Das
ihn bedeute, wieder vor deutschen Brüdern und vor , |,| Ii( | 111|j|| jj |1 i , ,i| i ,i 9MH Stammschloss der Methuens, eine prächtige Besitzung
einem solchen Publikum zu stehen, der so hinge wie MHBBHWg^gPfcMwW'IS.I!illlrllUlif'ii^BBlHWffi von bedeutender Grösse, ist in Corsham Courtin Wüt-
er unter Wilden gelebt und so viel gelitten habe. ^______........ i ......_.. ._... , ,J shire gelegen. Früh schon trieben Thatendrang und

Im Jahre 1887 kaufte er von einem Sudanesen eine Abenteuerlust den jungen Pear, dem das einfache Leben
bedeutende Menge Gummi, ein Geschäft, das einen an- Chokoladentafel. Neujahrsgabe der Königin von England eines Grossgrundbesitzers auf dem Lande nicht zusagte,
sehnlichen Verdienst abzuwerfen versprach, wenn es an iruppen in aua-Airma. hinaus in-die Ferne. Er trat in die Armee ein und
ihm gelang, die Ware nach Egypten zu bringen. Er zu werden bei dem Gedanken, unter solchen Verhält- stand längere Zeit als Offizier an der Goldküste in
rüstete nun zu letzterem Zwecke eine Karawane aus, nissen sein Leben beschliessen zu müssen. Er suchte Ashanti und zuletzt in Irland. Danach ging er als
fiel aber unterwegs durch den Verrat seiner Führer deshalb seinen Geist zu üben; die angenehmste Beschäf- Militärattache nach Berlin, wo er sich von 1877 bis 1881
Gabu und Hassan in die Hände der Derwische. Diese tigung war ihm die Erteilung ärztlichen Ratschlags. Als eifrig mit dem Studium der deutschen Heereseinrichtun-
brachten Neufeld zunächst in das Gefängnis von Dongola, Medikamente standen ihm nur Karbolsäure und über- gen befasste. Im
wo alle seine Leute teils enthauptet, teils gehenkt mangansaures Kali zur Verfügung. Bemerkenswert ist es, MHHHV Jahre 1884 that er
wurden. Er allein hatte den zweifelhaften Vorzug, zum dass die Frauen der Sudanesen eine gewisse Vorstellung sich dann besonders
Khalifen nach Omdurman gebracht zu werden, eine von dem Nutzen der Reinlichkeit besitzen; sie benutzen . , in dem Feldzuge in
„Auszeichnung", die er seinen Beziehungen zur eng- aber zur Behandlung ihres Körpers nicht Wasser, son- -^ff-tS^^r- Bethuanaland her-
lischen Armee verdankte. In Omdurman wurde Neufeld dern reiben denselben mit Brot ein, ölen ihn dann und vor, und seit 1888
zum Tode verurteilt, aber nach allen möglichen qual- räuchern ihn zuletzt mit Sandelholz. Wiederholt wurde »j»^ t-' hatte er in hoher
vollen Verschleppungen und Abänderungen der Voll- dem Gefangenen in demonstrativer Weise die Macht mKj? ^ 1 militärischer Stei-
des Mahdis vor Augen geführt. So zeigte man ihm in hing am Kap reiche
Khartum das Haus Gordons, an dem die Blutflecken '■HHIHk- Gelegenheit, süd-
noch zu sehen waren, die Gordon bei seinem ver- ' ■»•nfÜB liKfVtV afrikanische Ver-
zweifeltenTiideskainpfe dort 11im<-■ O^^^HMu?% hältnisse gründlich
seiner Gefangenschaft unternahm Xeufcld die mann ig- -iS r Izj^l^Hk. kennen zu lernen,
faltigsten und schwierigsten Versuche zur Flucht. Der * .,. *
Mahdi suchte aus seinen Kenntnissen allerlei Nutzen zu "'*'|JPb5P!WP^ "ft 'Ii ''^fjKKf Nebenstehend
ziehen. So sollte er u. a. Schiesspulver und Kartätschen ''Wp?;^ veröffentlichen wir
verfertigen. Es gelang ihm so wenigstens ab und zu, :'^^^§!0^( ' -a:^ noch ferner die Por-
für kurze Zeit aus seinem Gefängnis erlöst zu werden. träts zweier zur
Er war es auch, welcher den Entwurf zu der später Zeit vielgenannter
von Lord Kitchener zerstörten Gruft des Mahdi lieferte. General Lord Methuen. Persönlichkeiten.
Neufeld hat übrigens nicht wenig dazu beigetragen, Lord Feldmarschall Lord Roberts ist zur Zeit Ober-
Kitchener das Erreichen von Khartum zu ermöglichen, befehlshaber der englischen Armee in Südafrika. — Ihm
indem er ihm von seinem Gefängnisse aus durch einen gegenüber steht F. W. Reitz, der Staatssekretär des
Thürsteher; dessen Freundschaft er erworben hatte, Innern von Transvaal, dessen starker Energie zu einem
sehr wertvolle Nachrichten zukommen liess. Die Gefühle, grossen Teile die Boeren jene bewunderungswerte Ord-
die Neufeld überwältigten, als seine Befreiung zur That- nung verdanken, deren sich jetzt der Transvaalstaat im
sache wurde, waren unbeschreiblich. Mit grösstem Innern erfreut und die sich unter den schwierigen
Danke gedachte er der besonderen Begrüssung im eng- äusseren Verhältnissen bewährt. — Die Abbildung einer
lischen Lager durch den Hauptmann v. Thiedemann im jener Ch okoladentafe In, welche die Königin von Eng-
Auftrage Sr. Maj. des Kaisers, die so recht deutlich den land an die Truppen in Südafrika verteilen liess, wird man
Karl Neuteld, der Gefangene des Mahdi. Beweis liefere, wie teilnahmsvoll unser Kaiser auch der wohl nur mit einem leisen Lächeln betrachten können.
 
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