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MODERNE KUNST.
„Papa!" es noch, was unlängst die Mutter gesagt: „Ich bitte Dich, Elli, lasse Dir nicht von
„Ja, schreie nur! Es ändert nichts an der Thatsache, dass die Subhastation Kleinmichel den Hof machen. Ich verkenne den Wert seines Reichtums nicht,
am Montag unwiderruflich stattfindet, wenn — wenn Du Kleinmichel abweisest!" Er ist eine brillante Partie, aber begünstige ihn nicht! Du weisst nicht, was es
„Es ist nicht wahr!" schreit sie auf. heisst, das Weib eines kleinlich und ordinär denkenden, schlecht erzogenen Mannes
Mit einem Ruck steht der zusammengeknickte Freiherr stramm auf den Füssen. zu sein!"
„Bitte!" klingt es drohend zu ihr hinüber, „unterstehe Dich nicht ein zweites Sie weiss, dass die Mutter recht hat, und trotzdem soll sie an diesen
Mal, Deines Vaters Wort anzutasten!" Menschen, verkauft werden — verkauft! Wie ein Händler Stiefel und Handschuhe
Ellinor weicht nicht zurück vor seinem Drohblick. verkauft, so verkauft der Freiherr von Donnersberg sein einzig Kind . . . Aber
„Du!" stösst sie aufgeregt hervor, „Du willst mich zur Frau Kleinmichel sie thuts nicht! nie! eher betteln — in Lumpen — von Haus zu Haus--ein
machen? Du willst?" grelles, wehes Lachen schrillt über die Terrasse — wieder schwirrt ein Nacht-
„Ja, ich will!" giebt er ruhiger zurück, und seine Figur schnappt wieder im falter gegen das Lampenglas — leuchten unten im Grase die Glühwürmchen —
Sassel zusammen, „es thut mir leid — es klingt nicht gut Frau — Kleinmichel, duften schwül die Rosenkaskaden . . .
aber--" Ellinor liegt mit Kleidern auf dem Bette, schlafend, ein entzückendes Lächeln
„Pardon, Papa! Ich bewundere Deine liberale Intention! Du willst Dein auf den Lippen. Sie ruht im süssen Traum an Rainers Brust und sein junger
Wappen an die Lumpenfuhren des Herrn Kleinmichel hängen! aber — aber ich Ruhm und seine heisse Liebe hüllen sie warm ein — viel wärmer wie die kalten
helfe Dir nicht dazu! nie! hörst Du Papa? nie! nie! nie!" Lumpengoldrollen jenes Emporkömmlings.
Die Farbe im Antlitz des Vaters wird noch um eine Schattierung grünlicher. Zwei Stunden später gellt ein Schrei durch das Turmzimmer. —
Er reibt an seinem Augenglas, setzt es auf und fixiert spöttisch sein Gegenüber. Der Hausherr hat beim Durchlesen der Posttasche zwei drei Minuten gezögert
„Chacun ä son goüt, mon enfant! Ich für meinen Teil finde allerdings, dass — dann hat er den Inhalt zu Ellinor hinauf geschickt,
meine Freiherrnkrone sich bei den gediegenen „Lumpen" Kleinmichels immerhin Sigurd Rainers Verlobungsanzeige mit Lüh' Maiburg war darunter,
noch besser ausnimmt als wie — im Armenhause!" Zur Tischzeit kommt Ellinor herab. Beide Eltern fahren zusammen bei der
„Das — das ist unmöglich Papa!" jähen Veränderung, die das junge Antlitz aufweist.
„Bedaureü Deine Eltern stehen in der That mit einem Fuss im Armenhause, «Nun, mein Kind," hebt der Vater unsicher tastend an, „hast Du Dich ent-
trotz Wappen und Krone! — Du hast immerhin den zweifelhaften Vorzug, dass schlössen?"
Du Dich irgendwo engagieren lassen kannst. Du hast nichts gelernt, was tausende „Jawohl!" kommt es seltsam ruhig zurück, trotzdem in den schwarz-
von Frauen heute selbständig macht, aber eine Stelle als Bonne oder, falls Du umrandeten Augen ein wildes Feuer flackert.
kochen kannst, — sag' mal, kannst Du kochen? — Bei der Gräfin Schmettau „Jawohl! zeigt mir den Kaufbrief! Was zahlt denn der Mann für mich?
ist 'mal wieder Köchinnenkrisis — vielleicht engagiert sie Dich!" Heutzutage scheint ja alles feil zu sein um Geld — auch eines Freiherrn
„Lasse den grässlichen Hohn, Papa! ich — ich kann Kleinmichel nicht an- einziges Kind! Heftet mir einen Zettel an und schreibt darauf: Verkauft!"
nehmen, zumal ich —" Der Freiherr will in einem Anflug von Zärtlichkeit seine Tochter umarmen
„Zumal Du den lyrischen Bettelfritzen im Kopfe hast — ich weiss! Für für das Opfer, das sie bringt, aber ehe er sie erreicht hat, wendet sie sich schon
einen „Dichter" schwärmt man — aber man heiratet ihn nicht! Uebrigens wusste nach der Thür, die nach den Park hinabführt.
ich nicht, dass Du derartig interessiert bist, sonst hätte ich Dir schon mitgeteilt, Der poesievolle, verlogene Heuchler Sigurd Rainer hat sich auch verkauft
dass Dein Lyrischer sich vorgestern bei unserm Justizrat nach Deiner — Mit- — er hat Lilli Maiburg nicht nur nicht geliebt, sondern sich stets über ihre Dicke
gift erkundigt hat. Er erfuhr gerade noch zur Zeit, dass wir vis-ä-vis de rien und ihr „Spatzenhirn" lustig gemacht — er hat sich verkauft — ohne Kauf-
stehen! Ueberlege Dir Klcinmichels Antrag. Er wartet nur bis morgen auf zwang sogar — warum nicht auch sie, Ellinor von Donnersberg — — —
Antwort. Diese bedeutet für die letzten Donnerbergs Sein oder Nichtsein. Während sie mit ihrem riesengrossen Weh in die grüne Dämmerung hin-
Merke Dir das! Gute Nacht!" ausflüchtet murmeln ihre blassen Lippen in einem fort dasselbe Wort: „Vcr-
Wie von Sinnen starrt sie dem Fortgehenden nach. In ihrem Ohre klingt kauft — verkauft . . ,"
-------
fvchen" von O. Lingner ist ein entzückendes Kinderbildchen, über dem erfasst; sie Hessen ihn ziehen, wenn auch mit Thränen im Auge, so doch in det-
ail der Duft und Zauber ausgebreitet ist, der einer holden Menschen- festen Zuversicht einer Heimkehr als lorbeerumkränzter Sieger. Nun bringt
knospe entströmt. Es legt zugleich Zeugnis davon ab, zu welcher ausser- der Freund des Verstorbenen Brieftasche und Orden und seinen letzten Gruss
ordentlichen Vollkommenheit es heutigen Tages die farbige Reproduktion ge- an sein junges Weib, an sein geliebtes Kind und seine alte Mutter. Ach, wie
bracht hat. Wie locker und weich fällt das blonde Haar zur Schulter, wie ist Scheiden doch so schwer — so schwer hatten sie es sich nicht gedacht!
natürlich spielen die Lichter auf den Locken! Ja, sogar das märchenhaft Un- — Aber ein Trost wird ihnen gesagt werden können: das Opfer ist nicht um-
ergründliche des Auges ist nicht verloren gegangen. AVer möchte sich nicht sonst gewesen. Wie nach tiefstem Leide der Seele des Dichters das schönste
von einem solchen Evchen zum Genüsse eines Apfels verführen lassen!? Lied entquillt, so ist aus jenen schmerzvollen Tagen, aus der Saat der Thränen eine
* :1. * herrliche Frucht gereift: das stolze deutsche Reich. Der blonde Knabe, in dessen Er-
„ Mn Marienbad: Nachmittags beim Egerländer". So oft ich dort innerungen jene Stunde als die trübste seines Lebens haftete, hat noch die Reichs-
weilte, hatte ich das Gefühl, einem grossen Künstler, einem Praxiteles unserer Zeit, flagge wehen sehen über ein befreites, geeintes, geachtetes, mächtiges Vaterland,
sei die Aufgabe gestellt, den Dienst der antiken, homerischen Juno wieder zu „ *
beleben, eine Statue der gebietenden Weiblichkeit zu schaffen, vor der die Männer- ^aul Thumann, der in den Illustrationen zu Hamerlings „Amor und
weit huldigend sich neigte, und hier habe sich zu einem Kongress vereinigt, was an Psyche" bereits seine völlige Vertrautheit mit dem reizenden antiken Märchen
den herrlichsten Modellen dafür in ganz Europa vorhanden sei. Von allen Seiten bewiesen hat, bietet in seinem Bilde „Eros und Psyche" eine neue künstle-
rauscht es heran, die erhabene Majestät des Weibes tritt uns in immer neuen, rische Gestaltung des für Bildhauer und Maler gleich anziehenden Sujets. Die
immer imposanteren Erscheinungen entgegen, und die geschicktesten Hände des Oefteren schon gepriesene Eigenart des Künstlers leuchtet auch aus diesem
von Paris, Wien, Berlin, Warschau haben gewetteifert, die Reize der üppigen Werke in hehrster Schönheit dem Beschauer entgegen.
Gestalten zu steigern. Und wenn die Sonne über den fernen Höhen des Erz- „_ * ... *
gebirges sich dem Untergange zuneigt, wenn im luftigen Garten des Egerländers Jh. Urbans hochinteressantes Bild „Das Gold" giebt jenem oft konsta-
die Schale köstlichen Milchkaffees und das kühlende Eis gar lieblich munden, tierten und beklagten Jagen der Menschheit nach dem Golde einen künstlerischen
dann beschleichen wohl ganz menschliche Empfindungen und Gelüste die Ausdruck. Nach dem gleissenden Golde drängt alles — nur das spielende Kind
Seelen der Schönen, und abgespannt von den Huldigungen der Männerwelt und das von Mutterliebe durchdrungene junge Weib schliessen sich der wilden
beschliessen sie am Ende, sich einmal ganz unter sich zu vergnügen und das Jagd nicht an; sie sitzen, unbeirrt von der kämpfenden Menge, in seligem Frieden
stärkere Geschlecht zu stummen Zuschauern zu verurteilen. Schnell die mit am Kreuze des Erlösers.
Zeichen bedruckten Blättchen auf den Tisch! Ein Skat, ein Tarok, ein Whist ist im _ * .t *
Augenblick eingeleitet und alle Nerven spannen sich an, der Gegnerin nachmittags oP^e Statuette „Kämpfendes Weib" von A. Nordenholz gehört zu jenen
ein Ass abzujagen, wie am Vormittag einen Anbeter. Die Männer haben jetzt nur plastischen Kunstwerken der diesjährigen Berliner Kunstausstellung, denen man
zuzuschauen und in den Beutel zu greifen, wenn die teure Gatjin im Verlust sitzt, ca. unumschränktes Lob zollen muss. — Aus A. Lynchs ungemein anziehendem
. * * * Gemälde „Manon" blicken uns zwei herrliche dunkle Mädchenaugen in fesselnder
Weeses tiefgemütvolles Bild „Des Gatten letzter Gruss", so Schönheit entgegen und ein kleiner kusslicher Mund ladet zum Verweilen ein. —
schmerzvoll es manches Herz ergreifen wird, erinnert doch an eine Zeit idealster Während A.Dörings Zeichnung die genauere Betrachtung zierlicher Vögelchen,
Begeisterung. In glühendstem Freiheitsdrange ist der junge Gatte hinausgezogen „Schwanzmeisen und einer Blaumeise", ermöglicht, führt uns das andere
ins Feld. Beim Abschiede hatte die opferfreudige Begeisterung auch die Frauen Bildchen „zwei australische Eingeborene" in reizender Drolerie vor.
MODERNE KUNST.
„Papa!" es noch, was unlängst die Mutter gesagt: „Ich bitte Dich, Elli, lasse Dir nicht von
„Ja, schreie nur! Es ändert nichts an der Thatsache, dass die Subhastation Kleinmichel den Hof machen. Ich verkenne den Wert seines Reichtums nicht,
am Montag unwiderruflich stattfindet, wenn — wenn Du Kleinmichel abweisest!" Er ist eine brillante Partie, aber begünstige ihn nicht! Du weisst nicht, was es
„Es ist nicht wahr!" schreit sie auf. heisst, das Weib eines kleinlich und ordinär denkenden, schlecht erzogenen Mannes
Mit einem Ruck steht der zusammengeknickte Freiherr stramm auf den Füssen. zu sein!"
„Bitte!" klingt es drohend zu ihr hinüber, „unterstehe Dich nicht ein zweites Sie weiss, dass die Mutter recht hat, und trotzdem soll sie an diesen
Mal, Deines Vaters Wort anzutasten!" Menschen, verkauft werden — verkauft! Wie ein Händler Stiefel und Handschuhe
Ellinor weicht nicht zurück vor seinem Drohblick. verkauft, so verkauft der Freiherr von Donnersberg sein einzig Kind . . . Aber
„Du!" stösst sie aufgeregt hervor, „Du willst mich zur Frau Kleinmichel sie thuts nicht! nie! eher betteln — in Lumpen — von Haus zu Haus--ein
machen? Du willst?" grelles, wehes Lachen schrillt über die Terrasse — wieder schwirrt ein Nacht-
„Ja, ich will!" giebt er ruhiger zurück, und seine Figur schnappt wieder im falter gegen das Lampenglas — leuchten unten im Grase die Glühwürmchen —
Sassel zusammen, „es thut mir leid — es klingt nicht gut Frau — Kleinmichel, duften schwül die Rosenkaskaden . . .
aber--" Ellinor liegt mit Kleidern auf dem Bette, schlafend, ein entzückendes Lächeln
„Pardon, Papa! Ich bewundere Deine liberale Intention! Du willst Dein auf den Lippen. Sie ruht im süssen Traum an Rainers Brust und sein junger
Wappen an die Lumpenfuhren des Herrn Kleinmichel hängen! aber — aber ich Ruhm und seine heisse Liebe hüllen sie warm ein — viel wärmer wie die kalten
helfe Dir nicht dazu! nie! hörst Du Papa? nie! nie! nie!" Lumpengoldrollen jenes Emporkömmlings.
Die Farbe im Antlitz des Vaters wird noch um eine Schattierung grünlicher. Zwei Stunden später gellt ein Schrei durch das Turmzimmer. —
Er reibt an seinem Augenglas, setzt es auf und fixiert spöttisch sein Gegenüber. Der Hausherr hat beim Durchlesen der Posttasche zwei drei Minuten gezögert
„Chacun ä son goüt, mon enfant! Ich für meinen Teil finde allerdings, dass — dann hat er den Inhalt zu Ellinor hinauf geschickt,
meine Freiherrnkrone sich bei den gediegenen „Lumpen" Kleinmichels immerhin Sigurd Rainers Verlobungsanzeige mit Lüh' Maiburg war darunter,
noch besser ausnimmt als wie — im Armenhause!" Zur Tischzeit kommt Ellinor herab. Beide Eltern fahren zusammen bei der
„Das — das ist unmöglich Papa!" jähen Veränderung, die das junge Antlitz aufweist.
„Bedaureü Deine Eltern stehen in der That mit einem Fuss im Armenhause, «Nun, mein Kind," hebt der Vater unsicher tastend an, „hast Du Dich ent-
trotz Wappen und Krone! — Du hast immerhin den zweifelhaften Vorzug, dass schlössen?"
Du Dich irgendwo engagieren lassen kannst. Du hast nichts gelernt, was tausende „Jawohl!" kommt es seltsam ruhig zurück, trotzdem in den schwarz-
von Frauen heute selbständig macht, aber eine Stelle als Bonne oder, falls Du umrandeten Augen ein wildes Feuer flackert.
kochen kannst, — sag' mal, kannst Du kochen? — Bei der Gräfin Schmettau „Jawohl! zeigt mir den Kaufbrief! Was zahlt denn der Mann für mich?
ist 'mal wieder Köchinnenkrisis — vielleicht engagiert sie Dich!" Heutzutage scheint ja alles feil zu sein um Geld — auch eines Freiherrn
„Lasse den grässlichen Hohn, Papa! ich — ich kann Kleinmichel nicht an- einziges Kind! Heftet mir einen Zettel an und schreibt darauf: Verkauft!"
nehmen, zumal ich —" Der Freiherr will in einem Anflug von Zärtlichkeit seine Tochter umarmen
„Zumal Du den lyrischen Bettelfritzen im Kopfe hast — ich weiss! Für für das Opfer, das sie bringt, aber ehe er sie erreicht hat, wendet sie sich schon
einen „Dichter" schwärmt man — aber man heiratet ihn nicht! Uebrigens wusste nach der Thür, die nach den Park hinabführt.
ich nicht, dass Du derartig interessiert bist, sonst hätte ich Dir schon mitgeteilt, Der poesievolle, verlogene Heuchler Sigurd Rainer hat sich auch verkauft
dass Dein Lyrischer sich vorgestern bei unserm Justizrat nach Deiner — Mit- — er hat Lilli Maiburg nicht nur nicht geliebt, sondern sich stets über ihre Dicke
gift erkundigt hat. Er erfuhr gerade noch zur Zeit, dass wir vis-ä-vis de rien und ihr „Spatzenhirn" lustig gemacht — er hat sich verkauft — ohne Kauf-
stehen! Ueberlege Dir Klcinmichels Antrag. Er wartet nur bis morgen auf zwang sogar — warum nicht auch sie, Ellinor von Donnersberg — — —
Antwort. Diese bedeutet für die letzten Donnerbergs Sein oder Nichtsein. Während sie mit ihrem riesengrossen Weh in die grüne Dämmerung hin-
Merke Dir das! Gute Nacht!" ausflüchtet murmeln ihre blassen Lippen in einem fort dasselbe Wort: „Vcr-
Wie von Sinnen starrt sie dem Fortgehenden nach. In ihrem Ohre klingt kauft — verkauft . . ,"
-------
fvchen" von O. Lingner ist ein entzückendes Kinderbildchen, über dem erfasst; sie Hessen ihn ziehen, wenn auch mit Thränen im Auge, so doch in det-
ail der Duft und Zauber ausgebreitet ist, der einer holden Menschen- festen Zuversicht einer Heimkehr als lorbeerumkränzter Sieger. Nun bringt
knospe entströmt. Es legt zugleich Zeugnis davon ab, zu welcher ausser- der Freund des Verstorbenen Brieftasche und Orden und seinen letzten Gruss
ordentlichen Vollkommenheit es heutigen Tages die farbige Reproduktion ge- an sein junges Weib, an sein geliebtes Kind und seine alte Mutter. Ach, wie
bracht hat. Wie locker und weich fällt das blonde Haar zur Schulter, wie ist Scheiden doch so schwer — so schwer hatten sie es sich nicht gedacht!
natürlich spielen die Lichter auf den Locken! Ja, sogar das märchenhaft Un- — Aber ein Trost wird ihnen gesagt werden können: das Opfer ist nicht um-
ergründliche des Auges ist nicht verloren gegangen. AVer möchte sich nicht sonst gewesen. Wie nach tiefstem Leide der Seele des Dichters das schönste
von einem solchen Evchen zum Genüsse eines Apfels verführen lassen!? Lied entquillt, so ist aus jenen schmerzvollen Tagen, aus der Saat der Thränen eine
* :1. * herrliche Frucht gereift: das stolze deutsche Reich. Der blonde Knabe, in dessen Er-
„ Mn Marienbad: Nachmittags beim Egerländer". So oft ich dort innerungen jene Stunde als die trübste seines Lebens haftete, hat noch die Reichs-
weilte, hatte ich das Gefühl, einem grossen Künstler, einem Praxiteles unserer Zeit, flagge wehen sehen über ein befreites, geeintes, geachtetes, mächtiges Vaterland,
sei die Aufgabe gestellt, den Dienst der antiken, homerischen Juno wieder zu „ *
beleben, eine Statue der gebietenden Weiblichkeit zu schaffen, vor der die Männer- ^aul Thumann, der in den Illustrationen zu Hamerlings „Amor und
weit huldigend sich neigte, und hier habe sich zu einem Kongress vereinigt, was an Psyche" bereits seine völlige Vertrautheit mit dem reizenden antiken Märchen
den herrlichsten Modellen dafür in ganz Europa vorhanden sei. Von allen Seiten bewiesen hat, bietet in seinem Bilde „Eros und Psyche" eine neue künstle-
rauscht es heran, die erhabene Majestät des Weibes tritt uns in immer neuen, rische Gestaltung des für Bildhauer und Maler gleich anziehenden Sujets. Die
immer imposanteren Erscheinungen entgegen, und die geschicktesten Hände des Oefteren schon gepriesene Eigenart des Künstlers leuchtet auch aus diesem
von Paris, Wien, Berlin, Warschau haben gewetteifert, die Reize der üppigen Werke in hehrster Schönheit dem Beschauer entgegen.
Gestalten zu steigern. Und wenn die Sonne über den fernen Höhen des Erz- „_ * ... *
gebirges sich dem Untergange zuneigt, wenn im luftigen Garten des Egerländers Jh. Urbans hochinteressantes Bild „Das Gold" giebt jenem oft konsta-
die Schale köstlichen Milchkaffees und das kühlende Eis gar lieblich munden, tierten und beklagten Jagen der Menschheit nach dem Golde einen künstlerischen
dann beschleichen wohl ganz menschliche Empfindungen und Gelüste die Ausdruck. Nach dem gleissenden Golde drängt alles — nur das spielende Kind
Seelen der Schönen, und abgespannt von den Huldigungen der Männerwelt und das von Mutterliebe durchdrungene junge Weib schliessen sich der wilden
beschliessen sie am Ende, sich einmal ganz unter sich zu vergnügen und das Jagd nicht an; sie sitzen, unbeirrt von der kämpfenden Menge, in seligem Frieden
stärkere Geschlecht zu stummen Zuschauern zu verurteilen. Schnell die mit am Kreuze des Erlösers.
Zeichen bedruckten Blättchen auf den Tisch! Ein Skat, ein Tarok, ein Whist ist im _ * .t *
Augenblick eingeleitet und alle Nerven spannen sich an, der Gegnerin nachmittags oP^e Statuette „Kämpfendes Weib" von A. Nordenholz gehört zu jenen
ein Ass abzujagen, wie am Vormittag einen Anbeter. Die Männer haben jetzt nur plastischen Kunstwerken der diesjährigen Berliner Kunstausstellung, denen man
zuzuschauen und in den Beutel zu greifen, wenn die teure Gatjin im Verlust sitzt, ca. unumschränktes Lob zollen muss. — Aus A. Lynchs ungemein anziehendem
. * * * Gemälde „Manon" blicken uns zwei herrliche dunkle Mädchenaugen in fesselnder
Weeses tiefgemütvolles Bild „Des Gatten letzter Gruss", so Schönheit entgegen und ein kleiner kusslicher Mund ladet zum Verweilen ein. —
schmerzvoll es manches Herz ergreifen wird, erinnert doch an eine Zeit idealster Während A.Dörings Zeichnung die genauere Betrachtung zierlicher Vögelchen,
Begeisterung. In glühendstem Freiheitsdrange ist der junge Gatte hinausgezogen „Schwanzmeisen und einer Blaumeise", ermöglicht, führt uns das andere
ins Feld. Beim Abschiede hatte die opferfreudige Begeisterung auch die Frauen Bildchen „zwei australische Eingeborene" in reizender Drolerie vor.