Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 14.1900

DOI Heft:
6. Heft
DOI Artikel:
Stimmungen
DOI Artikel:
Künstler-Schnuffen
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.22226#0130

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
93

^Hmmungen.

[Nachdruck verboten.]

Aufführung einen viel, viel besseren Eindruck macht, als bei der ersten
und dass manche Ablehnung vermieden werden würde, wenn die erste Auf-
gi duo faciunt idem, non est idem, oder auf gut Deutsch „Wenn zwei dasselbe führung so trefflich vom Stapel laufen würde wie die zwanzigste. — Einer spielt

-V- ßicbopd Alexander.

thun, so ist es nicht dasselbe", diese alte Weisheit passt wie auf so viele dem andern in die Hand, jeder weiss genau, wo mit einem Wort, einem

Berufs- und Lebensäusserungen, auch auf eine Spezialität unter den darstellenden Laut oder einer Bewegung eine Wirkung sitzt, und diese Sicherheit lässt natürlich

Künstlern, die ich heut im Auge habe, nämlich auf die sogenannten „Serienspieler". alles zur besten Geltung kommen. In dieser Sicherheit der Wirkungen, die, wie

Mit apodiktischer Bestimmtheit wird jeder Laie sein Urteil dahin abgeben, gesagt, nur durch viele Wiederholungen erzielt werden kann, liegt auch der

dass zweifellos der Künstler nach einem höheren Wertmaass zu bemessen sei, grosse Wert für die Schulung des Schauspielers. — Derjenige Schauspieler, der

der damit betraut ist, im Rahmen einer guten Bühne, in einem wechselnden immerfort neue Rollen lernen muss und jeden Abend eine andere Rolle spielt,

Spielplan, heut Schillers Carlos, morgen Ibsens Oswald und übermorgen Freytags kann seine Aufgabe unmöglich so bewältigen, dass er absolut über der Rolle

Bellmaus zu verkörpern, als jener, der unter denselben äusseren Verhältnissen vor steht; wird infolgedessen sich der Feinheiten der Rolle nie ganz bewusst

die Aufgabe gestellt ist, hundert bis zweihundert Mal hintereinander den „Schlaf- werden können. Bei den häufigen Wiederholungen aber wird dem denkenden

wagen-Kontrolleur", „Charleys Tante" oder „Fernands Ehekontrakt" zu spielen. Schauspieler von Abend zu Abend mehr klar, wie wenig er eigentlich am

In den meisten Fällen wird der Laie Premieren-Abend geleistet und wie die

mit dieser seiner Auffassung auch recht jfttU oh| t. ijjjh Sache jetzt bei der zwanzigsten Vorstellung

behalten, ebenso mit der Annahme, dass jHHS.S III,1 . 1/ doch ganz anders aussieht. Und hierin

ein wechselnder Spielplan dem Schau- | liegt der offenbare Gewinn, welchen die

spieler mehr Gelegenheit zur Entfaltung tt Jw|" i«-.»'*»^™-»'*•- ~~----^-—>--■ j|M| ■■■.hmJ, , —, Schauspieler durch die vielen Wieder-

und Ausbildung seines Talentes, mehr
neue Anregungen, vielfältigeren Ansporn
bringt als das Serienspiel, welches den

holungen erzielen: sie werden selbstbe-
wusst und sicher und lernen die rein tech-
nische Seite der Schauspielkunst gründlich

Schauspieler erschlaffen und seine Kunsi .'.i .sv... ■ %f ■ ■' " kennen. Natürlich heisst es immer wieder

am Ende in leere Komme, m . inschlaienide : 1 ' z „gewissenhaft bleiben und nicht eine Se-

Stagnation ausarten lassen muss. An- zg" ; • " • ; kutxlc ausserhalb des Kahmens stehen."

dererseits aber muss zugegeben werden, rTm'^'^'"' . 1 , ~"^<0Kfl§; — 'ul')u cs 'e'('er an ersten Berliner

dass es auch Künstler giebt, deren künstle- |V '■■ i ( fllfttlfig;, 'J| Bühnen beobachtet, wie erste- Künstler sich

rischer Ernst, deren Gewissenhaftigkeit so ' jHHMt^. halbe Scenen weggelacht, und dadurch

hoch stehen, dass sie die Klippen des , j'|L t ) , JHHjjBH^BkJI dem Publikum eine Nichtachtung bewiesen

Serienspieles su-greudi ühenviiulon. Oben > 'V**.''' imtw&'$ haben, die energisch gerügt werden sollte,

an unter diesen Künstlern steht einer, der ;|i:lJd J^'£'^&y^ ^ '0$£<S..:i'\!i Sehe die z weihtmdertste Aufführung eines

den Berlinern besonders ans 1 lerx :;c ', ' ; Sii"icke< darf nein Publikum nicht verraten,

wachsen ist, der nieversagende Magma Mm dass einem die Geschichte da oben eigent-

des pikanten Residcnxtheaters „unser , ,- z. ,, beb siim /um i lai e herauswuchst; das

Alexander" mit seinem i Hellen Sein ; . ■"»■■;. *'ml Publikum welches bezahlt hat, will für sein
zwergfellerschütternder Charakterkomik. x ^j" \^5*- &t 1 ' iß I 1 WmS alu''1 gettiessen und hat das Recht,
Gerade ihn als Anwalt für die kirnst- " 'IM 11 sieh derartige Ungezogenheiten energisch
lerisehen Vorteile des Serienspieles piai- JBBBi 1 ' TjaB , zu verbitten. Ich will nun auch die Kehr-
dieren zu hören, dürfte von besonderem ./ >. v •• '/ • -Wir der Medaille nicht unerwähnt lassen
Interesse sein. Zweifellos so ungefähr sc,;',,,..' ■ ■ nid eingestehen, da-s ganz labelhafte Ner-
lässt Alexander in striktem Gegensatz zu ' z . • • v a • ; c,z- zu , \ en zu dieser Art Ausübung der Kunst ge-
der landläufigen Auffassung sich aus — ' z, ■ I |h \ _ J| Ii1, hören. — Mehr als hundertmal bin ich
bedeuten die vielmaligen Wiederholungen ■ ' ' '■■ '"'b g''.'S;: i : HgzA't'' . ■'""'y wohl schon abends mit dem heimlichen
eines und desselben Stückes, in demselben ' ' — ' e' V0'z'W,dn,' »"•■' ;!!' Vduiseli ins Theater gegangen „Herr Gott, •
Ensemble, für den Schauspieler einen nicht z, wenn die Sache doch schon ans wäre —
zu unterschätzenden Gewinn. Ich höre- ■ zzzwzv czz,» und sie hat noch nicht einmal aii-;ofangen\
häufig sagen, dass che Aufregung, welche , , Ii' '! 1 1 i , Da lu est es dann sc nie ganze Kh aft

hWill'ill s (sW- Iii \ * . Z 'v z :!z l'\ ' ■ l'lil

die Schauspieler bei der ersten Vorstellung •• :!,■,*<, 1 1 11 und Energie zusammennehmen und wie der

eines Stückes beherrscht, der Aufführung if|ff £^'£;'£ ■ Soldat ins Feuer — auf die Bühne treten,

einen besonders prickelnden Reiz verleiht, ; zz i nur immer von dem Bestreben geleitet,

und es giebt ^tatsächlich, gerade in Berlin, 1 iic. j zz|;!: voll und ganz se ine Schuldigkeit zu thun.

eine grosse Anzahl von Leuten, welche sich Juli .» 1 , • !| W '''§p* Das kostet allerdings tan gehöriges Stück

nicht entschliessen können (leider!), eine - : A Gesundheit! — Ob das liebe Publikum von

zweite, fünfte oder gar fünzigste Auffüh- *i Lir'vS-'' _ • ''"£?~'.T^$':\ .... . , j alle dem wohl eine Ahnung hat? Schwer-

rung zu besuchen, weil sie behaupten, fiito^»- » ^aj» ^2fcj|g• j*^»s^f lieh. Und gerade aus diesem Grunde werden

keine Wiederholung gebe den Eindruck „. „ , _ , die Anschauungen eines so Berufenen wie

° ° Die kunstkartoffel. °

der Premiere wieder. — Ich bin anderer Richard /Alexander auch von besonderem

Ansicht, und die Erfahrung hat mich gelehrt, dass ein Stück — wenn die Schau- Werte sein. Freilich haftet ihnen ein stark sanguinischer Beigeschmack an.

spieler stets ehrlich bei der Sache sind — schon bei der zwanzigsten Darum noch einmal sei's gesagt: Si duo faciunt idem — u. s. w. Dora Du;:cker.

---^—w Die Kunstkartoffel. #—

In Düsseldorf ist vor einigen Jahren ein alter Bildhauer und Professor an
der Akademie gestorben, der vor der Welt als ein grosser Monumentalmeister
dastand, von dem seine Schüler aber genau wussten, dass er nicht imstande
war, einen anständigen Akt zu modellieren. Das hinderte ihn jedoch nicht die
grössten Denkmalsaufträge anzunehmen und auszuführen. Er war ein sehr feiner
Kritiker und hatte viel Geschmack, seine Schüler Hessen sich daher gerne von
ihm raten, blieben auch lange in seiner Klasse, denn er beschäftigte die besten
stets an seinen Aulträgen und liess sie leidlich Geld verdienen. Jedoch war er
nicht wie Begas der Hauptarbeiter, sondern er dirigierte und corrigierte bloss, ein

[Nachdruck verboten.]

Modellierholz fasste er in Gegenwart anderer niemals an. Um aber nicht den
Schein zu erwecken, als ob er seiner „Kunst" ganz fern stehe, liess er sich
täglich ein Modell kommen, mit dem er sich in sein Allerheiligstes einschloss. Eine
büssende Magdalena sollte das Resultat dieser Studien werden. Seine Schüler
waren längst neugierig, was der Alte vor sich gebracht habe, zumal das Modell
erklärte, er arbeite rüstig, habe schon mehrere Skizzen fertig und sei jetzt mit
dem Aufbau der Hauptfigur beschäftigt. Der Professor hütete aber ängstlich sein
Atelier und verschloss stets sorgfältig die Thür. Eines Tages jedoch ereilte ihn
das Verhängnis. Ein Schreiben, das einen noch unvollendeten Staatsauftrag
betraf, versetzte ihn derart in Aufregung, dass er aus dem Atelier fortlief und

XIV. 6. IV.
 
Annotationen