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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 14.1900

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6. Heft
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Kameke, Albert Wulff: Gerda: eine Yachtgeschichte
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https://doi.org/10.11588/diglit.22226#0126

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MODERNE KUX ST,

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er eine grosse Rolle. Im Jahre 614 wurde das Kloster von Persern geplündert, die
sämtliche Mönche töteten. Weitere Plünderungen musste das Kloster in den
Jahren 1832 und 1834 über sich ergehen lassen. Im Jahre 1840 von den Russen
wieder hergestellt, dient es heut als Verbannungsort für griechische Geistliche. In
einer Felskapelle zeigt man hinter einem Gitter die Schädel der von den Persern
getöteten Mönche, in der Nähe die Grotte des heiligen Sabas. Hier hielt er seine
Andachtsübungen ab und soll einstmals hier einen Löwen getroffen haben, welcher
ihn einige Male aus der Höhle herauszerrte. Die Heiligkeit des braven Sabas aber
bändigte den Löwen, worauf sie friedlich mit einander lebten. Die Kapelle ist ver-
hältnismässig reich, aber bunt und geschmacklos ausgestattet. Man zeigte uns
die Räume der Pilger und Mönche. Ein gestützter trauriger Palmenbaum, der in
einem der winzigen Daehgärtehen kümmerlich sein Dasein fristet, verdankt

angeblich dem heiligen Sabas seine Entstehung. In dem gepflasterten Hofe ist
unter einer Kuppel das leere Grab des Heiligen sichtbar, dessen Gebeine in
Venedig ruhen. Die Mönche sind, wenn auch nicht Asketen, doch ruhige stille
Gesellen. Sie pflegen ihre Gärtchen, fasten und haben mit der Fütterung einer
Unzahl kleiner Vögel vollauf zu thun. Für Fremde breiten sie im Hofe Tücher
aus, auf welchen sie Verkaufsobjekte aller Art auslegen: Stachelschweinborsten,
Rosenkränze aus Wolle und Perlen, selbstgefertigte Holzlöffel und Heiligenbilder.

Nachdem wir unsern Obolus für die Nachtruhe und die Trinkgelder entrichtet,
verabschieden wir uns von dem freundlichen alten Prior, besteigen unsere Pferde
und reiten von dannen. Wir atmeten erleichtert auf, als wir die entsetzliche
Einöde, in der das Kloster liegt, hinter uns hatten und nach dreistündigem Ritt
endlich die blauen Fluten des toten Meeres erblickten.

Eine Yachtgeschichte von Albert Wulff von Kameke.

-- [Nachdruck verboten.]

in kleines Segelboot schoss, vom Lande kommend, auf die „Aber gewiss, — Herr von Egzow", antwortete sie mit einer klangreichen

schmucke Kutteryacht zu, die auf der Rhede des kleinen Ost- Altstimme. „Seien Sie willkommen auf der ,Senta'."

seebades vor Anker lag. Jetzt drehte es in weitem Bogen in „So, Egzow", fiel Wahlen ein, „nun kann Dir meine Schwester ja gleich

den Wind und lag im nächsten Augenblick längsseit am weiss- bestätigen, was ich vorhin gesagt. Denk Dir, Gerda, ich lade ihn ein, mit uns

gestrichenen Schiffsrumpfe. nach Kopenhagen zu segeln, und wie er hört, dass Du auch an Bord bist, will

„Ist der Herr Leutnant an Bord?" fragte der Bootssteurer den Matrosen. er ablehnen, um nicht zu stören."

„Jawohl." — „Melden Sie mich — Assessor von Egzow." Elastisch schwang Gerda lachte. Ein eigentümliches sonores Lachen. „Aber Herr von Egzow!

er sich aus dem Boote und stieg die Stufen des Fallreeps empor. Im nächsten Sie als Jugendfreund meines Bruders! Nein, diese Ausrede lassen wir nicht gelten."

Augenblick standen sich die beiden Freunde gegenüber. „Wenn Sie es erlauben, gnädiges Fräulein, mit Vergnügen."

„Guten Tag, Wahlen, wie geht es Dir?" — „Egzow, alter Junge, wo kommst Wenige Minuten später sass er im Dinghy, das, von kräftigen Riemenschlägen

Du denn her?" rief der Yachtbesitzer erfreut. getrieben, dem Lande zutänzelte. Seine Stimmung schien nicht die beste zusein.

Der andere zeigte nach rückwärts. „Von dort!" antwortete er trocken. „Bin „Weiss der Teufel", brummte er ärgerlich, „soll denn diese alte Geschichte

zur Sommerfrische da. Traute meinen Augen kaum, als heut auf einmal Deine niemals zur Ruhe kommen!" — —

,Senta' auf der Rhede erschien." Es war Nacht. Der Vollmond stand am Himmel. Langsam, wie träumend,

Wahlen lachte. „Ja, vor uns ist kein Hafen sicher. Ueberall ist der fliegende zog die ,Senta' ihren Silberpfad durch die spiegelglatte Ostsee. Der Assessor

Holländer mit seiner Senta zu finden. A propos, Du hast doch ein paar sass am Ruder. Seine Wache nahm ihn wenig in Anspruch, da die Küste fern

Tage Zeit?" und weit und breit kein Mitsegler in Sicht war. Ab und zu ein Blick auf die

„Soviel Du willst. Ich langweile mich tötlich in dem elenden Nest da. Ich hellerleuchtete Kompassscheibe vor ihm, hin und wieder ein leises Drehen der

komme mit bis ans Ende der Welt, wenn Du mich mitnimmst." Pinne, das war alles. Er konnte ungestört seinen Gedanken nachhängen.

„Aber gewiss", rief Wahlen erfreut. Mehr als einmal schon hatte der wortkarge ernste Mann den Kampf durch-

Damit nötigte er seinen Freund die schmale Kajütstreppe hinab in den gemacht, der auch heute wieder in der Stille der Nacht seine Brust zerwühlte,

engen, aber behaglichen Salon. Er schellte. Ein Yachtmatrose erschien. Und stets war er zu demselben Resultat gelangt.

„Zwei Gläser und eine Flasche Portwein", befahl Wahlen. Dann langte er Er liebte Gerda. Seit jenem Tage, da er sie als 15jährigen, wilden Back-
eine Zigarrenkiste vom Bord und präsentierte sie dem Assessor. fisch zuerst gesehen, liebte er sie mit der leidenschaftslosen Zähigkeit, die ihm
Egzow lehnte sich behaglich in seine Sofaecke zurück. in allen Dingen eigen war. Später, als er älter geworden, hatte er diese Liebe
„Wo soll es denn nun zunächst hingehn?" fragte er seinen Freund. in sich mit allen Mitteln bekämpft. Denn sie war ja aussichtslos! Nicht, als ob
„Nach Kopenhagen. Und zwar heut Abend schon. Hast Du noch viel zu sie unerwidert geblieben wäre, im Gegenteil vielleicht —; es war ein anderer
besorgen an Land?" Grund, der ihn abhielt, Gerda als sein Weib heimzuführen.

„Einiges ja. Du Iässt mich wohl nachher im Dinghy rüberpullen." Für eine stolze, freiheitliebende Natur, wie ihn, war es eine Unmöglichkeit,

„In der Gig sogar", lächelte Wahlen. „Das Dinghy ist schon dort. Uebrigens, eine Ehe einzugehen, in der er nicht der stärkere Teil war. Und das würde

hast Du denn Gerda nicht an Land getroffen?" unbedingt der Fall sein, wenn er Gerda heiratete. Sie war reich, während er

Der Assessor machte ein betroffenes Gesicht. mit seinem Gehalt und ein, wenig Zinsen gerade standesgemäss leben konnte.

„Gerda — pardon, Dein Fräulein Schwester? Aber die ist doch in Genf?" Sonst waren sie einander völlig ebenbürtig. Er hatte nichts, womit er ihren

Wahlen lachte. „Denkt garnicht daran. Sie hat sich absolut nicht gefallen Reichtum hätte aufwiegen können. Und so würde er auf Schritt und Tritt in

dort unten, und hat daher den Besuch bei unsern Verwandten abgekürzt. Sie der Ehe Gerdas Uebergewicht empfinden, auch wenn sie es niemals geltend

führt nun mit Tante Melanie die Wirtschaft auf Lasbeck. Das heisst, viel ist machte. Er würde es. wie eine Fessel mit sich herumtragen. Er sah es ja nur

sie bisher noch nicht dazu gekommen, da sie die meiste Zeit auf der ,Senta' allzu häufig in anderen Ehen: es gab auch Mesalliancen zwischen arm und reich,

zubringt. Augenblicklich ist sie an Land, um Einkäufe zu machen." Und davor wollte er Gerda und sich bewahren. — Aber trotzdem hatte er es

Der Assessor hörte schweigend zu. „Entschuldige, davon wusste ich nichts", nicht vermocht, sich diese thörichte Liebe völlig aus dem Kopfe zu schlagen,

sagte er dann. „Aber unter diesen Umständen kann ich Deine Einladung nicht Eine seltsam weiche Stimmung überkam ihn. Der Zauber der Mondnacht

annehmen. Ich würde ja nur stören hier und Dein Fräulein Schwester auf Schritt war wohl schuld daran. Er sah ihre blauen, schwarzbewimperteu Augen auf

und Tritt genieren." sich gerichtet, er hörte den Klang ihrer Stimme.

Wahlen war aufgesprungen. „Aber Mensch, was fällt Dir denn ein? Du Und sollte er von ihr gehn auf immer, wo er doch wusste, dass auch ihr

und stören? Keine Rede davon. Die ,Senta' ist doch kein 10-Tonner, wo Herz für ihn schlug? Hatte er denn garnichts, was ihren Reichtum wett machte?

alles drunter und drüber im Salon kampiert. Gerda hat achtern die ganze Seinen Stand? — Sie teilte ihn ja. Seine Stellung? — Er wollte sich erst eine

Damenkajüte für sich und Du hast vorn Deine altgewohnte Kammer. Und über- erwerben. Einen grossen Dienst, der sie ihm zu steter Dankbarkeit verpflichtete?

haupt! Ihr seid doch alte Bekannte!" Er grübelte nach, während sein Blick unverwandt auf das kleine vergitterte

„Ich habe Dein Fräulein Schwester seit vier Jahren nicht mehr gesehen." Deckslicht starrte, unter dem sich ihre Kajüte befand.

„Weiss Gott, ja! Du hast Dich überhaupt sehr rar gemacht in letzter Zeit. Der Ton der Schiffsglocke weckte ihn aus seiner Träumerei. Vier Doppel-

Mir kam's immer so vor, als ob Du ihr aus dem Wege gingst." schlage hallten über Deck. Acht Glas! Seine Wache war zu Ende.

Egzows Gesicht färbte sich dunkler. Dann stand er auf. Wahlen stand vor ihm, die kurze englische Pfeife im Munde.

„Genug davon. Ich komme mit, dann mochte ich aber jetzt an Land." „Scheussliches Wetter", knurrte er. „Keine zwei Knoten Fahrt! Aber es

Auf Deck hörte man leichte, schnelle Schritte. bleibt nicht so, das Barometer fällt." — „Giebt es Wind?" fragte der Assessor.

„.Sollte Gerda schon zurück sein?" fragte Wahlen erstaunt. Da ward auch „Eine ganze Mütze voll."

schon die Salonthüre geöffnet und eine hohe Mädchengestalt erschien. „Nordnordwest 'Ii Nord'" Damit übergab Egzow die Wache seinem Freunde.

Sie stutzte, als sie den Assessor gewahrte, der ihr mit einer Verbeugung — — — —-------—-----—---------

entgegentrat. Auf ihren energisch geschnittenen Zügen malte sich eine leichte Wahlen behielt Recht. Als der Assessor am nächsten Morgen den Kopf

Befangenheit. aus der Kajütskappe steckte, wehte ein steifer, böiger Nordost und wälzte schaum-

„Nun Gerda, erkennst Du den Herrn nicht?" fragte ihr Bruder scherzend. gekrönte Wogen über die dunkelgraue Ostsee. Gross- und Vorsegel gerefft, die

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