Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 14.1900

DOI Heft:
7. Heft
DOI Artikel:
Eine Weihnachtsgeschichte aus dem Grödener Thal
DOI Artikel:
Duncker, Dora: Ohne Liebe: Erzählung
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.22226#0150

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
MODERNE KUNST. 105

„Lass brennen", versetzte die Gattin in sehr gefasstem Tone. Wer konnte ihnen das angethan haben? Nun war es ja gar nicht mehr
„Dumm's G'schwatz! Du hast gut red'n. Aber unser Prozess!" der Mühe wert, einen Prozess zu führen. Aber die Thäter, die mochten sich freuen.
„Der verbrennt mit", antwortete sie und entfesselte dadurch einen stürmischen Vollständig einig und verglichen, kamen sie selbander auf den Kaltnerhof;
Zorncsausbruch des Bauern. Es bedurfte ihrer ganzen Energie, um diesen zu beide mit Beulen auf dem Kopfe und roten Blecken in den Gesichtern,
verhindern, wie er ging und stand auf den ungefähr eine halbe Stunde entfernten „Vroni!" rief der Bauer in die Stube hinein. „Für den Fall als Du Pech-
Berg zu rennen, um die Thäter zur Rechenschaft zu ziehen. Nun musste sich hoferin werd'n willst — i hab nix entgeg'n."--

der Kaltenhofer begnügen, ungemessen auf den Pechhofer zu schimpfen, denn Alles war weiss beschneit in der Christnacht; Toni und Vroni gingen Hand

dieser und kein anderer konnte der Veranlasser gewesen sein. in Hand miteinander herab zur Mette nach St. Illerich.

Als der Tag graute, war er nicht mehr zu halten. Mit erstaunt aufgerissenen „Wennst' meinst", sagte er, „das nächst Jahr am heiligen Abend, da steck

Augen stand er alsbald vor der Stätte der Verwüstung. Sämtliches Fichtenzeug ich Dir so ein neumodischen Christbaum mit Wachskeftzeln an."

und alle Wachholderbeerstauden waren abgeschlagen und abgesägt, fein auf »Net nötig", meinte sie und blinzelte schelmisch. „War schad', wenn wegen

Haufen geworfen und dann angezündet worden. meiner so ein unschuldigs Bamerl sein Leb'.n cinbüss'n müsstv"

Er schäumte vor Wut und wie er damit im besten Zuge war, stürmte der „Gut", sagte Toni, „so bleib'n wir beim alten Brauch. Aber das versprichst

junge Toni vom Pechhofe herbei, auf den die Thatsache eine ganz ähnliche mir, dass ich Dich morg'n, am Christtag, mit'n Schlitt'n zum Pfarrer von St.

W irkung ausübte. Ulerich fahren darf, von weg'n dem Verspruch? Den Hoehzeitlader hab i schon

AVenn in den südamerikanischen Pampas ein paar Büffel aufeinander los- b'stellt zum Mitfahr'n."

platzen, mag es ungefähr ähnlich hergehen, wie dazumal auf der Waldbrand- „1s mir recht", stimmte Vroni zu. „Der Vater hat so wie so den seinigen

stätte, als die zwei Dickköpfe aneinander gerieten. Ohne sich lange zu besinnen, und das neu.G'schirr heut früh scho' z'sammeng'richt. Er will auch gleich auf's

bearbeiteten sie sich kräftigst mit den Fäusten, doch als erst einer zu Wort GVicht und die Lump'n anzeig'n; aber die Leut sag'n, es hilft nix, die seien

kam, wurden sie sehr rasch einig und die besten Freunde. scho' lang wieder im Italien."

..... ' ' ■ -----<5-«=---;--

©hne Jfiebe.

Erzählung von Dora Duncker.

-- . - pfachiruck verboten,]

om Turm der Sebalduskirche schlug es sieben Uhr. Ein kurzer Traum, von dem der Vater in seinem strengen nüchternen

Die Luft war trübe, warm und regenschwer. In Geschäftssinn nichts hatte wissen wollen. Heute noch hörte sie durch

den meisten Häusern standen jetzt um die Abend- die Stille des düstern Gemachs seine harte grollende Stimme: „Einem

stunde die Fenster noch weit geöffnet und Hessen Windhund von Bildhauer der nichts ist, nichts hat, nichts kann, mein

den KerzenSchein der angezündeten Weihnachtsbäume einziges Kind geben — nie." Sic hatte sielt gebäumt und gewehrt. Sie

■in die stillen Strassen hinausdringen, und weit hinein in die hatte ihre junge heisse Liebe verteidigt. An Entführung und Sterben

Gassen tönten die hellen Stimmen liedersingender Kinder. hatten sie gedacht, bis endlich der eiserne Zwang der Alltagsgewohnheiten,

In dem Antiquitätenladen gegenüber der Südfront der Kirche waren die trockne unbeirrbare Ruhe des Vaters die Flammen in ihr zu ersticken

trotz der warmen Luit Fenster und Thüren sorgfältig geschlossen. Eine begannen. Sie glaubte am Ende, was man ihr von dem Geliebten sagte,

einzige düster brennende Lampe erhellte notdürftig den weiten, bis in dass er leichtsinnig sei und keinen Ernst weder für die Kunst noch für

die entlegensten Winkel vollgestellten Raum. Mehr in den Lichtkreis das Lehen habe, dass er auch mit ihr nur sein Spiel treibe, bis sie ihm

der Lampe gerückt, standen zwei grosse, mit einer Menge von Kunst- blutenden Herzens den Abschied gab.

gegenständen beladcne Tafeln. Unfern einer der Tafeln stand ein Dann zwei Jahre später kam der, der ihr Mann werden sollte. Sie

Tischchen, das die Lampe trug. Dicht vor demselben, ganz allein in dem empfand nichts für ihn, aber sie wollte heraus aus der immer öder

stillen, düsteren Raum, sass eine dem Anscheine nach noch jugendliche werdenden Enge des Hauses, in dem das Gespenst ihrer jungen heissen,

Frau. Das Lampenlicht fiel auf einen üppigen, ins Rotblonde spielenden, wie sie- meinte, zu Grabt- getragenen Liebe umging.

nicht allzusorgfältig geordneten Haarknoten, auf ein graues sehr schlichtes Zuerst war dem Vater auch dieser Mann nicht recht gewesen. Am Ende

Gewand, das nachlässig den schön geformten Körper umschloss. Die Frau aber Hess cr's geschehen. Es stand schon damals nicht mehr zum besten

hielt den Kopf tief auf einen alten Lederband gebeugt, über dessen mit ihm und dass das Kind versorgt war, nahm ihm eine Last von der Seele,

metallische Schliessen und Verzierungen sie eifrig mit einem weichen Die müde Frau schlug fröstelnd die Augen wieder auf.

Lederlappen hin und her rieb. Dass sie den früh Geliebten nie vergessen hatte, dass sie ihn heut

Als Besitzerin des Geschäftes wäre es eigentlich nicht ihre Arbeit liebte, wenn möglich heisscr noch wie einst, dass sie ihn herbeisehnte

gewesen, aber es war Heiligabend und sie hatte ihre Leute früh entlassen. mit zärtlicher Reue, dass sie ihn nie würde vergessen können, das wusste

Zudem, ehe ein Stück aus dem Laden ging', musste sie selbst doch danach sie längst. Aber so deutlich wie in dieser Stunde hatte sein liebes Bild

sehen, so hatte es ihr Mann gehalten und so hielt sie es weiter nach ihr lange nicht vor Augen gestanden. Sie legte die Hände über die

seinem vor Jahren erfolgten Tode. Sie that es nicht gern, wie denn die Augen. Sie wollte ihn nicht seilen in seiner Schönheit, in der jugendlichen

ganze Geschäftsführung ihr aus Grund der Seele zuwider war. Aber sie Glut seiner stürmischen Liebe. Wiederum umklammerte sie das alte Buch,

hatte das Geschäft einmal behalten, weil man ihr zugeredet hatte und dabei aber flog ihr Blick, als ob sie ihn körperlich von ihm abwenden

weil sie sonst nichts in der Welt besass, das ihr zu thun oder zu denken wollte, mechanisch erst, dann mit der Seele sehend und erfassend über

gegeben hätte. Er winde ja noch nicht sobald kommen, der unbekannte die langen Tafeln fort. Tote Gegenstände, Handelsobjekte, die nur als

Käufer des alten Buches, der es heut Mittag in ihrer Abwesenheit erstanden solche Wert für sie besessen hatten, gewannen plötzlich Leben, sprachen

hatte und nur noch die Schliessen und Beschläge gereinigt haben wollte. zur ihr von Werden und Vergehen und von heissem Lieben.

Wie alt sie sich vorkam mit ihren dreissig Jahren, allein, immer Ihre Hand tastete nach einer alten vergilbten Perlenschnur, die über

allein — auch heut am Weihnachtsabend — zwischen dem alten Kram! einem verschlissenen Sammctkissen hing. Einst mochte sie den Hals

Die Hände im Schooss gefaltet, die Augen noch immer träumerisch einer schönen Frau geschmückt haben, liebende Hände hatten ihn damit

geschlossen, wanderten ihre Gedanken zurück zu einem Weihnachtsabend umschlungen, warme Lippen ihn geküsst. Nicht weit davon lag eine Krone

vor nun zehn Jahren. In München wars gewesen, wo sie mit ihrem Vater, aus Flittergold, mit Perlen und bunten Schleifen geziert, eine Brautkrone,

ihre Heimat gehabt hatte. Die Mutter war lange tot. So still und ruhig, wie- die Mädchen oben im Gebirg sie trugen. Kosend möchten die Hände

ja so einförmig strenge es an Werkel- und Arbeitstagen im Hause gehalten des Burschen darüber hingefahren sein, (die er sie seinem jungen Weibe

wurde, die Festtage gönnte der Vater seinem einzigen Kind und unter aus den schweren Flechten genommen hatte. Der alte Ring dort auf der

dem Christbaum pflegte es stets ganz besonders festlich zuzugehen. Und silbernen Platte! Eine junge Braut hatte ihn wohl dem Geliebten auf den

an diesem erst, an diesem einzigen, herrlichsten aller Christabende, an Finger geschoben, ein Zeichen unverbrüchlicher Treue, ewiger unvergäng-

dem sie einander zum ersten Mal gesehen, an dem ihre Herzen sich licher Liebe. Ein kalter Schauer rann ihr über den Rücken. Grosse heisse

gefunden hatten, wie sie damals gemeint, um sich nie wieder zu verlieren! Tropfen stiegen in ihren Augen auf. Wohin sie blickte gemahnte sie's an

XIV. W.-No. III.
 
Annotationen