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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 14.1900

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9. Heft
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https://doi.org/10.11588/diglit.22226#0231

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. . gezeigt hatte, die runde Zahl für den Anfang des Jahr- Gründen auch schon deshalb, weil wir auf unserer Seite

Wanil bßQinnt (JaS neU6 JanFhUndeFt? hunderts hielt. Er nennt diejenigen, welche mit 1801 solche Männer haben wie Gauss und Lichtenberg, der

für den Anfang des XIX. Jahrhunderts abstimmten, bekanntlich auch dieser seiner Meinung Ausdruck gab.

Vor jeder Jahrhundertwende beginnt derselbe Streit „mikrologische Ausleger".

von neuem. Eine Menge Gelehrte des alten Europa Worin besteht eigentlich der Kern der Frage? Wir

und des nun auch nicht mehr jungen Amerika greifen glauben die Frage so aufstellen zu müssen: wann wurde T)l2 "BohsnZOllßm ifl "Blldl Und "Wort

zur Feder bei der Jahrhundertwende um für oder Jesus Christus nach unserer Zeitrechnung geboren? ^ • ^

gegen die Zahl mit den doppelten Nullen am Ende Oder noch richtiger hiesse es: was ist der Name seines Im Verlage von Martin Oldenbourg in Berlin ist

ihre logischen Folgerungen der Mit- und Nachwelt Geburtsjahres? Beantwortet man die Frage so, das ein Prachtwerk erschienen, das über die Menge der täg-

bekannt zu geben. Auch diesmal geschah es so. Seit Jesus Christus unbedingt im Geburtsjahre Christi ge- lieh erscheinenden Bücher in verschiedener Hinsicht weit

einigen Jahren schrieb jedermann, der den Beruf in boren wurde und man dieses Jahr 365 Tage lang das hinausragt: „Die Hohenzoliern in Bild und Wort"

sich verspürte, ganze _ von Carl Rahling

Abhandlungen dar- j " ' ; : : ' " ? ■ ' ~-'--'---—--■-~VHHH||MBIHBj und Richard Stern-

über, ob das XX. Jahr- fohl. Das Sr. Maj.
hundert mit der runden ' dein Deutschen Kaiser
Jahreszahl 1900 oder, N^rffcjMfc gewidmete Werk ist
wie es scheinbar eine Chronik der
• • Ilohenzollern-Kürsten.
dem I. Januar 1901 lx-- f * In einer Kinleitung
ginnen soll. Ks giebt j wird zunächst eine
eine grosse Menge ■ < l'ebersicht über die
von Menschen, die , Uogierunnszeit der
der Meinung sind, dass . | Burggrafen von Nflrn-
man das neue Jahr- berü Iiis zur Bcleh-
hundert von 1901 zäh- nung mit der Mark
len soll, denn — und I H Brandenburg und bis
diese Denkungswcisc zur \'ereinigung mit
ist nicht gerade un- jß"' dem früheren 1 Ierzog-
logisch einjahrhun- |F> tum Preussen geboten,
dert besteht eben aus |>jB Dann lol-t die Ge-
hundert Jahren, und ( jjj WT • . schichte der Kurfür-
wenn man hundert , stenzeit, die der Grün-
zählen soll, beginnt dung des 1'rcussisehen
man doch nicht etwa Hr \\ Staates und endlich die
mit Null, sondern mit (ie-ehichte der Grfln-

I (llmo der, Deutschen

aber -chon bewiesen . Reiche-. Der Text ist
und auch von dem j sehr klar geschrieben;
Staat und der Kirche j der Verfasser be-
angenommen, dass es j flcissigte sich strenger
viel richtiger sei, man Sachlichkeit, ohne je-

doch in trockene Auf-
hundert mit dem I. Ja- /flEI^^HI zähhing von Kreig-
nuar 1900. Die Mo- nissen und Rcgicruugs-
derne Kunst hat in zeiten zu verfallen,
einer früheren Num- Jeder I .eser wird sich
mer darauf schon hin- ffliHH

gewie- anscliaulichcs Bild von

| d^

interessantes Werk ver- Prosit J^eujafyr! Rücksicht genommen

öffentlicht, nämlich den worden. Scenen wie:

Briefwechsel zwischen Gauss und seinem Kollegen und Geburtsjahr Christi nennen muss, so ist es zweifelsohne, „Friedrich I. bei der Belagerung der Quitzowschen Burg

Freunde Wolfgang Bölyai, dem hervorragendsten dass jedes Jahrhundert mit dem 99. Jahre abschliesst. Friesack" (1414), „Friedrich II. bei der Gründung des

ungarischen Mathematiker. In diesem Werke fanden wir Wenn aber die andere Partei so antwortet, dass der Schlosses an der Spree" (1443), „Joachim Friedrich

einen interessanten Brief Gauss', datiert vom 16. De- Heiland im Jahre 1 nach Christi Geburt geboren gründet das Joachimsthalsche Gymnasium" (1607),

zember 1799, in dem es wörtlich heisst: wurde, so hat auch sie Recht, denn dann muss das „Friedrich der Grosse in seinem Arbeitszimmer",

„Schwerlich wird Dir dieser Brief noch in diesem Jahre zu Jahrhundert mit den Doppelnullen abgeschlossen und „Kaiser Friedrichs III. letzte Parade" (1888) und viele
Händen kommen, melde mir in Deinem nächsten wann Du ihn mit 1 begonnen werden. andere geben nicht nur das dargestellte Ereignis in
empfangen hast; der letzte December, der wenigsten der letzte Es ist aber ersichtbar, dass diesmal die Auffassung historischer Treue wieder, sie veranschaulichen auch zu-
sein wird, wo wir siebzehn hundert nennen (wenn gleich der Dinge nur Geschmacksache ist, individuelle Meinung, gleich in den Nebenfiguren und im ganzen gewählten Milieu
mikrologischere Ausleger das Ende des Jahrhunderts noch ein Sympathie oder Antipathie für die Annahme dieser oder den Kulturstandpunkt jeder einzelnen Epoche. Das Buch
Jahr weiter hinaussetzen) wird mir besonders heilig sein.« jener Theorie. Wenn wir nun dennoch dabei bleiben, dass erfreut, belehrt und, wenn man den ganzen siegreichen

Hier also der Beweis, dass der grösste Rechner wir mit dem 1. Januar 1900 das XX. Jahrhundert schon Verlauf der preussischen Geschichte überdenkt, begeistert

selbst, der vor hundert Jahren seine Löwenkrallen schon zählen, thuri wir das ausser den schon oben erwähnten den Leser. Es muss eindringlichst empfohlen werden.

XIV. 9. B. 1.
 
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