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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 14.1900

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11. Heft
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Künstler-Schnurren
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https://doi.org/10.11588/diglit.22226#0274

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175

Künstler-Schnurren.

[Nachdruck verboten.]

S^^5- Des Künstlers Oasse. „Woas los is, fragst? Gut, dass g'rad Du thust fragen. Wart a bissei, da

(n einem regnerischen Apriltage schimpfte und spuckte der bekannte und schau .....potz Donner . . . hab's zu Haus gelassen, aber schad't nix

allgemein geachtete ungarische Bildhauer Julius Donath aussergewöhn- A Brief hab' i bekummen, vom Oberhofmeisteramt, dass Seine Majestät mich

lieh viel, als er aus seinem Atelier in der verlegenen Kmetty-Gasse zu Budapest am Donnerstag in meinem Atelier mit einem Allerhöchsten Besuch auszeichnen

heraustrat. Wie gesagt, vom Himmel floss es in Strömen und in dieser Gasse wird, und da soll i mich nix ärgern über eure Sauwirtschaft, schau mal an, wie

mit den zwei Häusern war ohne Pflaster und ohne Bürgersteig ein jämmerlicher meine Gassen ausschaugt. Du weisst ja wo i wohnen thu, da wird der König

Schmutz. Bis zu den Knieen musste der Künstler im aufgeweichten Boden a Vergnügen haben von euerem Schmutz in dera Gassen. Gut, dass grad Du

waten und da schimpfte und spuckte er aussergewöhnlich viel: da bist, geh' auch mal in die Gassen" ....

j.Pfui, diese elende Wirtschaft! Steuer thun sie nehmen diese Faulenzer, »Du, Donath, mach keine schlechte Witze" . . .

Cafe chantant in Sevilla. Nach einem Gemälde von Albert Franke.

aber a bissei Asphalt möchten's mir nit hermachen. G'rad als ob i in der Graf
Kärolyi-Gassen könnt' thun wohnen. Diese Faulenzer, als ob i so viel Geld
hätt', dass i mir könnt'bauen a Villa in der Burg! Pfui! Sauwirtschaft, elendiges!
'nen armen Menschen lassen's da im Dreck geh'n die Faulenzer. Pfui! sag i
noch a mal! A ganz gemeine Sauwirtschaft! . . . Aber i will nit mal dran denken,
sonstet werd' i füchtig und thu nocha gegen meine Gewohnheit schimpfen" . . .

Als er diesen ganz laut gesprochenen Monolog so beendet hatte, kam
er auch schon in die etwas europäisiertere Bajra-Gasse und da schritt er
sogar lächelnd, alter Gewohnheit gemäss, zu einer Partie Karambol in das Cafe
Abazzia auf der Andrässy-Strasse. Hier hatte er alsbald den ganzen Schmutz
seiner Gasse vergessen und lachte über die „Fliegenden" gebeugt gar herzlich, als
ein eleganter älterer Herr, es war der Bürgermeister der ungarischen Haupt-
stadt, seine Schulter berührte.

„Worüber lachst Du so köstlich, alter Kumpane?"

Donath schaut auf, wird plötzlich ganz ernst und erwidert:

„Woas, lachen thu i, sagst Du? Im Gegenteil. WTeinen möcht' i vor lauter
Schand' und Aergernis."

„Na, na, was ist denn los?"

„Was Witz. Ernst mach' i, der König will das Grabdenkmal für die
gefallenen Krieger ansehen" . . .

Als er jedoch diesen Satz zu Ende bringen wollte, war der Bürgermeister
nicht mehr im Cafe\

„Den hab' i derwischt" — sagt sich der Künstler wohlgefällig und fängt
von neuem an zu lesen. — —

In später Nacht erwacht plötzlich unser Künstler aus dem tiefen Schlafe.
Er horcht, wo denn so viel gehämmert wird? Im Atelier doch nicht? Als ob
es von der Gasse käme. Es will nicht aufhören. Jetzt wird auch laut gerufen.
Da muss er doch mal sehen, was es da giebt. Und seine Decke um den mangel-
haft bekleideten Körper hüllend, tastet er langsam im Dunkeln sich bis zum
Fenster vor. Als er den Vorhang bei Seite zieht, gewahrt er ein gar buntes
Treiben von wenigstens hundert Arbeitern, die beim Scheine vieler Fackeln da
unten, mit allerhand Geräten bewaffnet, sich auf dem Fahrdamm zu schaffen
machen. Was geht da vor, denkt sich der Künstler. Sollte er vielleicht träumen.
Aber nein, er fühlt, dass er wach ist, es friert ihn sogar. Was kann da
geschehen sein? Vielleicht legt man Kabel oder gar die Wasserleitungsröhre.
So etwas muss das sein, meint unser Held und da es ihn friert, geht er wieder
 
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