Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 14.1900

DOI Heft:
15. Heft
DOI Artikel:
Georgy, Ernst: Aus dem Mietskontor
DOI Artikel:
In den Gärten des Alcazar zu Sevilla
DOI Artikel:
Unsere Bilder, [13]
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.22226#0383

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
240

MODERNE KUNST.

der neuen Bauordnung und festen Lohnsätzen, Arbeitsstunden und so weiter,
könnten Sie das Doppelte erreichen, ohne die Frauenzimmer aufsässig zu machen!"

Sie schwieg und trug die Abmachungen in ihr Buch ein. „Sie haben ganz
recht, Frau Primke! Jeder vernünftige Mensch wird Thnen zustimmen", erwiderte
Kern, „ich als liberaler Fortschrittmann bin gewiss für Reformen und Humanität.
Zwingt uns Herrschaften zu beidem; aber für die da drin und für all die wider-
willigen Arbeiter, die ihr verhetzt habt, gebt uns die Prügelstrafe wieder!" —
„Bravo!" rief die Primke. Seine Gattin zupft ihn am Aermel: „Um Gottes-
willen, schweig, Du sprichst Dich um den Kragen!" — „Aber warum denn, Ihr
Mann hat ja vollkommen recht!" meinte die Vermieterin.

Das Ehepaar war auf der Strasse. „Das ist ja alles gut und schön!" sagte
sie ausser sich, „aber die Nenna kann bloss ein paar Tage bleiben. Und wo
bekomme ich ein Kindermädchen her?" — „Sei nur ruhig, Maus, die Sache
wird gedeichselt! Von diesen Personen habe ich genug. Morgen annoncieren
wir und suchen eine Kindergärtnerin, ein gebildetes Mädchen! Da wir einem
solchen aber die Wäsche der Kleinen und das Aufräumen des Kinderzimmers
nicht zumuten können, so wird die neue Luise unweigerlich die Stube mit über-
nehmen! Die Wäsche giebst Du aus dem Haus! Damit basta!"

„Vielleicht hast Du recht!" — entgegnete sie. „Denn wenn man so nach-
denkt, Hugo,---— das Dienstmädchen macht seine Arbeit, ist fertig und

braucht sich um nichts zu kümmern, nicht wahr? Aber eine einzige Person bei
drei lebhaften kleinen Kindern hat ein entsetzlich schweres Leben! Es ist gut,
dass wir keinen so grossen Verkehr haben, und ich mich soviel um mein Trio

kümmern kann. Ich werde der neuen recht bei ihren Pflichten helfen. Und
wenn der Junge erst im nächsten Jahr in die Schule kommt, hat sie es auch

leichter!"--„Das ist richtig!" — versetzte er darauf. „Ich kann sowieso die

Mütter nicht begreifen, die ihre Sprösslinge so ganz in die Hände gemieteter,
fremder Personen geben! Die Achtung ihrer Männer können solche Frauen
gewiss nicht beanspruchen. Ich gehe sogar so weit und sage, dass sie kein
Anrecht auf die Liebe der Kinder haben! Es bleibt den Müttern ja noch soviel
freie Zeit — später, wenn die Kleinen erwachsen sind!" —

„Ich wollt', ich hätte erst eine zuverlässige Person!" seufzte sie. „Hab' keine
Angst, Maus, diese Fröbelmädchen sind ja berühmt. Und Du wirst aufatmen,
wenn Du erst mit gebildeten Mädchen zu thun hast!" — tröstete er und drückte
ihren Arm zärtlich. — Nach einem Weilchen fuhr er fort: „Handle auch nicht um
ein paar Mark, Toni, lieber bringen wir ein kleines Opfer: ein Kleid und einen

Anzug weniger pro Jahr!-----Du, ich hab' aber jetzt doch Achtung und

Mitleid vor Euch Hausfrauen bekommen! Wir Herren urteilen etwas leichtfertig
in dieser Sache! Es ist entschieden kein Vergnügen, viel mit Dienstboten in Be-
rührung zu kommen!"--„Oh nein, durchaus nicht!" —lächelte sie resigniert.

Frau Kern atmete auf und brauchte nicht zu handeln. Eine geprüfte Kinder-
gärtnerin, ein Pastorentöchterlein, kam in ihr Haus. Sanft, fleissig und gebildet.
Sie verlangte nur zweihundert vierzig Mark im Jahre bei freier Station. Und
das wurde jubelnd bewilligt! — Die drei Kinder sind artig, vergnügt und immer
beschäftigt. „Räulein" wird von ihnen vergöttert. Und Herr Kern triumphiert
über seine gute Idee. Alle, alle lieben „Räulein", sie gehört ganz zur Familie!

(0n den Qärfcn des J^lca^ar %\x J)Ct>iHa.

--*•*-- [Nachdruck verboten.]

&%Q$YMC.er jerflals m den Gärten des Alcazar zu Sevilla gewandelt ist und jeden Saal knüpft sich eine Erinnerung. Der Saal der Favoritin Maria Padilla,
rßMfjw\ eine Erinnerung davon zu erwecken vermag, dem geht es wie denen, der Geliebten Don Pedro des Grausamen! Dieser hatte einen Bruder, Don
^<h(j die Rom gesehen: sie können niemals ganz unglücklich werden.— Um Fadrique. Don Fadrique liebte die schöne Maria und hier auf dem noch rot-
dahin zu gelangen, bedarf es eines Erlaubnisscheines und wenn es an der Pforte spurigen Azulejo, so sagt die Sage, liess Pedro den Bruder ermorden,
heisst: der Alcalde schläft noch, so kann man immer noch stundenlang die schöne Wir träumen uns in vergangene Zeiten. Sklavinnen wehen Kühlung mit
Calle de las Sierpes, die Schlangenstrasse, durchwandern, oder den Cigarreras Pfauenfederfächern, Mädchen rufen, Eunuchen laufen, Glutaugen glänzen und
in der Fabrik einen Besuch machen, die Zeit wird einem in Sevilla nicht lange. süsse Ambrawolken schlingen sich mit zartem Gekräusel von Säule zu Rundbogen,
Ein Soldat führt uns nun zu all den zauberischen Herrlichkeiten. Durch von Kapital zu Kapital. Zwischen Myrthen und Jasminen badet die Cava mit
einen Hufeisenbogen sind wir eingetreten, und nun träumt sich die Seele in ihren Jungfrauen und im Scherze verlangt sie mit ihrer Stirnbinde zu messen,
einen Traum von Paradiesen, Houris, weissen umschlingenden Armen, Ambra- wer die kleinsten Füsschen habe. Aber der König Rodrigo belauschte sie, legte
und Moschusdüften. Iiier fällt rotes Sternenlicht aus riesiger Kuppel in einen ihr Krone, Herz und Szepter zu Füssen und verliert in sündiger Minne Ruhm
geheimnisvoll erleuchteten Saal — man sagt uns, dass sich hier einst die und Ehre Spaniens, denn blutiger Zwist entbrannte um der Cava willen zwischen
maurischen Haremsdamen gebadet. Säulen ragen hoch, ein Garten der Hesperiden Mauren und Andalusiern. — Oder die reizende Florinde, die Tochter des stolzen
duftet herein — in diesem Marmorbecken lagen Jungfrauen, schön wie die Grafen Julian von Consuegra, wird von Rodrigo in gleicher Lage belauscht.
Sevillanerinnen heute noch sind und salbten ihre weisse, weiche Haut mit Narden Und darob entbrannte die Schlacht bei Jeres, bei der Krön' und Lorbeer jäh
und Myrrhen, wie die Schöne des Hohenliedes. Wir wandern durch den Patio zur Erde rollten. — Der Alcazar ist von Abu Yacub Yusuf in Sevilla 1197 an-
dellas Doncellas, den Hof der Mädchen. „Warum heisst er so?" frage ich den gefangen worden. Ihn zu beschreiben haben sich Nordau, Theophil Gautier,
Soldaten. „Hier empfingen die Mauren vom Königreiche Leon alljährlich hundert de Amicis bemüht. Aber nur das Auge kann dort sehen und staunen, das nicht liest,
Jungfrauen als Tribut." So erklärte der Verteidiger der Ehre Spaniens. An sondern sieht, und sein Besitzer wird später niemals ganz unglücklich sein. A. F.

las ist der Wein, das ist der Wein — zum Labsal uns gegeben," so schallt die so zu sagen Studentenmut und -lust mit der Muttermilch einsaugen und

es aus dem Munde der urfidelen Zecher, die N. Sylvestre auf seinem die schon ein echtes Studentengemüt offenbaren, wenn sie noch nicht einmal

Bilde .Lustiger Toast" so anziehend dargestellt hat. Zwar sind sie nicht aus den Kinderschuhen geschlüpft sind,
aus unserem Jahrhundert — sie mögen wohl dem siebzehnten entstammen — . * .,. *

aber was thuts — sie sind so von echter fröhlicher Zecherlaune erfüllt, sie Holärek: Rückkehr der geblendeten Bulgaren aus der türki-

fühlen sich so wohl, offenbar „kannibalisch wohl," wie die berühmten Goetheschen sehen Gefangenschaft im Jahre 1001. Der bulgarische Zar Samuel hatte,

Zecher in Auerbachskeller, dass jedes urdeutsche, weinfröhliche Zechergemüt von den Russen unter dem Grossfürsten Wladimir bedrängt, seine Flerrschafts-

einstimmen möchte in ihren Cantus: „Das ist der Wein, das ist der Wein — Sphäre nach Süden hin ausgedehnt. Das adriatische Küstenland hatte er mit An-

zum Labsal uns gegeben." siedelungen seiner Unterthanen besetzt, Dyrrhachion gewonnen und die albane-

* sischen und slavischen Küstenvölker seiner Botmässigkeit dienstbar gemacht. Unter

[uf der vorjährigen grossen Berliner Kunstausstellung zog das feine furchtbaren Verheerungen drang er bis in das Innere des Peloponnes vor. Da

Pastellporträt, das Julietta Wagner ausgestellt und „Meine kleine Freundin" ermannte sich der byzantinische Kaiser Basilios und griff die Operationsbasis

genannt hatte, die Augen aller Kunstfreunde auf sich. Das war kein Wunder, der Bulgaren in den Donauländern an, eroberte Makedonien zurück und zwang

denn es äussert sich in diesem Kunstwerk eine liebenswürdige Empfindung, die seine Gegner, obwohl sie inzwischen Adrianopel erobert hatten, zum Rückzüge,

sich mit höchst geschickter Handhabung der Technik paart, so dass man das Nachdem der Krieg dann eine Zeitlang schlaff geführt worden war, griff Basilios

Bild mit ganz ungetrübter Freude betrachten kann. Es ist für die Berliner die Bulgaren in deren letztem Stützpunkt, in der Landschaft des Strymon an.

Nationalgallerie angekauft worden. — Von nicht minder künstlerischer Durch- Am Berge Valathista wurde die Entscheidungsschlacht geschlagen. Die Bulgaren

arbeitung und feinster Beherrschung der Formen zeugt K. von Uechtritz' erlitten eine furchtbare Niederlage. Mit genauer Not entfloh Zar Samuel nach Bilep,

schöner „Wandbrunnen", dessen Abbildung dieses Heft ziert. während sein Gegner den Sieg durch eine entsetzliche Grausamkeit entehrte. Er

* ... * nahm für die vieljährigen Leiden, welche die Bulgaren über das byzantinische Reich
„Mcr jüngste Fuchs", der sich uns so kneipbereit in den Farben der gebracht, schauerliche Rache. 15000 Gefangenen liess er die Augen ausstechen. Je
Westphalia präsentiert, scheint alle Anlage zu haben, mal ein echter Kneipfuchs, Hundert erhielten einen Einäugigen zum Führer, der sie zu ihrem Fürsten zurück-
ein flotter aktiver Bursch und später ein braves, geldspendendes altes Haus zu geleiten sollte. So schleppte sich der Todeszug durch die schneebedeckten Einöden,
werden. Viktor von Scheffels bekanntes Wort: „Zeitlebens ein Student" wendet Hier und da sank einer der Verstümmelten sterbend zusammen, bis die Ueber-
man gewöhnlich auf die spätere Lebenszeit des Menschen an. F.Müller-Münster lebenden sich Zug auf Zug den Grenzen der Heimat näherten. Zar Samuel
macht uns aber mit seinem Bilde begreiflich, dass es auch Menschen giebt, starb vor Entsetzen beim Anblick seiner geblendeten Krieger in Mosynopolis.
 
Annotationen