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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 14.1900

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15. Heft
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Stimmungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.22226#0384

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V

MODERNE KUNST. 24t

Hmmungen.

Das GhepaoF Dissen-Schneiden.

[Nachdruck verboten.]

Ein grösserer Gegensatz als nicht nervös werden, der's ernst-
dieses Kunstlerpaar lässt sich, in haft meint mit seiner Kunst!
der äusseren Erscheinung sowohl Frau Gisela lächelt, ihr kleines
wie in den Temperamenten, nur „süsses Wienermädellächeln". Auch
schwer denken. Hermann Nissen sie hat mal etwas sehr nervös ge-
eine Hünengestalt mit massigen, macht, aber sehr, der Schnitzler
imposanten Gliedern und dem nämlich vor der Premiere der „Lie-
echt deutschen, bereits ein wenig belei." Sie war längst fertig mit H
ans nordische mahnenden markig- dem Studium ihrer Miezi Schlager, ff
ernsten Kopf, mit dem dunkel- als der Dichter auf die Probe kam
blonden vollen Haupthaar und und ihr, bevor er sie gesehen, von
den blaugrauen Augen der nörd- ihrer Vorgängerin in Wien erzählte,
liehen Küstenbewohner. Gisela und wie diese die Rolle mit nach-
Schneider, nicht klein, nur im ahmenswerter lächelnder Bosheit

Vergleich zu seiner Riesengestalt gespickt habe. Frau Gisela traut , _ ,

Hermann Nissen. . Gisela Schneider.

so erscheinend, rundlich, „mollet" ihren Ohren nicht. Die gutmütige,

wie der Wiener sagt, und dabei nicht ohne Zierlichkeit, schwarzhaarig, schwarz- fesche, lustige Miezi boshaft! Ja kennt denn der Mann sein eigenes Geschöpf

äugig, mit Schelmengrübchen und einem Lächeln um den frischen Mund. Er, von nicht! Und herausplatzend wie es ihre Art ist: „Woas Bosheit? No schaun's

einer behaglichen Bonhomie, die nicht ohne Bedächtigkeit ist, ein wenig schwer die Rolle erst a mal an, nachher können's mir sagen, was Ihna nit gefallt!"

und langsam in all seinen Bewegungen und Aeusserungen, sie, munter, schnell Und nun lächelt sie erst gar verschmitzt, denn „nachher", da ist der Herr

fertig mit dem Wort — macht nichts, dass mal eines in der „Rage" gesprochen Schnitzler gekommen und hat ihr gedankt und sie himmelhoch gebeten, nichts,

mit darunter läuft — noch heut das echte fesche Wiener Mädel. Er, schwerblütig aber auch nicht das Geringste zu ändern, denn jetzt erst wisse er, was an der

in der Auffassung des Lebens und seiner Kunst, sie, nicht leichtsinnig, doch voll Miezi sei. Und weiter „nachher" haben wir es alle erfahren, welch einen

jenes köstlich leichten Sinns, der überall die Sonnenseiten sucht und findet. Schlager Gisela Schneider mit dieser Miezi Schlager gemacht hat. —

In diesen beiden haben wahrlich die _ Dann aber lächelt sie nicht mehr

T ,„,,. , • Maud Wnndt auf einer Klcttcrpartic. , .. — . „ . ,

die Rolle beim Lernen zufällig hinfallt, e konnten. Em grosses Fragezeichen.

steht dagegen bei beiden felsensicher fest, ebenso, dass das Gehenktwerden im Die Lebensmittel sind doch nicht gerade billiger geworden in Berlin? Und als
Vergleich zu den Aufregungen, die eine neue Rolle bringt, ein Plochgenuss ob sie sich was abgehen Hessen, danach sehen diese beiden auch nicht aus.
sein muss.. Er, der Hüne besonders, ist im wahren Sinne des Wortes „übel „So ist's auch nicht gemeint, ich denke an unsere Garderobe. Einen Frack
dran". Am Tage einer Erstaufführung ist er von drei Uhr ab auch physisch kein braucht mein Mann nur bei zwei Gelegenheiten. In einem einzigen selten gegebenen
Mensch mehr, und finster grollt sein mächtiges Organ, wenn er davon spricht, Stück und auf dem Presseball. Ich aber beziehe den Hauptbestand meiner Bühnen-
dass einzig das nervöse und nervös machende Berliner Premierenpublikum garderobe nicht etwa von Gerson oder Biester, sondern von — meiner Köchin.
Schuld an diesem seinem Ungemach ist. Freilich muss dabei noch ein anderes „Minna, werfen's mir die Blousen nicht weg. Um Himmelswillen nur den
in Betracht gezogen werden, für das die vielköpfige Hydra da unten nicht schlampeten Rock behalten. Das sind ja meine kostbarsten Garderobenstücke,
verantwortlich, wenigstens nicht unmittelbar verantwortlich gemacht werden kann, So möchte ich unaufhörlich mahnen. Aber Minna ist brav und gefällig. Sie
dass ist der Umstand, dass das Fachspielen aufgehört hat und man sich sozu- hebt ihre schlechtesten und abgetragensten Sachen für meine ersten Rollen auf."
sagen mit jeder neuen Rolle neu einführen muss. Heute der ehrlich polternde Auch ein Erfolg der Armenleutepoesie auf der Bühne! Die Minnas und
Kraftmensch in Wams und Koller, den ungefügen Spaten dräuend am Griff Augusten im Dienst unserer im modernen Repertoir beschäftigten Künstlerinnen
gefasst, morgen die stille philophische Resignation im modernen Gehrock, mit sind wahrlich zu beneiden, denn anzunehmen ist ja doch, dass die Hergabe
dem Trauerflor um den ihrer getragenen Garde-
Arm und dem Grabkranz 1 robe sich als ein ange-

Parademarsch des ersten Garde-Regimentes zu Fuss in Potsdam.

XIV. 15. IV.
 
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