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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 14.1900

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https://doi.org/10.11588/diglit.22226#0056

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Das Denkmal der preussischen Garde

„Den braven unvergesslichen Kameraden
Wilhelm II. und sein Erstes Garde-Regiment z. F."

Priessnitz, Schroth, Rikli, Kneipp, Hensel, Glünicke und Gott bewahre! Das Publikum geht uns gar nichts an;

anderen, sind in „Platen" enthalten. Indem nur das es hat gar kein Recht bei der Kunst, unser Werk muss

jj^ 5t. Privat. wirklich Gute und Erfolgreiche mit der Platenschen wie die wärmende Flamme in die Höhe steigen. Wehe

Methode verschmolzen wurde, ist eine Naturheillehre von dem Künstler, welcher sich vor den Wünschen des

Unser nebenstehendes Bild veranschaulicht das von grösstem Werte entstanden. Publikums beugt. Er ist für immer verloren. Oder ....

Walter Schott nach einer Zeichnung des deutschen Die Dresdener Hygiene-Ausstellung fand in den entweder ist er ein Unglücklicher, weil er ungeschickt

Kaisers modellierte Denkmal des Ersten Preussischen Gesamträumen des Gewerbehauses statt und gab ein ist oder ein Unehrlicher, wenn er sich den Schmeicheleien

Garde-Regiments z. F., das am 18. August in Gegenwart reiches Bild von allen Bestrebungen hygienischer Art; des Publikums beugt, angetrieben durch die Verlockung

des Monarchen in St. Privat enthüllt wurde. Auf einem alles, was sich auf Gesundheits- und Krankenpflege, des leichten Verdienstes.

mächtigen Steinblock, der die Worte trägt: sowie auf Ernährung, Wohnungswesen und Sport bezieht, Dieses sind die beiden Strömungen. Man findet

war in reicher Fülle vertreten. Jeder Besucher wurde aufs sie nicht nur speziell in Italien, sondern sie sind in jedem

neue davon überzeugt, dass die Gesundheit in unserer beliebigen Lande vorhanden. Nur sind sie in Italien

Zeit doch für ein sehr hohes Gut gehalten wird, da alle vielleicht etwas ausgesprochener als anderswo, schon

steht mit hoch aufstrebenden Flügeln der Erzengel. Bestrebungen, sich dieselbe zu erhalten oder wieder allein der Thatsache wegen, dass die künstlerischen

Die Verluste des genannten Regimentes bei dem Sturm zu erwerben, eine so vielseitige Bethätigung finden. Verhältnisse unseres Landes diese beiden Strömungen

auf St. Privat waren sehr gross; es verlor 982 begünstigen, zwischen denen die Barke der Kunst,

Grenadiere und Füsiliere, 104 Unteroffiziere, 35_____________, nian verzeihe mir das Gleichnis, oft schrecklich

Oifiziere und seinen Kommandeur. Der deutsche hin- und hergeworfen wird.

Kaiser hat in einer Ansprache die Bedeutung des Um sich eine genaue und unparteiische Vor-
Denkmals in sinnigster WTeise erläutert. Da der Stellung zu machen von den Beziehungen, welche
Monarch das Motiv des Kunstwerkes angegeben in Italien zwischen dem Publikum und den Künst-
hat, so kann das Denkmal keinen besseren Tnter- lern bestehen, ist es nötig, das italienische Publi-
preten finden, als den deutschen Kaiser selbst. kum ganz zu kennen. Werfen wir einen Blick auf
Die Rede des Kaisers lautete: „Ernste und weihe- m seine 'gegenwärtigen Absichten und reden wir
volle Erinnerungen umgeben den heutigen Fest- -§L dann ein Wort von den Künstlern und von dem
tag und lassen unsere Herzen höher schlagen. IHk m Charakter der italienischen Kunst.
Mein Erstes Garde-Regiment z.F., vertreten durch MMk, lk Wer niemals in Italien gewesen ist, hat durch
Meine Leibkompanie, seine ruhmreichen Fahnen ]H_K_k__ die Romanschriftsteller eine ziemlich irrige An-
und viele alte Kameraden, die einstmals an dieser sieht von dem wahren Geiste der Italiener er-
stelle gefochten und geblutet haben, wird heute wJ_^_K_M* langt. Wenn man z. B. Castelar und Taine liest,
das Denkmal für seine Gefallenen enthüllen. Es ^_l___^_H___n so musste man glauben, dass in jedem Italiener
■geschieht dies unter Teilnahme Meines jüngsten '^_i_i_U_HF ein Dichter -.leckte. Hören wir Taine:
Regiments und gleichsam der gesamten deutschen TTsl___F - „Nirgend anders als in diesem Lande kann
Armee, vertreten durch die Truppen des 16. Armee- man die Leute aus dem Volke vor einer Kirche
korps. Es ist fast das einzige Regiment gewesen, «___H_HkJ_. oder vor einem Gemälde ausrufen hören: „Oh
welches an dieser blutgetränkten Stelle durch ein ^Bfe : : ■>__?!_».. Gott wie schön!"

Denkmal bisher noch unvertreten war. Und doch ^_BHH_p'HF Nach Taines Ansicht müsste die Empfäng-
hat es den vollen Anspruch darauf! Obwohl es _h_R3f lichkeit für die Kunst bei uns eine sehr bedeu-
durch seine Geschichte eng an Mein Haus gegliedert, MÄfi iH F tende sein. Aber Taine und alle die andern,
zur Erziehung der Prinzen und Könige desselben ■HHrB 4 welche ebenso denken wie er, haben sie wirk-
berufen, so recht eigentlich als ein Familien- und _^__H¥l m hch Recht?

Hausregiment angesehen werden darf, so hat doch fl_M_M l f Icn will kein definitives Urteil aussprechen

Meines Grossvaters Kaiserliche Majestät keinen |b' I über die Versicherung des hervorragenden

Augenblick gezaudert, diese Ihm so teuere Truppe _^E_HV~ f französischen Philosophen, weil mein Leser zu
voll für des Vaterlandes Wohl einzusetzen. Wie f_HHM^ I klug ist, um nicht zu bemerken, dass sie über-
das Regiment gekämpft und geblutet und seinen jflmjKm*» I trieben ist. Jetzt wissen es schon alle, dass
Fahneneid gelöst, wie sein Verhalten des grossen _H*---*" • _ Taine den Fehler hat, allgemeine Gesetze aus
Kaisers Lob, sein Leiden und seine Verluste Seine ~ den Thatsachen zu ziehen und seine Urteile
Thränen ihm verdient haben, lehrt die Geschichte! flRjj etwas parteiisch sind; der vorliegende Fall ist
Seinen unter dem grünen Rasen ruhenden Helden MflH ein sehr sprechender Beweis für diesen fehler,
setzt das Regiment mit Mir, als seinem ältesten u^^^^^^^^Hr ;SH|HflHH>' j Auch will ich nicht untersuchen, ob der
Kameraden, den Erinnerungsstein. Dir aewuhhe j tiM heutige Italiener sehr verschieden ist von dem
Form des Denkmals ist abweichend von den sonst Hr" IU._.J|M im- der Zeit der Konai.-samv. Indien hat in der
auf dem Schlachtfelde üblichen. Der gepanzerte H|HtfM Wm \ (H Ktüuej^jH Periode seines grössten künstlerischen Glanzes
Erzengel stützt sich, friedlich ruhend, auf sein ■ H eine überraschende Blüte von Architekten, Bild-
Schwert, geziert mit dem stolzen Motto des Regi- . Ip • *iJ-" Hj hauern und Malern gehabt, wie es sie jetzt
ments: Semper talis. Ich will daher, dass dieser MW : nicht besitzt und die Arbeit aller dieser Künstler
Figur auch eine allgemeine Bedeutung verliehen 1 HHRPHHHV ' wurde begünstigt durch das Interesse der Fürsten,

v der Päpste und Kardinäle und gehört zu dem

als Waelner für aile ha i :a ailh m ii Schönsten und Ruhmreichsten, was in der Ge-

,;ven SniJaten beider ! I.•<•!•••. -<»\\..lu des traa (. '; ^_fl_2SPI_f$ schichte der Kunst existiert. Und damals handelte

_H_H_r< ^_^_H_I_B' ____E_R_B____2!r^_^_H_^_i es s'cn um eme hohe und heilige Kunst, bei der

mütig für ihren Kaiser und ihr Vaterland sind Wt&F _tfi_ii_ä_E__&r /n_WH»«9 schliesslich das Interesse des Publikums wenig

auch die französischen Soldaten in ihr ruhmvolles HHH^H. K "Jß-^A , wHH SS___B__^* in Betracht kam. Nachdem diese goldene Zeit

Gral) gesunken. I'nd wenn unsere Fahnen sieh j ij^^^^^ufi..JHgE^B^ftO0äKl^^WV^^^^r zu Ende war, verlicss die Kunst nach und nach
grüssend vor dem erzenen Standbilde neigen _ -iSäsK^k die Fürstenschlösser und die Kirchen und machte

w-rdeii und wein.....-vi.!: i t' > ■ • i - den (iräberu . ■■ .: sieh familiär. So entstand die „private Kunst".

unserer heben Kameraden rauschen, so mögen jHHMflj Zu dieser Zeit befand sich das Publikum in
sie auch über den Gräbern unserer Gegner S^^UBBB^^^^^äSSSBKB^^BM^KKtB^ai^B^^B^^^^^^^^^^^fL engeren Beziehungen zu den Künstlern, deren
wehen, ihnen raunen, dass wir |[^^Hi_H_H_H__BB_B_^_^_i_B__H_H_H_^__l_H_l__^_^_^^_Bi Arbeiten es fördern musste. Und zuerst schien es

Toten in wehmutsvoller Achtung gedenken. Mit w Schott- Das Denkmal für die Gefallenen in der That, als ob das italienische Publikum sich

tiefem Danke und Aufblick gegen den Herrn der des preussischen Ersten Garderegiments z. F. in St. Privat. hierzu bequemen würde, aber später entschwanden

Heerscharen, für seine unserem grossen Kaiser die schönsten Hoffnungen wie der Duft in einer

gnädig bewährte Führung wollen wir uns vergegenwär- ^_ ■_- , verwelkten Rose. Denn unser Publikum lässt sich

tigen, dass auf den heutigen Tag die um des höchsten KUflSt UflU L}3.nd-1 ifl «jtälißn. von der Malerei nicht als Kunst bewegen, sondern

Richters Thron gescharten Seelen aller derer, die einst in ' als Darstellung von Ereignissen, welche die Seele cr-

heissem Ringen sich auf diesem Felde gegenüberstanden, Welche Beziehungen existieren in Italien zwischen schüttern. Die italienische Psyche war erwacht bei

im ewigen Gottesfrieden vereint auf uns herabsehen!" der Kunst und dem Kunsthandel? Oder welche Be- unserer politischen Wiederherstellung und die Malerei

Ziehungen giebt es augenblicklich zwischen der Kunst vor allem suchte Inspiration in diesen Thatsachen, welche

und dem Publikum? Sehen wir es uns einmal an und Beweise von nationalen Schmerzen und Freuden waren,

hören wir die Künstler darüber. Die einen, die Indessen schien das Publikum die Reize der Kunst

Dl6 QOldßDG JVI©dclill© 6ifl6il EhPGHpFGiS, schüchternsten und berechnendsten sagen: „Die Kunst zu gemessen und es schien, als ob die Künstler eine

für die Kunst", das ist eine Formel so schön wie die gewisse Gemeinschaft der Gedanken und Bestrebungen

die höchste überhaupt verliehene Auszeichnung, erhielt Sonne, wenn man mit der Phantasie auf dem ruhigen mit diesem Publikum hätten, welche allerdings sehr bald

das vom Deutscheft Verlagshäuse Bong & Co. auf Meere der Ideale dahinsegelt; aber wenn man mit dem als die patriotischen Aufwallungen nachhessen, sich

der diesjährigen Allgemeinen Hygiene-Ausstellung aus- streng berechnenden Verstände sich auf dem unsicheren wieder verlor.

gestellte dreibändige Werk von Platen: „Die neue Kampfplatze des realen Lebens befindet, dann heisst es Belgiocoso, der Präsident der Brera Akademie war,

Heilmethode", was um so mehr bedeuten will, da nicht mehr die Kunst für die Kunst.... man muss sich ein- schrieb über das, was ich eben sagte, die folgenden Worte:

auf der Ausstellung gerade die Litteratur über natur- verstanden erklären mit den Werken, die das Publikum „Die Ausstellung der Brera war, abgesehen von

gemässe Lebensweise, Gesundheitspflege und arznei- liebt und seinen Wünschen klug und beflissen folgen. dem Werte der dort ausgestellten Sachen, an sich allein

lose Heilweise einen breiten Rahmen einnahm. Sämt- Dagegen sagen die andern, die Parnassianer, oder ein städtisches Fest. Keine wohlhabende Familie würde

liehe bisher erprobten Heilmethoden, wie die von Intransingenten, wie sie genannt werden: — DasPublikum! am Vorabend der Ausstellung aufs Land gereist sein,

XIV. 3. B.
 
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