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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 14.1900

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3. Heft
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An unsre Leser
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https://doi.org/10.11588/diglit.22226#0037

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<& An unsere Leser! &

fuch in diesem Jahre werden wir, bewährten Grundsätzen treu bleibend, unseren Lesern eine Christfest-Ueberraschung bieten, die in einer

prachtvoll ausgestatteten Weihnachts-Hummer

bestehen wird. Wir wollen so auf unsere Weise zur Verherrlichung des schönsten deutschen Festes etwas beitragen. Zur Erreichung dieses Zieles sind
die höchsten Mittel aufgewendet worden, erste Künstler und Schriftsteller werden uns durch Darbietung ausgezeichneter künstlerischer und litterarischer
Beiträge in unserm Bestreben unterstützen.

Der Preis der Weihnachts-Nummer für die Abonnenten beträgt M. l.OO, für Nicht-Abonnenten dagegen M. 3.00. Die Ausgabe erfolgt bereits
Ende November, so dass dieses Prachtwerk bei rechtzeitiger Vorausbestellung unsern Abonnenten und Freunden als sehr billiges und beliebtes Weihnachts-
geschenk zur Verfügung steht.

Berlin W. 57 * Leipzig * Wien * Stuttgart. „ . Redaktion und Verlag der ,,Modernen Kunst/'

<f7> i ( sr> . Begabte mehr erreichen und sein Glück schneller, trennen oder, wenn es zusammen engagiert sein will,

Vl^llCQTCI? — V^O 1" 1'IC V' C11 • leichter und sicherer machen. Es braucht schliesslich in eine Kürzung seiner Bezüge willigen.

Von Robert Misch keiner hervorragenden Talente, keiner eisernen Energie, Was ich behauptet, will ich zu beweisen versuchen.

[Nachdruck verboten.] sondern nur treuer Pflichterfüllung und des durchschnitt- Falls diese Zeilen auch nur einige abhalten, dem trüge-

„Meine Tochter soll einmal zum Theater gehen. Da liehen Maasses von Fleiss und Ausdauer, um sich als rischen Irrlicht der Bühnenkunst zu folgen, ist ihr Zweck

verdient sie ein schweres Geld, braucht sich nicht zu Arzt, Lehrer, Jurist, Beamter oder Kaufmann eine ger schon erfüllt. Wer den wahren Beruf in sich fühlt, der

überarbeiten, führt ein angenehmes Leben . . . das sicherte Lebensstellung zu schaffen. Für den Schau- lässt sich eben durch nichts abschrecken.

Theaterspielen ist doch nur eine Spielerei — und Spieler, der Carriere machen will, genügt das nicht. Freilich, hier beginnt schon der Irrtum. Einem an-

schliesslich heiratet sie womöglich einen Grafen oder Freilich, wer nichts zu verlieren, sondern bei einigem gehenden Schauspieler ein zutreffendes Prognostikon zu

Millionär." Gelingen nur zu gewinnen hat, wer aus tieferen sozialen stellen, ist so ziemlich das Schwerste, was es giebt.

Solche und ähnliche Reden hörte ich oft in meinem Schichten aufsteigend zur Bühne geht, oder wer mit Man kann ausgezeichnet deklamieren — darauf läuft

Leben aus dem Munde thörichter Mütter. Und wenn ich Leichtigkeit in den verlassenen, früheren Beruf zurück- doch zumeist jede Vorprüfung hinaus — und doch keine

dann erstaunt oder ironisch fragte: kehren kann und einen unwiderstehlichen — freilich oft eigentliche schauspielerische Begabung besitzen. Und

„Ihre Tochter ist ja noch ein Kind. Woher wissen trügerischen — Drang zur Kunst der Bühne in sich fühlt, umgekehrt kann män;sehr schlecht Verse sprechen und

Sie denn, ob sie Talent hat?" so erhielt ich ebenso er- der wage leichten Herzens den schweren Schritt auf die doch ein starkes Talent, z. B. ein geborener Komiker

staunt oder ebenso ironisch die Antwort: weltbedeutenden Bretter. Das Portiers- oder Schusters- oder Lustspieldarsteller sein. Der Niemann-Raabe gab

„Talent?! Was heisst Talent?! Sie braucht ja nicht töchterlein, der Friseurgehilfe oder Kellner, die im Verein einer der gewiegtesten, erfahrensten Bühnenkenner, der
gleich eine Wolter oder Gallmeyer zu werden. Das „Thalia" vor ihren Freunden und Sippen unerhörte verstorbene „alte" Gheri Maurice, der Begründer des
Kind ist hübsch, aufgeweckt, deklamiert sehr nett und Triumphe als „Grille" oder Don Carlos, „Infanterist" Hamburger Thaliatheaters (ein besonders als Talent-
geht schon heute gerne ins Theater. Mehr braucht man von Spanien — wie mir einst mein mimender Barbier Entdecker, als ein wahrer Bühnencolumbus gepriesener
nicht, um beim Theater Carriere zu machen." sagte—, gefeiert, sie haben nichts zu verlieren; sie können Fachmann) den guten Rat, schnell einen anderen Beruf

„Von allem, was Sie da behaupten, ist das gerade nur gewinnen, und sich auf das Beispiel zahlreicher zu ergreifen, denn sie sei „eine dumme, talentlose Pute."

Gegenteil der Fall, wie Ihnen jeder Fachmann bestätigen Mimen berufen, die auch einst den Hammer oder die — Mancher grosse Künstler ist im Anfang seiner Lauf

wird. Ganz abgesehen davon, dass Sie noch garnicht Nadel geführt haben. Adolph jetzt Ritter von Sonnen- bahn jämmerlich ausgepfiffen worden,

wissen können, ob Ihre Tochter einen Funken von thal war ein Schneidergeselle, Niemann und Girardi Gewöhnlich : So machen es wenigstens die aus

Talent hat und in fünf, sechs Jahren noch hübsch sein Schlosserlehrlinge, der verstorbene Regisseur und Ber- besseren Kreisen stammenden Kunstjünger — wendet

wird — ich meine, sehr hübsch —, so wird sie jähre- liner Hofschauspieler Krause ein Kupferschmied; Char- man sich einem Lehrer, einer Bühnenschule zu, deren

lang, selbst bei starker Begabung, durchaus kein an- lotte Wolter war die Tochter einer Wäscherin und trug es in Wien und in München je eine staatliche giebt

genehmes, d. h. müheloses und leichtes Leben haben, als Kind den Garderobenkorb einer Schauspielerin ins (K. K. Konservatorium — Kgl. Odeon). Alle anderen

sie wird im Gegenteil ganz gehörig arbeiten und sich Kölner. Stadttheater. Und diese Beispiele Hessen sich sind private Unternehmungen, die natürlich, da sie Gel.l

plagen müssen, wenn sie Carriere machen will. Trotz- leicht vermehren. verdienen wollen, jeden und jede annehmen, die gerade

dem ist es noch sehr zweifelhaft, ob sie sie macht, Wer aber aus besseren sozialen Schichten stammt, Glieder und keinen Zungenfehler besitzen — und selbst

selbst bei starker Begabung. Hat sie diese nicht, so geht wer einen höheren gesicherten Beruf, womöglich eine für solche finden sich gewissenlose Lehrer. Einen

sie Unter oder rettet sich in eine Heirat. Diese Chance akademische Laufbahn aufgiebt—Studentenaufführungen „vom Feuer der Begeisterung" und dem „Drang zur

ist bei der Bühne allerdings grösser; die meisten leidlich haben schon manchen Musensohn verlockt, freilich auch Kunst" erfassten Bühnenjünger hält ein so kleines Uebel

hübschen Mädchen können ganz annehmbare Partieen starke Talente (Sommerstorff, Dr. Pohl u. a.) in helles natürlich nicht ab. Man kennt die leider nur zu wahre

machen. Der Zauber der Bühne! Aber Grafen und Licht gestellt —, wer wie die Töchter guter Familien Anekdote: „Was — Sie wollen zur Bühne gehen?

Millionäre? Das ist etwa so wie bei der Lotterie: ein aus dem umfriedeten Heim einer wohlanständigen Sie stossen ja mit der Zunge an!" — „„Wenn's das

Haufen kleiner Gewinne und Nieten und wenige, sehr Bürgerlichkeit auf diesen trügerischen Sumpfboden Publikum nicht geniert — mich geniert's nicht.""

wenige grosse Treffer." treten will, oder wer sich gar mit den widerstrebenden Uebrigens, ein Trost für die Stotterer: Friedrich

Auf solche Antwort hat man stets die Achseln ge- Seinen verfeindet — kurz, wer etwas aufzugeben hat: Haase hat in seiner Jugend auch gestottert und es sich

zuckt und mir kein Wort geglaubt. Unangenehme Dem sei ein dreimal warnendes Mene tekel zugerufen, erst durch eisernen Fleiss und fortgesetzte Uebungen

Wahrheiten, die eingewurzelten Ideen und Lieblings- der prüfe sich selbst und lasse sich von Kundigen zehn- abgewöhnt.

Projekten entgegentreten, glaubt man nie. Es wäre fach prüfen, ehe er den entscheidenden Schritt thut. Es ist jedenfalls eine Thatsache, dass der Massen-
freilich thöricht, in allen Fällen radikal von der Theater- Und wenn ihm eine innere Stimme nicht sagt: „Du andrang zur Bühne — ein Andrang, wie man ihn früher
carriere abzuraten. Denn schliesslich besitzen wir eine kannst und möchtest nicht leben ohne diese Kunst", so nie gekannt hat — neben den falschen Vorstellungen
Anzahl von grösseren Bühnen, an denen gut bezahlte, fliehe er die schmale Bühnenpförte. von angenehmer, leichter Carriere und den Süssigkeiten
in guter sozialer Stellung lebende Künstler wirken, die Und auch diese Stimme täuscht gar oft. Das des Bühnenlaufes auch darauf zurückzuführen ist, dass
durchaus nicht alle Genies sind. Aber sie haben fast Bismarck'sche Wort von den „Berufsverfehlern" passt so viele Lehrer und „Theaterakademieen" existieren,
alle schwer ringen und kämpfen müssen, ehd sie sich viel mehr auf den Mimen als auf den Journalisten. Ein Jeder verkrachte Bühnenleiter, jeder invalide Schau-
eine Position schafften. Ausser der schauspielerischen Journalist, der sein Unterkommen gefunden, kann sein spieler, der sich nicht anders zu helfen weiss und einige
Begabung und dem Fleiss, ohne den auch das starke Lebelang an einer Zeitung bleiben, in einem Orte fest- Mittel' zum Annoncieren übrig behalten hat, legt sich
Talent verkommt, gehört eine aussergewöhnliche, un- wurzeln. Die überwiegende Mehrzahl der Mimen da- darauf, Schauspieler zu dressieren. Das eben ist der Fluch
erschütterliche Energie und Ausdauer dazu, die sich gegen hetzt ihr Beruf von Ort zu Ort. Nicht nur ein der bösen That, dass sie fortzeugend Böses muss gebären,
nicht brechen und entmutigen lässt; es bedarf für den festes Heim, auch einen eigenen Plerd missgönnt der Natürlich giebt es auch tüchtige, berufene Lehrer,
jungen Mimen grosser Entsagungskraft, eines starken, grausame Götze Publikum dem Bühnenkünstler. An den Und der Einzelunterricht bei solchen ist der Massen-
kunstfreudigen Idealismus und zu alledem— Glück, viel Provinztheatern engagiert man ungern verheiratete dressur der „Akademieen", selbst der staatlichen
Glück, um alle Hindernisse zu überwinden. Das Ziel Helden, Bonvivants und Liebhaber, und eine verheiratete (wenigstens im letzten Teil der Ausbildung) vorzuziehen,
ist lockend, der Weg zur Höhe ist steil und dornig. Liebhaberin oder Naive hat dort wesentlich an Inter- da sich der Einzellehrer dem einzelnen Schüler beim
In jedem anderen Berufe kann der nur mittelmässig esse verloren. Ein Ehepaar muss sich oft auf Monate Rollenstudium besser widmen kann. [Fortsetzung folgt.]

Zur gefälligen Beachtung.

$11 den Fällen, dass die verehrlichen Leser der „Modernen Kunst" die Hefle unseres Blattes von einem ihnen unbekannten Kolporteur
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Berlin W.57. * Leipzig * Wien * Stuttgart. Rieh. Bong, Kunstverlag.
 
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