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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 14.1900

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7. Heft
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Bornemann, Wilhelm: Weihnachten bei den Studenten
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Holzbock, Alfred: Weihnachten am Theater
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https://doi.org/10.11588/diglit.22226#0160

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MODERNE KUNST. ir

Feste pflegt die Weihnachtskommission erwählt zu werden. Ihr liegt die sorg- Das Schweinlein, das gleich vorn steht, soll wohl eine Sparbüchse vorstellen,
same Vorbereitung des Weihnachtskommerses oder Weihnachts-„Ulkes" oder Merke dir's, junger Mann, dass sparen eine .segenbringende Tugend ist, die man
wie man sonst die Sache benennen mag, ob. Es gilt, Geschenke zu beschaffen, getrost schon als Student üben kann. Daneben liegt so ein Ding wie ein Gold-
wie sie dem jeweiligen Geschmacke, der Gewohnheit, der Individualität des ein- fischlein, und der flotte junge Mann, dem es geschenkt zu sein scheint, trägt den
zelnen Mitgliedes entsprechen. Dazu wird ein Sprüchlein oder Verslein fabriziert, Verlobungsring an der linken Hand. Deutet der „Gold"-Fisch das an, was man
das scharf ins Schwarze treffen und eine Charaktereigentümlichkeit, ein Ereignis eine gute Partie nennt? Wahrscheinlich. Sei ihm sein Glück gegönnt und
oder ein anderes Ding, das den zu Beschenkenden angeht, behandeln muss. bleibe es immer so, wie es ihm jetzt die Weihnachtsgloeken vorklingen. Der
Man kann sich denken, dass es oftmals nicht ohne beissende Satire abgeht. bärtige Geschenk-Austeiler hält just einen riesigen Schlüssel hoch und dekla-
Doch es ist Sache der Kommission, den nötigen Takt zu üben; und überdies miert dazu sein Vcrslein. Es muss eine fidele Sache sein, die er da berührt;
wird proklamiert, dass keiner mit der Laune des Schmollens und Uebelnehmens mit dem Hausschlüssel haben sich ja von jeher allerlei Abenteuer für den
erscheinen darf. Immerhin müssen die Arrangeure geschickte Leute sein; allein, Bruder Studio verknüpft. Eine fröhliche Bewegung läuft durch die Tafelrunde.
Poeten giebt's überall. Das leuchtende Symbol des Weihnachtsfestes, der Zwei der Jünglinge heben die Hand, der eine zustimmend, der andere abwehrend,
brennende Tannenbaum, darf natürlich nicht fehlen. Er ist hier gerade so Offenbar haben sie die Geschichte mit dem kolossalen Schlüssel erlebt. Wir
geheiligt, wie im deutschen Hause überhaupt. So kommt denn der Tag heran. wollen nicht neugierig sein, zu forschen; denn der Hausschlüssel heischt für das,
Er muss vor das eigentliche Fest gelegt werden, da zu diesem selbst etliche was er schaut, manchmal Diskretion. Und siehe, da vorn liegt ein Püppchen.
Kommilitonen an den häuslichen Herd eilen und die „Kneipe" am Heiligabend Natürlich! „Auch von Lieb' umgeben ist Studentenleben" . . . Aber dem, der
arg verödet sein würde. Und man kleidet den Tag in das besonders feierliche die Puppe erhielt, hängen die Mägdelein wohl ganz besonders an? Die alte
Gewand des Kommerses, wie das die Chargierten in stattlichem Wichs, die auf Geschichte. Eine jede Korporation pflegt ihren Don Juan zu haben. Die anderen
unserem Bilde den Tafeln präsidieren, beweisen. Zuerst geht es, der Sitte schen's mit Neid oder mit Vergnügen, je nachdem. Und wenn es dann etliche
gemäss, ein wenig steif zu. „Offizielle" Lieder werden gesungen und das strengere Semester so in Flirt und Lust gegangen ist, dann wird dem Don Juan nicht
Regiment des „Komments" herrscht. Allmählich wird's jedoch gemütlicher selten ein braves Hausmütterlein zu teil, mit dem er als entlegener Pfarrer oder
und ungebundener, bis der Hauptakt des Abends geschieht und die Bescherung Richter ein beschaulich glückliches Dasein in aller Stille geniesst und wohl-
„steigt". Die Bäume entzünden sich; ein mächtiger Korb wird herbeigeschafft und abends singt: „O alte Burschenherrlichkeit, wohin bist du geschwunden?" . . .
der Weihnachtsmann erscheint, um seine Gaben auszuteilen und die Begleitworte Noch aber denken er und die anderen unseres Bildes nicht an das trübe
der verschiedenen Angebinde der Korona zum Besten zu geben. Diesen Zeitpunkt „Philisterium". Noch schäumt ihnen der Becher der Jugendlust. Und noch
stellt unser Bild dar. Man sieht an den einzelnen Gruppen und auf den Gesichtern, stimmt der mit dem Püppchen Beglückte lieber als Sehnsuchtslieder den Vers
dass höchste Spannung Platz gegriffen hat. Die einen haben schon ihr Teil, die an: „Ob ihren Kirschenmund morgen schön Hildegund, anderen beut — darnach
anderen harren, was ihnen der Mann in der Kapuze bescheren wird. Die Char- ich nimmer frag" . . . Mögen sie jubeln und stürmen, auf dass die alte Wahr-
gierten aber vergessen ihres Amtes nicht, dafür zu sorgen, dass die Ordnung der heit sich erfülle von dem Moste, der, je ungestümer er sich geberdet, ein um
Tafel gewahrt bleibe. Einzelne Gaben sind schon auf dem Tische ausgebreitet. so ruhigerer und edlerer Wein wird. Wilhelm Baiiiemann.

-t-

^j^ei^nacll^eii am (ITfyeafer.

Von Alfred Holzbock.

[Nachdruck verboten:]

s ist ein Fest voll inniger Feierlichkeit, an dem der erste und der werden und der Hotelwirt ein Weinchen gespendet, das alle innerlich noch mehr

letzte am Theater, losgelöst von seinem Berufe, der ihn gerade zusammenzieht. Schliesslich sind Sorgen und Zweifel verscheucht, der W'eih-

an Festtagen zu zwiefacher Pflicht ruft, wie all die anderen nachtsbaum, so klein er ist, sein Licht verbreitet hier freudige Helle. Sie sitzen

Menschen ruhen kann. Er ist frei von Schminke, Bart und Kostüm, beisammen, sie essen und trinken, und das allein erzeugt in ihnen schon ein

frei von der Sprache der anderen, deren Dolmetsch er sein muss, Gefühl des Glückes.

er kann seinen innersten Gefühlen nachgehen, seine eigensten „O Tannenbaum, o Tannenbaum, wie grün sind deine Blätter", erklingt es
Empfindungen belauschen, er darf seine Gedanken denken, seine Sprache reden. zuversichtlich und ergreifend. Grün ist ja die Farbe der Hoffnung.
Und wie draussen in der grossen Welt des Seins am Weihnachtsabend Liebe Die kleinen Kerzen sind herabgebrannt, die wenigen Stunden der Sorg-
und Leid, Reichtum und Armut in der Art des Feierns sich wiederspiegeln, so losigkeit dahin, es muss geschieden sein; Und sie trennen sich mit Wünschen,
offenbart sich an ihm auch in der kleinen Welt des Scheins der gesellschaftliche, aus denen etwas wie das Sehnen nach Glück hervortönt, aber sie werden auch
wirtschaftliche und rein menschliche Unterschied, welcher da draussen immer und im Leid wieder zusammenhalten, das hat die gegenseitige Liebe am Weihnachts-
überall, bei den profansten und bei den weihevollsten Anlässen, sich aufdrängt. Da, abend offenbart.

wo der Ueberfluss nicht zu Hause ist, wo der Kampf um das Notwendigste eine *

nicht mit den Bedürfnissen des alltäglichen Lebens zusammenhängende Ausgabe Der Weihnachtsabend am Theater wird im allgemeinen sonst von allen

nicht zulässt, wo aber trotz aller materiellen Sorgen das Gefühl der Zusammen- Klassen in schlichter, würdiger, herzlicher Art gefeiert. Es giebt auch am

gehörigkeit lebt, wird der Weihnachtsabend vielleicht am innigsten empfunden. Theater Weihnachtsfeiern, aus denen der wohlige Zauber eines glücklichen,

* ... * reinen Familienlebens weht. Er ist der Held, sie die erste Liebhaberin der

Und wie im Leben so auch am Theater. Bühne. Sie denken nur an ihre Kunst, sie leben nur für ihre Familie, und sie

Die reisende Theatergesellschaft, die von Ort zu Ort pilgert, die heute hier zollen beiden das rechte Verständnis, indem sie beide trennen, das Theater

und morgen dort ihre Zelte aufschlägt, die Schmiere, die nicht einmal den heiter nicht mit dem Heim vermengen. Ihrem Berufe gehören sie auf der Bühne an,

trügerischen Schein, sondern nur das bittere Sein des Bühnenlebens kennen das Familienheim hat mit der Schminke nichts zu thun.

lernt, die armseligen Komödianten, die frei von dem Ehrgeiz der Grossen sind Zwei herzige Kinder stehen mit geröteten Wangen freudvoll harrend hinter
und nur eine Sehnsucht haben, täglich ihr Brod zu finden, sie führt der Weih- der Thür; endlich dürfen sie hinein, dürfen sie im lichten Glanz des Weihnachts-
nachtsabend noch inniger zusammen. baumes ihres reinen Glücks sich freuen. Die Eltern, einfach und natürlich,

Alle haben sie sich in der armseligen, Büreau, Salon, Wohn- und Schlaf- wahrhafte Menschen, breiten vor den Kleinen all jene zahllosen Kleinigkeiten,

zimmer repräsentierenden Stube des Direktors und der Direktorin zusammen- aus, all jene Zeichen der Liebe, all jene Beweise der Sorge, der sich liebende

gefunden. Ein kleiner Weihnachtsbaum spendet mildes Licht, allein die sonst Eltern so gern für ihre Kinder hingeben. Er hat ihre heimliehen Wünsche, sie

so lauten Mitglieder sind ruhig und schweigsam, ein Gefühl des Zweifeins und die seinen erraten und erfüllt, der Geist zärtlichster Harmonie herrscht, in inniger

Sorgens scheint sie zu drücken. Gesenkten Hauptes, die Hände gefaltet, um- Umarmung stehen sie da, und die Kindel-, sie freuen sich ihres Glücks, sie

stehen sie jetzt den Baum, und halb wehmutsvoll, halb hoffnungsvoll singen sie nehmen unbewusst Teil an dem Glück der geliebten Eltern. Hier sind zwei

in jenem frommen, ergreifenden Tone, welcher der Seele des das Glück Ent- Theaterleute, die in ihrem trauten Heim alles Theatralische abgestreift haben,

behrenden und Erflehenden entquillt: „Stille Nacht, heilige Nacht!" hier herrscht echte Weihnachtsstimmung, hier ist die rechte Weihnachtsfeier, ein

Hier unter diesen Letzten und Ruhelosen am Theater durchströmt den Fest der Liebe, wie es nur auf dem Boden des innigsten und reinsten Familien-
Weihnachtsabend der Geist der Liebe und Zusammengehörigkeit. Sie gehören glücks gedeihen kann,
zusammen durch das alltägliche Ringen um das gemeinsame Brot, sie sind frei *

von Neid und Missgunst, sie halten fest zusammen und sie eint die Not, die ein Im prunkvollen Salon des gefeierten Kammersängers brennt der Weihnachts-
festerer Kitt ist als das Glück. bäum. Er reicht bis zum Plafond und ist natürlich elektrisch. Ein kaltes Lieht!

Ein jeder hat für den anderen eine Ueberraschung, ein jeder hat es sich Auf langen Tischen lagern verdeckt die Ueberraschungen. Die Frau, das Kind,

förmlich vom Munde abgespart, um dem andern ein wenn auch noch so kleines mehrere begeisterte Kammersänger-Anhänger, der Direktor, der Regisseur, der

Zeichen der Liebe geben zu können. Die Direktorin hat für warmes Abendbrot Kapellmeister, sie bilden das Auditorium. Ein Auditorium, — denn man wird

gesorgt, dessen Unkosten hoffentlich durch die Feiertagseinnahmen gedeckt das Gefühl nicht los, als ob hier alles scenisch veranstaltet sei.

XIV. W.-No. V.
 
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