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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 14.1900

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1. Heft
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Werner, R.: Kommers Alter Corpsstudenten in Berlin
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https://doi.org/10.11588/diglit.22226#0010

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ommers Älter Korpsstudenten in

Von Dr. R. Werner.

Herr Staatsanwalt Lademann als Präsident.

[Nachdruck verboten.]

^jjper farbentragende Student, namentlich der Corpsstudent, bildet mit dem „Band von
.deich dem Leutnant, der Schwiegermutter, dem Schulmeister buntem Taft" — wie
und anderen eine stehende Figur in den deutschen Witzblättern, sowohl es jüngst in einem
in den harmlosen „Fliegenden", als den halb- und ganzpolitischen. Allein Lobliede auf die so-
auch er weiss sich zu trösten mit dem Bewusstsein: Ich bin besser genannte
als mein Ruf!

Nicht das schlechteste Zeichen für ihn ist wohl der Umstand, dass
die „Alten Herren" der Corps, reife, in Amt und Würden stehende „Finkenschaft",
Männer, einen Verband gegründet haben, unter derzeitiger Leitung von das ist die nicht in
Hans von Hopfen, Franconiae-München, um die Interessen des deutschen farbentragende
Corpsstudententums kräftig zu vertreten, und dass sie auch mit Freuden Corporationcn zu-
immer wieder die Gelegenheit ergreifen, auf den sogenannten „Alten sammengefasste
Herren-Kommersen" der „wonnevollen Jugendzeit" einige Stunden der Studentenschaft
Erinnerung zu weihen und mit den jüngeren Elementen gemeinsam im hicss, — alle ge-
wahrsten Sinne des Wortes „Farbe zu bekennen". schmückt mit Mütze
Darf ich Sie bitten, schöne Leserin, mich zu einem solchen Kommerse oder Cerevis: rot,
zu begleiten? blau, grün, gelb; ja,
Der grösste seiner Art wird selbstverständlich in der Reichshauptstadt die Farben sind noch
gefeiert, dort, wo eben alles zusammenströmt. Gemütlicher ist gewiss zahlreicher als die
mancher kleinere, das weiss ich aus eigener Erfahrung; farbenprächtiger des Regenbogerls,
indessen und für meinen Zweck geeigneter ist sicherlich der Berliner sintemalen es auch
Kommers, der jedes Jahr im Februar stattfindet, und an dem stets über weisse und schwarze
1000 jüngere, ältere, alte'und älteste Corpsstudenten teilnehmen. darunter giebt. Der
Betreten wir den grossen Saal der Philharmonie. Saal ist mit allerhand
Fürchten Sie nicht, gnädiges Fräulein, dass Ihnen der Zutritt ver- corpsstudentischen
weigert wird, weil Ihr Herr Vater überhaupt nicht studiert hat, Ihr ältester Emblemen, Wappen,
Bruder aber sich noch mit Cicero und Demosthenes herumschlägt, und Trinkhörnern, Ra-
der junge Assistenzarzt Dr. N. noch nicht offiziell — aber still, nein, pieren u. s. w. ge-
nein, ich verrate nichts! Wenn Sie sonst keinen Bekannten haben, der schmackvoll dekoriert — seinen schönsten Schmuck helfen Sie aber bilden,
Sie einführt, stelle ich mich Ihnen gern zur Verfügung. So — hier ist die gnädiges Fräulein, den Kranz reizender Frauen, welche die Logen zieren.
Einlasskarte zu einer unteren Loge, und nun — herein! Da sehen Sie an Von dem Grün des Lorbeerhains, der die Militärkapelle verbirgt, hebt sich
unzähligen langen Tischen die Kommersteilnehmer sitzen, alle geschmückt wirkungsvoll die mit dem schwarz-weiss-schwarzen Corpsbande der Borussia-
Bonn geschmückte Büste Sr. Majestät des Kaisers ab, des ersten deutschen
Corpsstudenten. Ihm gilt auch die einzige offizielle Rede, die am Abend
gehalten wird; ihm zu Ehren „klappt" der Salamander doppelt vorzüglich.

Das Kaiserhoch auszubringen, ist nun schon seit mehr denn 25 Jahren
demselben Präsiden beschieden, dem Ersten Staatsanwalt Lademann, Ehren-
corpsburschen der Marchia-Berlin. Mit unerschütterlicher Ruhe, schneidig
und sachkundig waltet er seines Amtes. Sie werden ihn sofort erkennen,
denn auf dem einen der Bilder haben Sie ihn gesehen, den Schläger
in der rechten Fland — wahrscheinlich erteilt er gerade beim
Corps- oder Semesterreiben Jemandem das Wort.
^ Nachdem das ewig schöne Lied von der „alten Burschen-

BS herrlichkeit" gesungen ist, und sämtliche vertretenen Universi-

täten zur Begrüssung aufgerufen sind, beginnt das „Semester-
reiben", d. h. die einzelnen Semester erheben sich der Reihe
nach, um mit irgend einem kürzeren oder längeren Trinkspruch
ihr Glas zu leeren. Auf das Wohl des deutschen Corpsstudenten-
tums ! der Damen! — gestatten Sie auch mir, Ihr Wohl zu trinken,
gnädiges Fräulein! — des Präsiden! dem Andenken des Fürsten
Bismarck, der auch Corpsstudent war — so schallt es von
hier und dort. Zu verstehen ist aber anfangs noch nicht viel.
Erst nach dem 50. Semester tritt allmählich Ruhe ein. Silentium
für das 100. Semester! Herzlicher Beifall begrüsst den Jubilar.
Und nun geht es weiter, immer höher hinauf.
Silentium für das 120. Semester1

In staunenswerter Frische erhebt der Polizeidirektor Lange
sein Glas, um es auf das Wohl des corpsstudentischen Nach-
wuchses zu leeren. Jubelnd antworten die Jüngeren mit dem
herzlichen Wunsche, dass der hochverehrte, mehr als 80jährige
Senior der Berliner Alten-Pierren-Kommerse noch manches
derartige Fest mitfeiern möge!

Landesvater. Nach einer Zeichnung von F. Müller-Münster.
 
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