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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 14.1900

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15. Heft
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Brandenfels, Hanna: Erste und letzte Liebe: Skizze
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Jacobowski, Ludwig: Das schönste Zugstück
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Georgy, Ernst: Aus dem Mietskontor
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https://doi.org/10.11588/diglit.22226#0380

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MODERNE KUNST.

237

graue Haupt ob dessen jugendlicher Hast. Würde er seinen Gedanken Worte
leihen, würden sie etwa so lauten: Herr Graf sind reineweg verrückt! Flink und
verliebt wie ein Fähnrich — dabei die Gicht in den Gliedern und fünf Dutzend
Jährchen auf dem Buckel — dazu 'ne Liebesheirat! So'n Nonsens!"

Nach drei Tagen kommt ein Telegramm: „Keine Vorbereitungen treffen.
Brief abwarten!"

Jean' kraut verwundert seine grauen Bartkotelettes. Er wartet einige Tage
rnid als keine Nachricht kommt, fängt er an sich zu erkundigen.

Jean hat in der Residenz „Verbindungen" dank deren und der Zeitungen
Hilfe ist er just nicht gerade erstaunt, als sein Gebieter eines Tages wenige
Stunden vor Eintreffen des Zuges telegraphisch den Wagen an die Station be-
fiehlt. Er zeigt auch keine erstaunte Miene, als der Schlossherr allein und bis
zur Unkenntlichkeit verändert ankommt.

Die glänzende Schwärze aus Haar und Bart ist einem schmutzigen Grau
gewichen, das vornehm geschnittene Antlitz scheint hundert Falten mehr be-
kommen zu haben und die Haltung ist die eines Siebenzigj ährigen. Ueberall
lugen verstörte Gesichter hervor, so jämmerlich schaut der Herr Graf aus. Vor

vierzehn Tagen ein hochaufgerichteter Mann mit dem trügerischen Glänze
erkünstelter Jugend — jetzt ein zermürbter, zerbrochener Greis . . .

Nur Jean behält sein unentwegt undurchdringliches Gesicht. Lieber Gott,
so einer wie er kennt die Welt. Was ist denn gross Staunenswertes daran,
wenn ein lebenslustiges, genusssüchtiges Fräulein von der Bühne sich davor
graut, hier im totenstillen Schloss an der Seite des Alters zu vegetieren und
die schöne Jugend zu begraben? Zu grossen Reisen und Glanzfesten reicht es
nicht, das hat die schöne Nina inzwischen ausbaldowert und da ist's am Ende
„von so Einer" kein blaues Wunder, wenn sie mit einem Millionärssohne nach
Amerika durchbrennt. Warum sind der Herr Graf so dumm und glauben, dass
Jugend und Alter zusammen passen — das ist doch Nonsens!

Mitten in Jeans Gedanken hinein fällt ein Schuss. Er kommt aus dem
Erkerzimmer . . .

Auf dem Teppich liegt der tote Schlossherr — ein Häuflein Asche — wie
vor vierzehn Tagen die Liebesbriefe in der Glut — auf den Lippen scheint noch
das leise Gemurmel zu liegen, mit dem er in den Tod ging: „An einer ersten
Liebe stirbt man nicht — eher an der letzten ..."

Äqs schönste Sugstüe^. ,

ferrenschlipse, Stöcke, Kragen,
Weisse, bunte, nicht zu sagen,
Hinter blank geputztem Spiegel
Blitzen sie an Wand und Bügel
Ach vergeblich um die Wette,
Wer den besten Käufer hätte.

Macht die Kleine sich viel Mühe.
Wo sonst Hochzeitsschlipse drängen,
Müssen Vatermörder hängen.
Augen hat sie wie zwei Kohlen,
Blicke, die zum Teufelholen.

["Nachdruck verboten.]

plötzlich vor den blanken Scheiben
Giebt's ein Laufen, Gucken, Treiben;
Jung und altes Volk mit Zwicker,
Kneifer, Brillen, Nasendrücker,
Alle stehn wie festgehalten,
Denn ihr Lächeln hat Gewalten.

leden Freitag in der Frühe „S§?ie sie eilen unci nicht säumen

Um den Laden auszuräumen!
Jedem dankt sie wohl mit Blicken,
Nur bei einem will's nicht glücken,
Denn der macht das Herz ihr schwer . . .
Lieber Gott, wenn ich's doch war'!

Ludwig- Jacobowski.

-7---

us dem fföietskontor.^

Von Ernst Georgy.

" * [Nachdruck verboten.]

'oni, wo rennst Du denn bloss schon wieder hin? Ewig bist Du unter- Mädchen ein! Ich gebe ihnen Badebillets, schicke sie zweimal im Winter ins

wegs! Wenn ich schon 'mal einen Nachmittag zu Hause bin, dann thu Theater, erlaube ihnen wöchentlich je einen freien Nachmittag. Kurz, ich thue

mir doch den Gefallen und widme Dich mir! Wozu habe ich denn meinerseits alles Menschenmögliche! Aber, mein Ehrenwort, das hört auf! Bei

geheiratet?" — stöhnte Herr Kern und drehte sich mit dem Schreibtischstuhl dem Pack kommt man nur mit eiserner Strenge weiter. Wenig.Worte in kurzem

um. Seine Gattin stand vor dem Spiegel und legte den Schleier vor: „Du hast Tone und knapp halten, dabei fühlen sich die Leute und wir wohler! Ich werde

doch noch vier Briefe zu schreiben!"--„Ja, aber mit denen bin ich doch von meinen Bekannten lernen. Verwöhnen hat gar keinen Zweck." Sie umschlang

in einer Stunde fertig!" — — „Bis dahin bin ich längst zurück!"--„Wohin den Gatten. „Hu hu, wau wau! Pfui, Liebling, wie kann man sich so erregen?

gehst Du denn?"--„Nur schnell zu Frau Primke, meiner Mietsfrau!" Das lohnt wirklich nicht! Nun setz Dich mal vernünftig zu Deinem guten Manne

„Allerbarmer!" — schrie Kern und sprang auf—„Schon wieder zieht eine?" auf das Sofa und beichte Dir den Schmerz vom Herzen! Los!" — Er zog sie
--„Nein, nicht eine, teuerster Freund, sondern beide!" — entgegnete sie auf den Divan und drückte sie fest an sich.

spitzig. — „Das geht nicht mehr, wahrhaftig, Toni, das geht nicht!" — schrie „Dabei achtzig Thaler Lohn, für beide also hundertsechzig Thaler. Trink-
er noch einmal. — „Warum nicht, wenn ich fragen darf?" — meinte sie kämpf- gelder und Geschenke!" — fuhr sie zornig fort. „Nun hör aber, was wieder
bereit. — „Weil Du 'rum bist! Alle haben in den sechs Jahren unsrer Ehe schon passiert ist! Also heute Vormittag erscheint eine stockfremde Dame bei mir.

bei uns gedient! Du findest keine neue mehr!" — sagte er lachend. — „Lass Emma war grade mit den Kindern im Zoologischen Garten.---— Ich

die Witze, Hugo, ich bitt' Dich!" — versetzte Frau Kern darauf nervös — „Ihr wollte Dir diese Sache ersparen, da Du aber darauf bestehst, sollst Du sie hören.

Männer geht früh in das Geschäft, kommt mittags an den gedeckten Tisch; Sonst hältst Du mich doch noch für einen Teufel!" Er küsste sie zärtlich; aber

abends wieder, dann legt Ihr Euch in das gemachte Bett! Wir nehmen Euch die sie entzog sich seinen Umarmungen: „Nein bitte, Schatz, sei ernst, und unter-

tausend kleinen, quälenden Sorgen ab. Wir quälen uns mit diesen Frauenzimmern brich mich nicht. Du wirst sehen, es ist wirklich nicht lächerlich! — — Also

den Tag über herum! Was ahnt Ihr denn von den ekelhaften Kleinigkeiten, die die Fremde stellt sich mir als Baronin Wolfen vor und erzählt, sie komme, weil

sich täglich in den Haushaltungen hinter den Koulissen abspielen?" — Er um- sie das für Menschenpflicht halte. Seit vierzehn Tagen beobachtete sie Emma

armte sie zärtlich: „Sollte meine Maus nicht etwas nervös und kribblig sein?"-- im Zoologischen, weil sie unsere Kleinen so reizend fand. Weisst Du, warum

„Ich versichere Dich, Hugo, ich war es nicht! Ich hatte Geduld, Menschen- Hans, der arme kleine Kerl, absolut nicht gedeiht? Weil unsere treue Hüterin

liebe und die besten Vorsätze. Meine schöne Fremdenstube räume ich den ihm die Milch forttrinkt!" — „Ach was?" — „Ja, trotzdem sie sich doch täglich

•) Beifolgende Skizze ist dem demnächst erscheinenden satyrischen Humoreskenband: „Die Berliner zum mitgenommenen Frühstück ein Glas Bier kaufen darf. Das Geld spart sie,

Range über die Berliner Dienstboten" von Ernst Georgy entnommen. Die Dienstbotenfrage trinkt Hansens Flasche leer, und steckt ihm dafür einen Lutschpropfen mit auf-

ist jetzt in der ganzen Welt zu einer brennenden geworden. Anstatt bestehende Mängel von Seiten der
Herrschaften und der Dienenden langsam und praktisch zu heben, hetzt eine übelangebrachte und falsch
verstandene Humanität die Dienstboten auf das Unerhörteste auf. Georgy zeigt uns in realistischer, lustiger

geweichtem, mit Zucker bestreuten Weissbrot ins Mundchen!" — „Verfluchtes
Don--" schrie Kern wütend. Die kleine Frau hatte Thräncn in den Augen,

Weise die sogenannten weissen Sklaven in ihrem Thun und Treiben. Das im Verlage von Rieh. Bong in als sie fortfuhr. „Und diesen Propfen bringt das Scheusal in ihr Taschentuch
Berlin, Preis 1 Mark, erscheinende Buch wird in allen Kreisen viel Anklang finden. Mit photographischer • t i. j ■ 1 -i • ttt r- t 1 .. t 1 .. 1 1

T j y, , a « j T,. 4 , , , .... . , •: , , „ gewickelt mit, da ich ihn im Wagen finden konnte. Doch hör, es kommt noch

treue werden „Herrschatten" und Dienstnehmer in den einzelnen Skizzen gezeichnet. Die derbe Komik ö ' , ö '

und die parteilose Wahrheit haben noch nie ihren Eindruck verfehlt! besser! Fritz und Ilse müssen mit ihrem Spielzeug oder im Sand spielen. Wenn

XIV. 15. III.
 
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