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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 14.1900

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3. Heft
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Noël, A.: An fremdem Feuer: Novelle von A. Noël
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Dewey, C. Frank: Amerikanisches Hotelleben
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https://doi.org/10.11588/diglit.22226#0046

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42

MODERNE KUNST.

Er ging zur Mittelthür und blickte hinaus ... Ja, sie fielen . . . Ohne dass
ein Lufthauch die Wipfel bewegte, senkte sich Blatt um Blatt.

Die schöne Frau schlug unterdessen mit der Feuerzange auf die knorrigen
Buchenklötze, dass die Funken sprühten, dann nahm sie den Blasebalg zur Hand
und fachte heftig die Glut an.

Der hochgewachsene Mann lächelte.

„Wir fühlen beide einen herbstlichen Schauer bei dem Gedanken, dass diese
Jugend" — er wies mit der Hand hinaus — „von uns geht, und vor der herz-
durchfröstelnden Drohung der Einsamkeit suchen wir Ersatz an einer Wärme —
einer Lebensquelle. Aber Sie wärmen sich äusserlich am Kaminfeuer, ich da-
gegen, ich wärme mich innerlich, und nicht jetzt erst, nein, den ganzen Sommer
über wärmte ich mich an fremdem Feuer, am Liebesfeuer, das in den Herzen
unserer Kinder erglühte ..."

„Schön! Sehr schön! Nur find' ich meinen Kamin treuer! Wenn unser
junges Paar, den Schwalben nach, südwärts zieht, können Sie Frostbeulen be-
kommen, Baron!"

„Unbesorgt!" lächelte der Baron geheimnisvoll, indem er näher trat, doch
nicht so nahe, dass er den Feuerkreis erreicht hätte, an dessen Rand Frau Ottilie
sass, das Gesicht von der Glut rosig überstrahlt: „Unbesorgt! Ich bleibe nicht
in Kälte und Eis zurück . . . Mein Feuer hat doch anders gewärmt als das Ihrige ..."

„Anders?" fragte sie träumerisch, ohne sich umzublicken.

Anders, ja, nicht nur gewärmt hat es mich, eigenes Feuer entzündete es in mir.
Es muss wohl was in solcher jungen Liebe stecken, echtere Flammen, als die
aus den Klötzen da lodern, so echt und ewig wie das Sonnenfeuer selbst. Junge
Liebe ist ein Schauspiel für Götter."

Er beugte sich vor und sprach nahe am Ohre Frau Ottiliens weiter. „Ganz
alten Leuten, die ihr Leben regelrecht abgelebt haben, selbst denen mag manch-

mal nach Verjüngung und Wiedergeburt zu Mute sein. Aber wir, wir haben
es nicht ab- und nicht ausgelebt. Es wurde mir nach und nach recht eigen ums
Herz. Eine Stimme erhob sich in mir, die mir zuraunte: Bist Du denn wirklich
nur mehr gut dazu, fühlen zu sehen, zu alt, um selbst zu fühlen? War denn
dazumal das Feuer Deines Herzens bereits ganz ausgebrannt oder decktest Du
es bloss vorzeitig zu, als Du die Jugend zu Ende glaubtest?"

Gedämpft und umschleiert, aber warm und eindringlich klang die Stimme
des Mannes durch die zunehmende Dämmerung, aber sie hob sich, als die schöne
Frau noch immer abgewandt, gedankenlos den Blasebalg bewegte, freier und
klarer empor ... In halb scherzhaftem und ganz bewegtem Ton fuhr der Baron
fort: „Ein Funke war sicher noch da innen .... Und da muss wohl jemand
mit dem Blasebalg dazu gekommen sein. Sicher ist, dass ich keinen Kamin
brauche . . .' Und so frage ich Sie denn, gnädige Frau . . . Ottilie! Bebend wie
ein Schulknabe, hoffnungsvoll wie ein Jüngling und zaghaft wieder wie ein
Mann an der Schwelle seines Herbstes frage ich Sie: Wollen Sie nicht lieber
dieses Feuer da nähren und erhalten, schüren meinetwegen auch mit kleinen
Bosheiten, Spöttereien, schnöden Reden . . ., mit welchem Zündstoff Sie wollen . . .
und glauben Sie nicht, dass zwei Einsamkeiten zusammengethan — keine sind?"

Ottilie wandte sich nicht um, sie lehnte sich nur ein wenig zurück und sah
ihn von der Seite an mit einem Blick, worin es allerdings spöttisch funkelte,
aber um den Mund zuckte etwas anderes als Spott.

Die Dämmerung sank schneller ein, der Saal verfinsterte sich, nur draussen war
es noch licht. Dort lehnte das Mädchen jetzt träumerisch an der Schulter des Ver-
lobten und starrte mit grossen Augen ins Weite hinaus, von seinem Arm umfangen.

Auch hier innen umschloss der Arm des Mannes fest die zurückgelehnte Ge-
stalt, während beide, wie die Jungen, den Blick in die Abendhelle hinausgerichtet
hatten, wo lautlos, langsam und unaufhörlich ein dichter Blätterregen sich senkte.

merikanisches Motelleben.

Von C. Frank Dewey.

[Nachdruck verboten.]

»assen Sie uns in dieser verschwenderischen Pracht, in diesem ereifert sie sich über das Drcyfus-Drama, die Philippinen-Frage, weit

Eden von künstlerischen Blumen eine Weile versäumen," flüsterte häufiger aber noch über den neuesten „Einfall" der Pariser Mode. In

£TiJ~~r' mir mein Führer zu, als wir die prunkvollen „parlors" des be- diesem ,,ladies parlor", das durch einen besonderen Eingang für Damen

kannten A.-Hotels in New-York betraten. Das Innere, das ganz im Einklang von der Strasse aus erreichbar und nur Auserwählten — d. i. den Gatten,

stand mit dem gewichtigen, massigen Baustil, strahlte in elektrischem Brüdern oder Verlobten—zugänglich ist, fühlt sie sich ganz zu Hause und

Lichte, während ein flackerndes Feuer in dem grossen, offenen Kamine von jeder Fessel befreit. Mit strahlendem Lächeln empfängt sie jeden,

die Luft mit behaglicher Wärme durchflutete und schöne Damen in der ihre Bekanntschaft zu machen wünscht. Ungeniert schaukelt sie sich

eleganter Toilette, im Vollgenuss ihres Reichtums stehend, offenbar auf dabei auf ihrem ,,rocker" hin und her und beantwortet alle Fragen

das Zeichen der Tischglocke harrten. mit dem lebhaften und doch nachlässigen Wesen, das für die echte

Den Mittelpunkt des Interesses in einem amerikanischen Hotel, für Kosmopolitin charakteristisch ist.
Einheimische wie für Fremde, bilden die „parlors". Nicht allein den Das „hotel-parlor" ist eigentlich nur das Ergebnis eines in Amerika
ständigen oder vorübergehenden Gästen dienen sie als Sammelplatz, auch herrschenden, gesellschaftlichen Systems. In Ermangelung von volks-.
eine ganze Anzahl von Stadtbewohnern kommen hier häufig zusammen, tümlichen Konzerthallen, gemütlichen Cafes und öffentlichen Gärten, wie
um ihre Freunde zu besuchen oder dem auserlesenen Programm der sie so reichlich auf unserem Kontinent vertreten sind, ist eine amerikanische
Musikkapelle zu lauschen. Im Gegensatz zu ihrer europäischen Schwester Familie ganz und gar auf das „hotel-parlor", als Ort eines gemein-
zieht die amerikanische „lady" die öffentliche Geselligkeit, den Reiz zu samen Sammelplatzes angewiesen. Von häuslichen Sorgen befreit geht
sehen und gesehen zu werden, einem Verkehr in geschlossenem Kreise die Amerikanerin dort, wo ihr alle Vorteile des öffentlichen Hotels zu
vor. Ihre Emanzipation nach fast jeder Richtung hin, vereint mit einer Gebote stehen, mit der ganzen Unabhängigkeit ihrer emanzipierten
Duldsamkeit in sozialer Beziehung, wie man sie wohl in keinem anderen Stellung aus und ein. Das „hotel-parlor" ist das Feld ihrer Thätigkeit —
Lande wiederfinden wird, haben dahingewirkt, ihre Eitelkeit zu erhöhen ihr Büreau, ihr Boudoir. Die petites affaires d'amour, die Zusammen-
und ihre extravaganten Neigungen zu entfalten. Mit einem klaren, scharfen künfte mit Putzmacherinnen und Trödlern, die Besprechungen mit den
Verstände, einem lebhaften, schöpferischen Geiste begabt, denen sich ein Damen des eigenen Bekanntenkreises über den bevorstehenden Ball bei
gewohnheitsmässiges Interesse für alle schwebenden Tagesfragen zugesellt, Mrs. Astor — kurz alles wird hier bewerkstelligt und verhandelt. Und
wird sie jedes Thema von aktueller Bedeutung mit eingehendem Ver- wenn die aufregenden Fragen schliesslich zur vollen Zufriedenheit erledigt
ständnis behandeln — ausgenommen die Kalamitäten des eigenen Herdes. sind, da wagt es der Gatte, sie in schüchternen Worten an die nahende
In dem „hotel-parlor", von prunktvollem Glänze umgeben, Mitternachtsstunde zu erinnern.
 
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